τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

* * *

Montag, 29. November 2021

In der Metaphysik lesen * Hermann – Lektüre 3 (50vA -59vF)

24. November 2021

 

 

Unsere Lesung von Hermann begann mit der Darstellung der Trinität im Christentum, so wie sie nicht von den Moslems verstanden oder angenommen wird. Dabei kam es es zu einer Ausführung von Walter Seitter zur griechischen Formel von den Hypostasen Gottes zur Bestimmung der Dreieinigkeit Gottes und der Übersetzung des griechischen Wesens ousia ins Lateinische mit den zwei Möglichkeiten Essenz und Substanz. 

 

Während sich Hypostasis mit „Unter-Stand“ sehr wörtlich übersetzen lässt und damit recht genau ins Lateinische als Substantia übertragen worden ist, denn auch das lateinische „substo“ wird mit standhalten, feststehend im Wörterbuch geführt. Dabei hat sich aus der ursprünglichen Bedeutung für „stasis“ als Ruhe/Stehen in der politischen Bedeutung das Gegenteil entwickelt, nämlich die „Unruhe“ oder der „Aufruhr“. Ähnlich hat sich wahrscheinlich das lateinische Wort für Aufruhr „seditio“ aus dem ruhigen Sitzen wie sedens zu seinem Gegenteil entwickelt. Meine adhoc Erklärung dazu war, das das Wort „aufsässig“ den Anspruch auf den Sitz oder Thron durch die Untertanen, zumindest bei den Germanen, bedeutet haben mag. Das Wort Essenz hat dagegen das Wort Esse als seinen Hauptteil, und ist damit dem Wesen als Sein viel näher.

 

Walter wollte noch darauf hinweisen, das der englische Übersetzer in seiner Einleitung noch ausgiebig die Begriffe substantia, essentia, causa, usw. bespricht und seine Verwendung bei Hermann erläutert.

In dem Text von Hermann wird die Frage aufgegriffen, wieso nicht das Eine für sich besteht, sondern die Dinge aus Gegensätzen aufgebaut sind. Warum wurden die Dinge vom Schöpfer aus Gegensätzen zusammengesetzt. Weil nur das Zusammengesetzte von den Subjekten wahrgenommen werden kann, um eine kurze Fassung zu geben. Die Dinge sind durch Bewegung entstanden und davon postuliert Hermann drei verschiedene Arten.

 

Die Ortsbewegung, die er vorerst nicht weiter ausführt.

 

Die Bewegung als Veränderung, das ist Vermehrung oder Verringerung oder Vertauschung, bringt schon eine Differenz mit sich, nämlich ein Verhältnis von größer und kleiner und jede Veränderung dieses Unterschiedes bringt auch Aufruhr mit sich.

 

Die Bewegung der Verschiebung ist anders gedacht als man sich eine Bewegung vorstellt, nämlich wieder mehr von der Differenz zwischen dem Schöpfer und dem Geschaffenen selbst, die zwar an seinen Eigenschaften Anteil haben wie Weisheit, Güte und Glückseligkeit, aber es selbst nicht sind. 

 

Die Welt hat nicht nur die Differenz zu Gott, sondern ist selbst aus Verschiedenartigem zusammengesetzt und enthält die göttlichen Eigenschaften nur akzidentiell.

 

 

Karl Bruckschwaiger

 

 

Nächster Termin:

 

1. Dezember 2021: Aristoteles – Beginn 13. Buch

Sonntag, 21. November 2021

In der Metaphysik lesen (1075b 24 – 1076a 7)

17. November 2021

 

Zum Vorschlag von Rainer Marten, die Philosophie als Tätigkeit von der Wissenschaft auf die Kunst umzupolen, das heißt sie eher als eine Kunst - zusätzlich zu den anderen Künsten – denn als eine Wissenschaft (und sei es als die höchste der Wissenschaften) aufzufassen und zu praktizieren, ist Wolfgang Koch zufolge im wesentlichen von Heidegger, der Denken und Dichten zusammenrückt, inspiriert und sie bedeute kaum einen umwälzenden Bruch für die Philosophie. Denn es könne ohnehin jeder Philosophierende seinen Stil suchen und finden. In Martens Buch über den Tod sei keine signifikante Wendung zu einem eher der Kunst nahestehenden Modus des Philosophierens wahrzunehmen. Wolfgang Koch meint, Martens Vorschlag würde paradoxerweise letztlich darauf hinauslaufen, die Kunst der Philosophie unterzuordnen. 

 

Natürlich kann man in dieser Problematik auch an Nietzsche denken, der allerdings mit den Artisten eher niedrige und spielerische Könnerschaften auf den Schild gehoben hat. Marten bezieht aber auch „praktische“ (im Sinne von Aristoteles und Kant) Bedingungen und Elemente der Philosophie in seine Betrachtung ein: so den „Anti-Nihilismus“, der wie jeder Ismus eine Option bezeichnet, eine fundamental-ethische und -politische Option für das Erkennen von etwas, also eine „erkenntnispolitische“ Option. Man muß sie aber nicht mit dem Vokabular der Nietzsche-Aufgeregtheit benennen. Aristoteles-Leser sprechen seit Jahrtausenden mit neo-aristotelischen Begriffen, wie „Metaphysik“, „Ontologie“ – und hier könnte man das Wort „Ontophilie“ einsetzen und damit der zentralen Tugend der Freundschaft einen weiteren Horizont zuweisen: den Horizont der „onta“, die in der heute zu lesenden Passage gleich auftreten werden. 

 

Mir ist das Wort „Ontophilie“ zugefallen, aber ob ich als allererster oder gar einziger es hingeschrieben habe, dem mögen Historiker nachforschen (denn dazu sind sie da). Die Sache selbst ist natürlich auch von anderen längst gesehen und gesagt worden, etwa mit dem Ausdruck „Wissenschaftler-Ethos“ oder von Michel Foucault mit dem feststellenden Bekenntnis zu einem „glücklichen Positivismus“.  

 

Ganz anders und viel weitläufiger ist die Sache von Aristoteles thematisiert worden – und zwar in der Nikomachischen Ethik unter dem Stichwort „Dianoetische Tugenden“. Diese ergänzen die besser bekannten „Ethischen Tugenden“, indem sie die kognitiven Kräfte aktivieren helfen und darüber hinaus den Weg zur höchsten Lebensform, zur vita contemplativa, bereiten. Sie gehen also über die hier gemeinte ethische Bedingung des Wissens weit hinaus. 

 

Um das Wort „Ontophilie“ zu einem Begriff zu machen, könnte man es in unterschiedlichen Dimensionen differenzieren – etwa Auto- und Hetero- und Allophilie . . .

 

Tatsache ist, daß Aristoteles im letzten Abschnitt von Buch XII (1075b 8 – 19) die Aussagen bzw. das Aussagen anderer Philosophen innerhalb weniger Zeilen fünfmal als „poiein“ also „machen“ bezeichnet, womit er selber mit größter Deutlichkeit die Korrektur vollzieht, die ich seit längerem für angemessen halte, nämlich das Theoretische dem Poietischen anzunähern.

Sodann formuliert Aristoteles in dichter Reihenfolge mindestens sieben nach seiner Ansicht in die Irre gehende kosmologische, mathematische, ontologische Ansichten, die von „allen Theologen und Physikern“ vertreten werden und die sich daraus ergeben, daß jene die richtige Lehre, die von dem einen und einzigen Prinzip, das oben als  „Gott“ bezeichnet worden ist, wohlgemerkt einem einzigen Prinzip auf der Ebene der Erstheit (welche einer Vielzahl von Ebenen mit vielen Prinzipien und Ursachen zugrundeliegt). So eine pauschale Kritik, beinahe Feinderklärung vonseiten Aristoteles‘ darf uns natürlich wundern und ich vermute, sie hat mit der erwähnten „praktischen“ Dimension der Philosophie zu tun. 

Wir berühren diese Dimension, indem wir anscheinend bloß eine Übersetzungsfrage erörtern, ob nämlich, wie Wolfgang Koch meint, das Erste Prinzip, das Aristoteles nach langem Ontologisieren im Buch XII endlich zu finden behauptet und begrifflich ziemlich reichlich charakterisiert, im Deutschen am besten mit dem Wort „das Absolute“ wiederzugeben ist - wie das Adolf Lasson (1832- 1917) in seiner Übersetzung der Metaphysik getan hat. Ich halte dieses Wort für eine schlechte Lösung der Übersetzungsfrage, weil es die etwas chaotische Vielbegrifflichkeit, mit der Aristoteles jenes Prinzip, obwohl es strikt nur eines sein soll, umkleidet und verunklärt, mit einem Schlag aufzuheben beansprucht. Das Wort mag die Sache „auf den Punkt“ bringen – und genau damit deckt es sie - jetzt sage auch ich - mit „absoluter“ Leere zu. Wolfgang Koch hat das schwache semantische Profil dieses Wortes erfaßt, wenn er sagt, es suggeriere eine Koinzidenz von Seiendem und Nichts und erfülle damit das aristotelische Postulat eines „Letzten“, dem kein Gegenteil gegenübersteht. Tatsächlich steht dem Ersten Prinzip, Unbewegten Bewegenden, Höchsten Gut usw. kein gleichrangiges Gegenteil gegenüber, auf seiner Ebene steht ihm nichts gegenüber, aber nicht das sogenannte Nichts, und noch dazu so ein raffiniertes, daß es mit dem Seienden irgendwie - man weiß nicht wie – eins ist, sondern nur nichts. Ob die sogenannte Unentscheidbarkeit zwischen Seiendem und Nichts mit Berufung auf Hegel oder auf Asien begründet werden kann, das ist egal (es würde nur zeigen, daß bestimmte Behauptungen überall auftreten können, und sie treten nur auf, wenn sie gemacht werden). 

 

Der Schlußsatz ist ein Doppelsatz:

 

Die Dinge aber wollen nicht schlecht beherrscht werden. 

„Vielherrschaft ist nicht gut; einer sei Herrscher.“

Schon die erste Hälfte des ersten Satzes läßt das Herz eines Aristoteles-Lesenden höher schlagen, aber nur wenn es das Herz (nach Aristoteles der somatische Grund hinter den Wahrnehmungsorganen) eines Sehend-Lesenden ist (was wohl voraussetzt, daß es das Sehen hier und jetzt gibt und nicht bloß in einem „Paradies“, das weit zurückliegt oder vielleicht bevorsteht). 

 

„Die Dinge aber wollen nicht ..“

Mein Grazer Übersetzer macht nicht den Fehler der vorliegenden deutschen Übersetzungen, daß er den Plural „die Dinge“ durch irgendeinen Singular ersetzt. Meine langjährige Übersetzer-Tätigkeit hat mich gelehrt, daß ein Erbfehler der deutschen Sprache die Singularitis ist. Ein Singular, der nicht schlecht beherrscht werden will? So etwas kann es nur in Berlin geben. Auch das Absolute, das deutsche Absolute, ist eine Berliner Erfindung. Es sind Dinge, alle möglichen Dinge, in diesem Fall wohl die Leute, die wollen das nicht. Beinahe ein Anflug von Animismus steckt in diesem Satz. Eine Vielheit von Wollenden bzw. von Nicht-Wollenden. Was wollen sie nicht? Schlecht regiert werden? Da hat auch mein Übersetzer die aristotelische Wortwahl, die aristotelische Begriffspolitik (eine Unterabteilung der Erkenntnispolitik) zu wenig beachtet. Denn Aristoteles wählt den Begriff der postaristokratischen Politik, nämlich der staatsbürgerlichen. Staatsbürgerliche Vereinbarung, Regelung, Ordnung. Die kann bekanntlich auch oder zumeist einen verantwortlichen Entscheidungsträger brauchen und herbeirufen.

 

Und dann das Homer-Zitat, das hier als erste, nämlich früheste Autorität angeführt wird. Früheste Autorisisierung aus aristokratischen Zeiten, die eine vorpolitische Bezeichnung für Herrscher einsetzt, die Franz F. Schwarz ebenfalls nicht genau getroffen hat. Denn sie leitet sich von „kyr(i)os“ ab – also von Kraft, Macht, Ansehen. [1]

 

Ich entnehme mein Übersetzungswissen dem aus dem Jahr 1855 und aus Innsbruck stammenden Schulwörterbuch, mit dem auch Peter Handke arbeitet. Der ist zwar Dichter, aber wenn er übersetzt und nicht nur dann, ist er auf Wissenschaft angewiesen. Und Wissenschaft  gibt es nur, wenn sie nicht von einem sogenannten Absoluten überherrscht, überblendet, geblendet wird.

Wolfgang Koch versucht, nachzuweisen, daß „das Absolute“ nicht erst im frühen 19. Jahrhundert von einigen Absolventen des Tübinger Stifts als philosophischer Terminus für ein Erstes Prinzip kreiert worden ist, sondern daß es auf eine lange und ehrwürdige Tradition zurückgehe. Etwa bei Spinoza. Bei Spinoza, der übrigebns für das, was ich „Ontophilie“ nenne, den „amor fati“ empfohlen hat, ist das erste Prinzip gerade nichts Abgetrenntes, sondern ganz im Gegenteil nennt er es „Deus sive natura“. Doch die christliche Theologie, die Rolle des Papstes und das Regierungsverständnis des Absolutismus waren starke Schubkräfte, die dann sogar in der Philosophie, die von Haus aus eher nicht auf einer absolutistischen Linie liegt, „dem Absoluten“ zu einigen Durchbrüchen verholfen haben – aber nur bei einigen „größten“ Philosophen und keineswegs bei vielen gewöhnlichen Philosophen wie Bernard Bolzano, John Stuart Mill, Robert Zimmermann, Franz Brentano, Edmund Husserl, Helmuth Plessner, Nicolai Hartmann.  

 

Und Aristoteles? Gewiß gibt es bei ihm den Begriff, der als direkter Vorläufer von „absolut“ gelten kann: „abgetrennt“. Auch das „unbewegte Bewegende“ ist ein abgetrenntes Wesen – so wie jedwedes Wesen, wie zum Beispiel ich und du und so weiter. 

 

Was es bei Aristoteles nicht gibt, ist „das Abgetrennte“. Und dies, obwohl auch Aristoteles dem Begriffstrick folgt, der die Philosophie mitkonstituiert hat: die Substantivierung des dritten Geschlechts. Da man auch in der Philosophie genießen darf und sogar soll, sollte man sich diese Sexualakrobatik auf der Zunge zergehen lassen (Gott sei Dank darf man das auch in Zeiten wie diesen): Substantivierung des dritten Geschlechts. Parmenides, Platon haben das vorgemacht, wie man statt „der Schönen“ und „dem Stärksten“ nun den Leuten „das Schöne“ und „das Gute“ vorredet und damit „Philosophie“ macht. Aber so eine vielleicht notwendige formalistische Distinktionsbezeichnung wie „abgetrennt“ zu etwas philosophisch Grandiosem aufblasen – das hat man erst im 19. Jahrhundert mit dem lateinischen Wort gemacht.

Wobei ich nicht verschweigen will, daß Aristoteles, indem er „das Seiend(e)“ zum Grundwort der Ontologie gemacht hat, auch der genannten Sexualakrobatik ziemlich freien Lauf gelassen hat. Aber das Seiende als solches ist bei ihm nichts Überragendes, kein Prinzip, keine Ursache oder so. Da ich kein Aristoteliker bin sondern nur ein Aristoteles-Leser (und auch das erst seit dem Jahr 2007), muß ich dieses „Seiende“ überhaupt nicht großartig oder dergleichen finden, ich nehme es zur Kenntnis und versuche zu verstehen, wieso Aristoteles so ein Wort (das allerdings im Griechischen stärker beheimatet ist als im Deutschen) dermaßen – auswalzt ist nicht das richtige Wort, aber als unverzichtbare Münze immer wieder neu prägt und in Umlauf hält.

Immerhin: „das Abgetrennte“ gibt es bei Aristoteles nicht. Davor bewahrt ihn – wie Spinoza vor „dem Absoluten“ – sein Geschmack in Sachen Begriffsästhetik. 

 

 

Walter Seitter




[1] Der amerikanische Übersetzer Joe Sachs macht zu dem Homer-Zitat die Anmerkung: „Odysseus macht aus dem Haufen der achäischen Krieger ein geordnetes Heer. Ähnlich der göttliche Intellekt, der nicht der Schöpfer der Dinge oder der Welt ist, sondern sie in ihre Dinglichkeit oder Welthaftigkeit bringt.“ (252)

Dienstag, 16. November 2021

In der Metaphysik lesen * Hermann – Lektüre 2

 10. November 2021

 

 

In dieser Sitzung habe ich den Beginn meiner Übersetzung von Hermann de Carinthias Werk „De Essentia“ vorgelesen. Ich verwende dafür den lateinischen Text, der in der kritischen Edition von Charles Burnett 1982 bei E.J.Brill veröffentlicht wurde, mit manchen Blick auf seine englische Übersetzung.

 

Das Vorwort ist ein mit nahezu humanistischem Bildungsgut und mit Anspielungen auf antike Göttinnen angefüllter Briefwechsel zwischen Hermann und seinem engen Vertrauten und Übersetzerfreund Robert Ketton. Darin wird ein Traum erzählt wobei die Göttin Minerva Hermann am Kopf berührt und ihn auffordert die vier symbolischen Gegenstände des Quadriviums zu ergreifen, das Rechenbrett für die Mathematik, den Stab für die Geometrie, die Waage für die Musik und die Lampe für die Astronomie. Hermann folgt einer Aufforderung aus einem Traum.

 

Das erste Buch beginnt mit dem Wort „Esse“ - Sein, dieses Sein ist nach Hermann zuerst den einfachen Wesen und der unbewegten Natur vorbehalten. Diese Wesen werden daraufhin in fünf Gattungen erfasst, die da sind Ursache, Bewegung, Ort, Zeit und Habitudo, was ich vorläufig mit Verhaltensweise oder Gestalt/Erscheinungsform übersetzt habe. Außer der Ursache haben die Wesen nichts mit dem Wesen ousia bei Aristoteles zu tun. Sie entsprechen nur zum Teil den Kategorien (Substanz, Quantität, Qualität, Relation, Ort, Zeit, Zustand, Haben, Tun Erleiden). Walter Seitter schlägt als Übersetzung und Entsprechung von Habitudo die Kategorie der Qualität vor, was auch mir nicht abwegig erscheint. Die meisten der Wesen wären bei Aristoteles Akzidentien, wie Bewegung, Ort, Zeit und wenn die Zuordnung stimmt, die Qualität als Habitudo.

Gleich darauf nimmt Hermann drei Prinzipien des Gezeugten an, die Wirkursache, die Formursache und die Materialursache. Die aristotelische Zweckursache fehlt hier.

Damit kommt Hermann auf die Annahme einer ersten Ursache zu sprechen, die unbewegt, selbst die Ursache aller Bewegung sein soll, die keine zwei Prinzipien annehmen kann, da der vorrangige Platz besetzt sein muss. So kommt es zu einer weiteren Aufteilung der Ursachen in eine wirkende und eine erzeugende Ursache, die selbst wiederum in eine erste und zweite Ursache aufgespalten sind.

Diese erste Ursache gilt es zu finden und festzuhalten, durch den intellektuellen Trick der Reduktion von allem Wahrnehmbaren und Vorstellbaren. Mit der Einführung der Offenbarung sind wir in der Theologie gelandet, und es kommt zu einem kurzen Ausritt gegen den Koran, den Hermann gemeinsam mit Robert Ketton für den Abt von Cluny übersetzt hat. Es geht um die von den Moslems nicht verstandene Dreieinigkeit des christlichen Bekenntnisses, und Hermann zitiert sogar aus dem Koran, aus der vierten Sure.

Es folgt eine Darstellung der Voraussagekraft der Astrologie, die Hermann aus dem Werk von Abu Ma´shar entnimmt, dessen Introductiorum ad astronomiam Hermann mit Johannis Hispalensis übersetzt hatte. Hieraus zitiert Hermann eine Stelle wo von einem im ersten Dekan der Jungfrau erscheinenden Mädchen die Rede ist, wodurch die Magi die Geburt Christi voraussehen konnten. Aus der vorausgesagten Jungfrauengeburt leitet Hermann die Voraussicht der Astrologen ab, die weit vor der Zeit Christi in der Zeit von Alexander dem Großen diese Zeilen niederschrieben.

Abu Ma´shars Werk erschien aber in Bagdad im Jahre 848 nach Chr.

 

Karl Bruckschwaiger

 

 

Nächste Sitzung 17. November 2021 – Aristoteles lesen

übernächste Sitzung 24. November 2021 – wieder Hermann lesen