τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Dienstag, 15. Januar 2019

In der Metaphysik lesen (Buch VIII (H))


Vom Offenbarungscharakter der aristotelischen Ontologie

Enthüllung benötigt keinen Enthüller. Nach Schellings »Philosophie der Offenbarung« (1841/42) bedarf die Minimalhandlung lediglich eines absoluten, zukunftsgerichteten Geistes, also basaler teleologischer Strukturen, die eben das Hauptkennzeichen der dogmatischen Ontologie der Antike sind. Spaemann (1978) spricht im Zusammenhang mit der aristotelischen Naturteleologie von einem »Offenbarungsoptimismus«.
Nach Meta. VIII.3b besteht die Ousia eines Dinges aus der »Entelechie und der bestimmten Natur«. Seitter hat auf die Bedeutung der Formel ausdrücklich hingewiesen. Die Natur ist von sich aus hingeordnet auf ihre Vollendung und damit auf eine Transzendierung im Geist. Ihr Wollen ist Selbsterhalt als die unterste Form des Strebens alles Endlichen nach Teilhabe am Ewigen.
Die modernen Naturwissenschaften bestritten die behauptete Existenz von Finalursachen, um ihr Interesse an uneingeschränkter Naturbeherrschung durchzusetzen. Bacon nannte die aristotelische Entelechie »unfruchtbar wie eine gottgeweihte Jungfrau« (zit. n. Leibniz).
Nimmt man die spektakulären Beispiele für Ousia aus Met. VIII.2, leuchtet die Unfruchtbarkeit des naturteleologischen Denkens sofort ein. Die Ousia der Windstille ist Ruhe, ihre materielle Basis Luft. Doch Luft strebt nach keinem Zustand der Vollendung, ihre Zusammensetzung aus verschiedenen Gasen endet in keinem Versprechen, keiner Erlösung. Windstille ist ein Zeitphänomen instabiler chemischer Übergänge ohne irgendeine Finalursache.
Zweites Beispiel: Wenn die Ousia der Meeresruhe Ebenheit ist, müsste die »bestimmte Natur« des Meeres, also das Wasser, nach ultimativer Glätte streben. Das fluide Element zeichnet sich aber bekanntlich durch Beweglichkeit und nicht durch Starre aus. Es gibt kein Starres und Identisches, sondern ein zeitliches Verfließen, in dem zwar das Verfließen selbst bleibt, alles andere aber strömt.

W.K., 1-19

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