τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Freitag, 24. Mai 2013

Ad Konrad Celtis | Metaphysik (998b 5 – 999b 23)

Konrad Celtis: lesen, reisen, verhandeln, programmieren, gründen, sehen – und all dies in lateinischen Versen fortlaufend formulieren, beschreibend und vorschreibend. Ein lebenslängliches und lebensbildendes Schreiben im staccato der Versdichtung, in den emblematischen Inschriften der Holzschnitt-Bilder. Ein fortlaufendes Auto(bio)graphieren, welches die Form der Traktat-Philosophie verschmäht und daher den Anschein erzeugt, Philosophie überhaupt zu verweigern. Oder aber man sieht in dieser écriture de soi eine andere Form des Philosophierens, eine zusammengestückelte oder bastlerische, eine eher performative oder indirekte (wie sie bei den italienischen Humanisten schon versucht worden ist und bei Montaigne bald eine Prosa-Form finden sollte). Hat Celtis die bereits vorliegende Philosophie eher geographisch bzw. nach Nationen geordnet, so performiert sich sein neuartiges Philosophieren damit, daß es seine Vorschläge und Aussagen „peregrinativ“ transportiert und adressiert: an alle vier Grenzlinien Deuschlands – damit aus Deutschland eine forschende und schreibende, eine erkenntnisfreudige Nation werde. Seinen emotionalen Erkenntnisantrieb oder sagen wir sein Paradigma der Erkenntnismotivation (Erkenntnispolitik) liegt weniger in der Religion sondern in der Erotik, in der Beflügelung durch mehr als eine Liebe. Amores - die poetisch überhöht und publiziert werden. Wer sein „Collegium“ absolviert hat, sollte nicht ein Zeugnis mit Noten bekommen sondern den Lorbeerkranz des Dichters: poeta doctus. Eine erot(izist)ische, hedon(ist)ische, ästhet(izist)ische Erkenntnispolitik?


In der Metaphysik lesen (998b 5 – 999b 23)

Sind die Prinzipien der Dinge eher bei den – physischen – Bestandteilen aufzusuchen oder bei den – logischen – Gattungen? Das war die Frage, die Aristoteles mit dem Kapitel 3 aufgeworfen hatte. Er argumentiert einmal in die Richtung, einmal in die andere. Im großen und ganzen hält er daran fest, daß nur eine der beiden Möglichkeiten in Frage kommt. Denn der „Begriff der Wesenheit“ sei nur einer. Allerdings führt er mit „Wesenheit“ noch einmal einen anderen Begriff ein und unterstellt gleichzeitig, daß Prinzip und Wesenheit wenn schon nicht identisch sind so doch auf einer Linie liegen. Er sagt aber nicht, ob der Begriff der Wesenheit aufseiten der Gattung oder des Bestandteils angesiedelt ist. Abgesehen davon, daß er mit der Einzigkeit der Wesenheit die von mir aufgefundenen ca. neun Synonyme für „Formalursache“ zu strikt univoken Synonymen erklärt (herabsetzt).

Aristoteles stellt sich dann auf die Seite der Hypothese von den Gattungen als Prinzipien, schließt aber gleich die Frage an, ob das für die ersten Gattungen oder für die zuletzt von den Individuen ausgesagten Gattungen zutreffe. Mir scheint der hier eingesetzte und im Plural gebrauchte Begriff atomon für „Individuum“ wichtig zu sein, weil er unserem heutigen üblichen Sprachgebrauch nahesteht und weder in der Übersetzung von Schwarz (sehr wohl aber in der englischen von Tredennick) noch im Aristoteles-Lexikon von Höffe klar hervortritt. Welche aber sind die „ersten“ und die „letzten“ Gattungen? Aristoteles spricht daraufhin von den höchsten und allgemeinsten Gattungen – das sind wohl die „ersten“. Und da bieten sich zwei solcher Gattungen an: das Seiende und das Eine. Die beiden haben jedoch keinen Gattungsunterschied gegeneinander – sie sind gleich allgemein. Also sind sie nicht die Gattungen, die als Prinzipien in Frage kommen.

Wenn das Eine in höherem Maße „prinzipartig“ (eine Adjektivbildung, die zeigt, wie Aristoteles mit den Wörtersorten umgeht) ist, dann dürfte die letzte Gattung eher in Frage kommen.

Zudem scheinen die – spezifischen – Unterschiede in höherem Maße „eine“ zu sein und in noch höherem Maße die Unzerlegbaren und die Individuen und über dem Besser und Schlechter gibt es keine höhere Gattung, vielmehr ist das Bessere jeweils das Frühere also das Prinzipartigere. Die ersten Gattungen könnten nur dann Prinzipien sein, wenn sie außerhalb der Individuen existierten.

Walter Seitter



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