Der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch
ist zwar nicht direkt beweisbar, wohl aber indirekt, nämlich „elenktisch“: dem
das Gegenteil behauptenden Gesprächspartner wird gezeigt, daß er sich selber
widerspricht. Das Beweisverfahren ist also insofern tautologisch, als die
gegnerische These vom nicht-ausgeschlossenen Widerspruch als Selbstwiderspruch
„vorgeführt“ und disqualifiziert wird. Es wird dem Gegenredner gezeigt, daß
seine Gegenrede darauf hinausläuft, „überhaupt nichts zu sagen“ – obwohl er ja
redet. Und da greift der Physiker (Naturphilosoph) Aristoteles zu einem
drastischen Vergleich, indem er den Gegenredner mit Wesen gleichsetzt, die
schon deswegen nichts sagen, weil sie überhaupt nicht reden: das sind die
Pflanzen. Er hätte ihn auch mit einem solchen Tier gleichsetzen können, das
offensichtlich – ich meine offenhörlich – redet: dem aber die logos-Beiziehung
fehlt, welche das Reden zu einem Sagen macht.[1]
Mit seinem Sprung zwei Stufen
unter das menschliche Niveau behauptet Aristoteles implizit, daß die Pflanzen
überhaupt nicht reden oder (akustisch) signalisieren.
Er spricht ja den Pflanzen
eine Seele zu, die aber nur die „Ernährung“ zustandebringt: Verwandlung von
vorhandenen Stoffen in die Pflanze selber, somit auch deren Wachstum und Fortpflanzung.
Abgesprochen werden den Pflanzen: Bewegung, Wahrnehmung, Strebung. Diese
Leistungen wären demnach die Voraussetzungen für das tierische „Reden“
(Brüllen, Singen usw.) wie auch für das menschliche Reden, Sagen, Sprechen.
Stimmt es, daß man den
Pflanzen die genannten Fähigkeiten absprechen muß? Neuere Forschungen verneinen
das jedenfalls im Hinblick auf die Wahrnehmung. Fest steht, daß die Pflanzen
die Stoffe aus ihrer Umwelt (Sonnenlicht, Erde, Wasser) selektiv und
„zweckrational“ zum Zweck ihrer Selbsterhaltung und –vermehrung aufnehmen und
verarbeiten – sodaß auch eine Art Strebung unterstellt werden muß (die im
aristotelischen Begriff der entelecheia bereits impliziert ist). So
etwas wie Reden wäre allerdings ein aktives Sich-Zeigen, das situativ geleistet
wird. Arteigene Präsentierungsleistungen, wie visuelle Auffälligkeiten
(Blütenfarben, Fruchtfarben), gehen in diese Richtung.
Am Mittwoch hielt Prof. Eugen
Dönt einen Vortrag mit dem Titel
„Der wahre Grund für Platons
Rede vom ‚Streit zwischen Philosophie und Dichtkunst’ und die beiden Formen des
Wissens der Dichter“. Er stellte einen Platon vor, der ein dichterfreundlicher
und selber dichterischer Philosoph ist. Hat er damit Platon richtig
charakterisiert? Und wie stellt sich demgegenüber Aristoteles dar?
Da nunmehr nach langer
Verzögerung auch der Band 2 von Poetik lesen erschienen ist, sollen wir
versuchen, für Mitte Juni eine Buchpräsentation zustandezubringen.
Walter Seitter
--
Sitzung vom 2. April 2014
[1] Als eine weitere
Stufe des Redens könnte man mit Lacan das Sprechen anführen, das nicht nur
signalisiert (wie die tierischen Verlautbarungen), auch nicht nur signifiziert
(wie die meisten menschlichen Aussagen), sondern evoziert (wie gelegentliche
Sprechakte).
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