Mit
Bezug auf 1042a 13, wo Aristoteles das Was-war-sein und das Substrat als
„andere Wesen“ bezeichnet hat, erklärt Wolfgang Koch, nur diese beiden Begriffe
seien Äquivalente für „Wesen“.
Es gibt indessen bei Aristoteles auch andere mehr oder weniger
explizite Äußerungen über Synonyme für „Wesen“ und sehr viele implizite – so
viele, dass die Zahl solcher Synonyme über zehn hinausgeht (und keineswegs
fixiert werden kann). In dem Band Nach dem Animismus (Berlin
2016) habe ich das Thema bereits angeschlagen.
Nun
stellen wir fest, dass der aristotelische Sprachgebrauch keineswegs so
homogen ist, dass er zu einer Sache immer nur dasselbe sagt. Seine
Sprachperformanz ist immanent-divers, manchmal sogar immanent-kontrovers – und
es liegt bei den Lesern, diese Sachlage zu beurteilen. Ich neige dazu, voneinander
abweichende Äußerungen so zusammenzusehen, dass ich Aristoteles
unterstelle, unterschiedliche Nuancen einer Sache ausdrücken zu wollen. Die
vielen Synonyme für „Wesen“ halte ich folglich für unterschiedliche
Nuancierungen dieses Begriffs, der ein aristotelischer Hauptbegriff ist (aber
nicht mit allen wichtigen Begriffen der Ontologie auf einer Ebene liegt).
In
unserem Abschnitt bilden Stoff und Form und deren Zusammensetzung die Versionen
des Wesens und die konkreten Beispiele, die Aristoteles liefert, sind leicht
nachzuvollziehen. So etwa das Haus, von dem ja die Schwelle ein Teilkörper ist.
Die
Beispiele Windstille und Meeresruhe werden als poetisch empfunden; auch
diese Naturphänomene sind für Aristoteles aus Stoff und Form zusammengesetzt.
Für Form steht auch Gestalt, Verwirklichung und Wesen. Also vier Synonyme in
der einen Richtung. In der anderen Richtung ist Stoff ein Synonym für Wesen.
Insofern
Ruhe für uns Bewegungslosigkeit bedeutet, äußert Bernd Schmeikal einen physikalischen
Einwand. Ruhe gebe es gar nicht. In der Mikrophysik bestehe Materie
aus immerzu sich bewegenden Teilchen und wenn wir die Makrophysik ins Weltall
erweitern, ist auch dort alles in Bewegung. Die Wahrnehmungsleistungen unserer
mesophysikalischen Position vermitteln uns den Eindruck von Ruhezuständen –
handelt es sich um Illusionen? Die Drehung der Erde um die Sonne nehmen wir
direkt gar nicht wahr. Was wir als Drehung der Sonne um die Erde erleben,
beruht auf der Selbstdrehung der Erde, die uns ständig mit hoher Geschwindigkeit
gen Osten schleudert wovon wir gar nichts bemerken.[1]
Unsere
mesophysikalische Position liefert uns in einem Gemisch aus Wahrnehmungen und
Verschleierungen sowohl Bewegungs- wie auch Ruheeindrücke. Wie sollte man
ausschließen, dass es Bewegung und Ruhe auch in den anderen Positionen
gibt?
Walter
Seitter
Seminarsitzung
vom 28. November 2018
Nächste
Sitzung am 5. Dezember 2018
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