Wolfgang Koch macht darauf aufmerksam, dass der oben verwendete Begriff
des Synonyms unscharf gefasst ist und dass da eigentlich Differenzierungen
nötig wären.
Hier geht es allerdings darum, dass Aristoteles in seiner Sprachverwendung
faktische Synonyme einsetzt, welche auf den Primärbegriff ousia Lichter
werfen.
Bleiben wir bei 1035b 14ff. und greifen die beiden Synonyme eidos und to
ti en einai heraus, so können wir feststellen, dass das to ti
en einai, obwohl eine sehr künstliche aristotelische Wortbildung, der ousia semantisch näher
steht als eidos, welches noch dazu auch andere Bedeutungen
hat. So würden sich alle Synonyme nach dem Grad ihrer synonymischen Nähe
bestimmen lassen.
Sehr deutlich hat Aristoteles klargestellt, dass das Allgemeine kein
Synonym zu ousia ist.
In Abschnitt 14 geht es Aristoteles darum, die platonische idea von
seinem eigenen Wesensbegriff abzugrenzen. Dabei schleicht sich ein möglicher
Verwirrungspunkt ein, sofern idea und eidos von
Haus aus als sehr nahe Synonyme erscheinen und wenn sie beide platonisch
gemeint sind, sind sie eben „platonische“ Synonyme.
Zu solchen werden sie, wenn sie als Begriffe mit selbständiger Existenz
ausgestattet werden. Etwa der Begriff „Mensch“, der dann auch dem
Gattungsbegriff „Lebewesen“ selbständige Existenz verschafft und ebenso auch
zusätzlichen Bestimmungen wie „zweifüßig“, „vielfüßig“ und „befußt“. Die
platonische These führe bei unterschiedlichen Annahmen über Einheit oder
Verschiedenheit des „Lebewesens“ (also der Gattung) zu einer
endlosen Vermehrung selbständiger Begriffsexistenzen, sogar zum
Zerfall von Begriffsidentitäten und wiederum zur Häufung verschiedener
Begriffsverbindungen – mit einem Wort zu eienr Reihe von
Selbstwidersprüchlichkeiten.
Aristoteles’ Schlussfolgerung: es gibt keine derart selbständig
existierenden „Formen“ der Sinnesdinge. Die Physik hat er als zweifache
Tätigkeit bestimmt: die sinnlichen Wesen betrachten und definieren. Das heißt:
die Sinnesdinge haben Wesen – aber immanente.
Jedem Ding wohnt seine Wesenheit inne. Diese Immanenz des jeweiligen
Wesens setzt Aristoteles der platonischen Wesenstranszendenz entgegen, für die
die „Ideenlehre“ steht. Danach ist jedes irdische Ding von einer Wesenheit
abhängig, ist auf so eine Wesenheit durch Teilhabe oder Nachbildung bezogen –
und zwar eine Wesenheit, die „extra“ existiert, anders existiert als das
irdische Ding.
Nach Aristoteles existieren die irdischen Dinge – ob Lebewesen oder
Kunstwerke, wenn sie einmal entstanden sind, relativ selbständig und unabhängig
von ihren Wirkursachen (Urhebern). Wesensimmanenz.
Diese Unabhängigkeit schließt nicht aus, dass die Dinge über bestimmte
Akzidenzien wie Relation, Erzeugen oder Erleiden, Haben mit anderen Dingen
zusammenhängen, miteinander größere Einheiten, etwa Haus oder Stadt, bilden.
Übrigens fallen die oft genannten „Lebewesen“ als Einzelwesen auch unter
den Begriff „Sinnesdinge“: alle Pflanzen und Tiere sind sichtbar, hörbar und so
weiter (wenn auch nicht immer für alle).
Walter Seitter
Sitzung vom 27. Juni 2018
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen