Rohfassung meines Olmützer
Vortrags (11. Mai 2013) „The Mathematical-Poetic Renaissance in Austria“.
Setzt im späten 14.
Jahrhundert ein, bald nach der Gründung der Universität Wien (1365). An der
Philosophischen Fakultät bilden Trivium (Sprache) und Quatrivium (Mathematik)
den Rahmen des Unterrichts. Es dominiert die nominalistische Schule aus Paris;
man liest die aristotelischen Schriften (mit Ausnahme der Metaphysik).
Eindeutig „rationalistische“ Einstellung der Universitätslehrer: Kritik an
Astrologie und Weltuntergangsprophezeiungen, sogar an heißen Diskussionen über
die „Unbefleckte Empfängnis“.
Von 1420 bis 1460
unterrichten Johannes von Gmunden, Georg von Peuerbach, Johannes Müller
(Regiomontanus) die „Mathematischen Wissenschaften“ (Arithmetik, Astronomie,
Geographie) auf höchstem Niveau und mit weiten Ausstrahlungen, die bis
Kopernikus und Christoph Kolumbus reichen. Ihre Leistungen auf diesen Gebieten
beruhen auch darauf, daß sie sich die „humanistischen“ Neugierde- und
Tätigkeitsformen angeeignet haben; sie beschäftigen sich auch mit Rhetorik und
Poetik. Der Florentiner Neoplatonismus verstärkt allerdings das Prestige
der Astrologie, die den Astronomen gute Nebeneinkünfte verschafft. Ansonsten
hat er wenig theoretischen Einfluß auf sie, das sie sich von der Philosophie
fernhalten. Auch der berühmte Nikolaus Cusanus wird als Philosoph wenig
wahrgenommen.
In der zweiten Hälfte des
15. Jahrhundert läßt die Qualität der Forschung und Lehre nach, bis 1497 ein
neuer Anfang gesetzt wird. Berufung des Konrad Celtis (1459-1508)(durch
Maximilian I.) und anschließend Gründung des Collegium poetarum et
mathematicorum mit zwei „mathematischen“ und zwei „humanistischen“
Lehrstühlen. Einerseits erneuter Aufschwung von Mathematik, Astronomie,
Geographie – bis 1530. Andererseits die eigensinnige intellektuelle Tätigkeit
von Konrad Celtis: Gründung von „Sodalitäten“ in Deutschland und Mitteleuropa,
Schriften zur Topographie, Vorlesungstätigkeit zur Kosmographie, Andeutungen
einer philosophischen Programmatik, die von einer philosophia perennis et
oecumenica ausgeht. Umfangreiche Dichtungstätigkeit, mit der er sein Leben
beschreibt, begleitet und überhöht und in der er vielleicht seinem
enzyklopädisches Philosophieren Form verleiht.
Vorläufig läßt sich
festhalten, daß die Universität Wien von 1420 bis 1530 eine Blütezeit erlebte –
allerdings ohne daß das Fach Philosophie im heutigen Sinne hervorgetreten wäre.
Danach wurde die Universität unter die Kuratel der Jesuiten gestellt – bis
1750. Seit dem frühen 19. Jahrhundert hoher Standard der Medizinischen
Fakultät. Ab 1850 ziehen die übrigen Fakultäten nach und führen eine
Wissenschaftskultur herbei, wie es sie in anderen Ländern schon früher gegeben
hat. Und die schließlich auch mit großer Verspätung das Auftauchen von
Philosophie möglich machen sollte.
Walter Seitter
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