τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

* * *

Donnerstag, 25. August 2022

Sommer-Dichter-Lektüre: Serres – Lukrez IV

 24. August 2022

 

Michel Serres läßt sich vom römischen Dichter-Philosophen dazu verführen, nein dazu inspirieren, sogenannte persönliche Erfahrungen als „Fälle“ zu betrachten, die sich unter jahrhundertealte theoretische Formulierungen subsumieren lassen, und damit beide Ebenen überhaupt verständlich machen: seine Erfahrungen durch die Theorien und die Theorien durch Erfahrungen. Und er führt auch den Begriff der „Ataraxie“ an, der Unerschütterlichkeit des Gemüts, welche für die Ethik der Epikureer maßgeblich gewesen ist.

 

„Ein Vergnügen, die Ataraxie wieder zu entdecken. Selber bin ich Abstand, meine Seele, mein ganzer offener Körper neigt dazu, abzudriften. Unwiderruflich gleitet er den Hang hinunter. Wer bin ich? Ein Wirbel. Eine Streuung, eine Zersetzung. Ja, ich bin eine Singularität.

Das Meer, schwer und eben, nimmt den Wind und die Neigung seines Drängens an. Bett des Windes. Die hohle Schlagwelle wird aufgetürmt und sie breitet sich aus. Hoher Seegang, steile See. Die beiden Kräfte, die passive Schwere des Meeres und der Winkel der Brise . . . .

Ich wälze meinen flüssigen Körper auf demselben Sisyphos-Hang wie das Meer, das aufgewühlte. Schiff in der Abdrift, unter dem Ruderwinkel, das bin ich. Bald werden da und dort vereinzelte Bretter sichtbar werden, Atome wieder zu Atomen geworden. Wie soll man ohne einen Ruderwinkel steuern können? Ich bin auf dem Schiff, das heißt, das Ruderblatt muß einen Winkel haben und der bedingt meine Existenz, meine Geburt und meine Zeit. Die Neigung dieses Blitzes steuert mich, wie sie die Universum steuert. Wenn etwas existiert, so existiert es nur wie ein Stein, der den Hang eines Hügels hinunterrollt (sagt Spinoza), wie ein Schiff, das in einem Windbett dahin getrieben wird. Und ohne jenen Ruderwinkel geht nichts. Die Dinge existieren – eher. Alles ist Taraxie, alles ist Trubel.. . .

Doch Meister Epikur, der vielgesichtige, sagt das Physik-Gesetz, das der Natur, der meinigen. Unumkehrbar kommt die Turbulenz und löst sich auf, wie durch Zufall. Sie läuft auf der geneigten Ebene dahin, formt sich da und dort um, auf dem Abhang. Spiralische Figur der laminaren Strömung. Meteorischer Zyklon im Raum des Himmels. Unregelmäßige Bewegung auf der stabilen Chreode.[1]

 

Raue See auf sanftem Meeresgrund. Die Ataraxie ist die materielle Basis des Seins, der ständige Aufruhr, von dem sich die fliegenden Wörter, die Geburten und der Tod absetzen. Epikur und Lukrez haben, lange vor Spinoza, Sisyphos aus der Unterwelt befreit. Indem sie ihn der Natur zurückgegeben haben, haben sie ihn als glücklich imaginiert. Ich akzeptiere es, mich im brennenden Plasma der Materie aufzulösen. Und der Rest ist Agitation. Das ewige Schweigen jener unendlichen Räume beruhigt mich.

 

Archimedes: Lemma des Salinon.

 

 

Ein stabiler Ring, der den Trubel einfaßt. Lokale Figur der Ataraxie. Der gezeichnete Kreis stellt die Wasser nicht still, sondern er transformiert ihre Instabilität zu einem Gesetz. Sanftes Theorem. Die Ataraxie verallgemeinert das Salinon: sie zieht ihre Höhlung auf der Höhe des Kliffs durch.

 

Die Moral, das ist die Physik. Die genaue Kenntnis der natürlichen Dinge. Daher ist es nicht ganz unerwartet, daß mitten in der Abhandlung über die Atome ein Traktat über die Seele dazwischen kommt. Deren Reduzierung aufs Objektive ist ein Kernstück des Systems. Die Seele ist sterblich, ebenso wie dieses oder jenes Ding, wie diese oder jene Welt. Allerdings: sie erkennt – das ist der Punkt. Und diese Ausnahmestellung muß reduziert werden. Daher das Buch über die Wahrnehmung und über die Simulakren. Typen, Repliken, die den Festkörpern nachgebildet sind – Schalen, Schuppen, Hülsen, Häutchen, Ultrastrukturen. Die Theorie des Erkennens ist mit der Theorie des Seins isomorph. Das ist aufzuzeigen.

 

Zunächst aber ist es natürlich, Venus zu huldigen. Der Text über die Wahrnehmung vollendet sich mit der Empfängnis im genetischen, generischen, genesischen Sinn. Genese des Wissens und Genesis der Körper. Anders gesagt: wie lieben? Wie lieben, damit die Befruchtung optimal sei?

 

Wie bei den Vierfüßlern: die Keime des Samenflusses gelangen auf diese Weise und mühelos zu ihrem Ziel – dank der Senkung der Brüste und der Erhebung der Lenden. Wiederum der richtige Neigungswinkel, die Landung der Genese, der optimale Lauf des Flusses. Nichts fehlt, was dazugehört: Abstand, Neigung, Flüssigkeit, Maximalisierung, Genesis. Wir werden ebenso geboren wie die Dinge: in der Spirale der Wollust. Das Eindringen der Besamung fließt mit dem weiblichen clinamen ab. Männliches regnet auf die weibliche declinatio.

 

Lukrez insistiert und reduziert weiter. Am Ende des Buches läutert er den venerischen Prunk. Er kommt auf die Wassertropfen zurück, welche in die Tiefen der Leere regnen. Er läßt sie auf die Steine herabfallen. Die Flut umgeht zwar diese Sperre, die sich dem Wasser unüberwindlich entgegenstellt. Aber zuletzt setzt sie sich über sie hinweg. Sie durchbricht den Felsen und findet die abschüssigste Bahn. Und das Buch endet da.

Und es fängt an die Lust, sich den jungfräulichen Quellen anzunähern, und darin zu baden. Die Lust, Kränze zu flechten. Die Lust des süßen Honigs um den Becher. Die Lust der Verse. Die Konstanten sind immer die gleichen und sie durchqueren das gesamte System der Metaphern, der sexuellen und wie immer man sie nehmen mag. Invarianz in der Variation der Verkehre. Verkehre und Verlustierungen.

 

Und die Theorie macht weiter: die Elemente flattern im Raum; die Simulakren oder Membranen schwirren da und dort, ultroque citroque, herinnen und draußen, hinauf und hinunter; auch die Gespenster scheinen herumzugeistern – dank unseren höllischen Ängsten. Es gilt, diese Flüge auf einander zurückzuführen, die Geister auf die Simulacren und diese auf die Atome. Es gilt, dieses Bewegungsspiel zu beschreiben.

Es ist eine Flut, die von den Dingen ausgeht. Von den Dingen, wenn sie extremistisch betrachtet werden: summo de corpore heißt es acht mal innerhalb von vierzig Versen. Die Oberfläche ist ein Gipfel, eine oberste Seite. Eben habe ich von einer „Ultrastruktur“ gesprochen. Das Simulakrum löst sich als eine optimale Form vom Volumen des Objekts ab: als eine Über-Form. Diese Betrachtungsweise, die aus jedem Objekt einen Sender macht, scheint naiv, tatsächlich beruht sie auf einem subtilen Kalkül, da sie dem Prinzip des geringsten Aufwands folgt. Das Innere des Objekts, sein Grund, sein intimes Geheimnis, verfügt über eine Höhe, von der aus es agiert: ex alto. Von da aus flutet es herab, verbreitet sich bis an seine Ränder, arbeitet sich durch unwegsames Gelände; es wird abgelenkt, umgeleitet, verunstaltet. Der Körper, hohl oder massiv, ist ein Netz aus Adern, dessen Geriesel ständig blockiert ist. Er zerteilt sich, zerstreut sich, diffundiert sich, disseminiert sich. Brennendes Holz oder qualmender Rauch. Diese Umwege und Holzwege im Gewebe der Stoffe: das sind die Wege der fragilen Seele: zerbrochen fließt sie durch die Mäander und Mündungen der Körperkanäle in Richtung Tod. Sie umgeht Hindernisse, zerfleddert sich, um sie zu überwinden. Diese Ausflüsse führen zu vielfach verzweigten Mündungen, sie enden bei den selben Poren, bei denselben Toren – egal welcher Sperren. Als würde es sich um ein Prinzip des größten Aufwandes oder des schwierigsten Weges handeln. Um die größte Wirrnis eines Deltas. An seinen Rändern ist das Objekt nur noch eine Garbe von Chreoden . . ..

Wir merken sehr wenig von den Eingeweiden, hauptsächlich nehmen wir Peripherie wahr. Diese hat die beste Lage. Das Ding ist ein schwarzes Loch, ein Hohlraum durchquert von hohen Mauern. . .“ (50ff.)

 

Diese letzte Bemerkung verdient nun wirklich eine qualifizierte Bestätigung durch den Protokollanten, der sich ja hauptsächlich als philosophischer Physiker versteht, womit er wiederum eine engere Kollegialität mit Lukrez aufrecht erhält. Dessen eben zitierter Satz zur Topologie der Dingwahrnehmung wird von mir in der Physik des Daseins dahingehend verständlich gemacht, daß die meisten Körper, jedenfalls Festkörper, ihre gute Sichtbarkeit dem Umstand verdanken, daß sie undurchsichtig oder opak sind und daher nur ihre äußere, ihre äußerste „Hülse“ sich dem Auge darbietet, wobei diese jedoch das Innere des Körpers zur Gänze verhüllt, womit grob gesprochen mindestens 99% des Körpers unsichtbar bleiben (übrigens bleiben auch ungefähr 50% der Hülse dem Sehen entzogen, was man durch Umdrehen des Körpers oder durch äußeres um ihn herumgehen (etwa bei Gebäuden) nicht aufheben wohl aber „umständlich“ variieren kann).

 

Dieser Sachverhalt, der etwa beim Lesen eines Buches den totalen „Durchblick“ durch alle 100 oder 500 Seiten unmöglich und das Lesen zu einer langwierigen Abfolge von Umblättern oder auch Zurückblättern macht und damit eine spezielle Variante von Sensomotorik erzwingt, wird also auch von Lukrez bemerkt, ohne daß sein – natürlich spekulativer – Atomismus direkt damit zusammenhängt. 

 

Aber sein Atomismus ist nicht nur spekulativ, er wird immer wieder an die sinnliche Wahrnehmung, an die mesoskopische, angenähert, etwa wenn die Buchstaben eines Textes als „Atome“ bezeichnet sind.

Oder sogar die Wörter des Textes als gewissermaßen eigenständige Bedeutungsträger, Bedeutungsverstärker um nicht zu sagen Bedeutungsmittel oder -pharmaka, die durch Anhäufung, Wiederholung, rhythmische Anordnung wirken, vergleichbar mit Blumengeflechten, -kränzen, -gärten. Oder aber und erst recht mit komplexen Wassertropfenarrangements von versteckten oder prunkvollen Spritzbrunnen, die mit Aphrodite- oder anderen Götterstatuen tituliert werden, wobei einer Göttin kein Abbruch getan wird, wenn ihr nicht ein sturer Mono…ismus nur einen einzigen Namen, einen allerheiligsten, vorbehält, sondern wenn ihr zum griechischen Namen auch noch der lateinische, einmal der und einmal der, zugesprochen wird, wenns sein müßte, würde es auch noch ein anderssprachiger sein dürfen, zum Beispiel derjenige der Frau im Meer, die in einer der letzten Fußnoten nur abgebildet aber nicht benannt ist. (In irgendeiner viel früheren ist sie schon genannt worden).[2]

Ich muß noch einmal auf das zurückkommen, was am 10. August protokolliert und mit dem amerikanischen Aphrodite-Foto illustriert worden ist und jetzt mit der schönen Zeichnung des Salinon kanonisiert wird: das Schwanken der Schlagwelle ist die Grundform des Daseins und das leibnizsche Grundprinzip ist dasjenige, was der von ihm formulierten ontologischen Grundfrage vorausliegt: „daß nämlich eher etwas existiert – als nichts“ (30).

 

Existieren ist ein „eher“ (32) – ein Versuch, ein anfängerischer, inchoativer, bescheidener, zitternder, ein wagendes, vorsichtiges, mutwilliges Sich-Absetzen von der Ruhe, von der Sicherheit, von der Einfachheit, vom Leichteren, Bequemeren, ein Aufbruch, ein Abbruch, ein Abstand. Ein Brechen mit dem „ein und alles“ – das in der Philosophiegeschichte immer wieder als Allheilmittel oder soll ich sagen als Endlösung ? angeboten worden ist, von den denkenden Philosophen als allzu einfache Formel befunden worden ist, da sie als Aussage genommen einfach nicht stimmt.

 

Und dieses Zittrige haben laut Michel Serres Archimedes und Lucrez „physikalisch“ beobachtet, formuliert, gesucht und versucht, sie haben versucht, es zu sehen und zu sagen, zu zeichnen und zu konstruieren, mit Sandkörnern und Steuerrudern.

 

Dabei bedeutet „existieren“ etwas Positives. Keineswegs kokettiert es mit dem Negativen, gar mit irgendeinem Nichts, weder mit einem europäischen noch mit einem asiatischen, auch nicht mit einem südlichen, etwa einem global-südlichen, das neuerdings so gefragt ist.

 

Das Existieren ist von Archimedes in einer Wissenschaft gesucht und gefunden worden, die „Statik“ genannt wird, und die selber die Gattungsbezeichnung episteme trägt, was selber ganz und gar auf Festigkeit, Feststellung, Verstehen und Verstand deutet. So sehr, daß Serres die Behauptung wagt, Archimedes habe das leibnizsche Prinzip des zureichenden Grundes angebahnt, auf dem – angeblich – alles „steht“ (siehe 32)

 

Die Leere und die Atome sind unsterblich. Es existiert aber noch eine dritte Ewigkeit: diejenige der Bewegung, welche die Körperchen im Raum transportiert. Es handelt sich um eine ständige Bewegung, die durch nichts hervorgebracht wird und die nichts hervorbringt. Die Bewegung ist ewig weil stabil. Der Fluß befindet sich nicht im Ruhezustand, aber er bleibt stabil. Nichts erschafft ihn, er wird durch nichts erschaffen. Das Fluten der Atome ist ewig – insofern statisch.

 

Erst Leibniz führt da eine Beschleunigung ein – die Dynamik taucht auf. Sie ist zwar ein Fremdkörper innerhalb der Statik – aber sie taucht gleichzeitig mit den Dingen der Welt auf.

 

Was die Dinge produziert, das ist ein Beweger, ein Motor, ein Bewegungsproduzent, von dem weder Lukrez noch Leibniz wissen, wie er hervorgebracht wird. Und es wird noch einige Jahrhunderte brauchen, bis man einen Motor herstellen wird können.

Wie läßt der Regress zur Frage nach der Produktion des Produzenten vermeiden? Nach der Produktion der Kräfte? Nach einem ersten transzendenten Motor – außerhalb der Welt und der Natur?

 

Aristoteles hat dieses Problem nicht umgehen können – und sein erster Beweger ist unbeweglich.

 

Sein Imperativ lautet: 

 

αναγκη σθηναι  - da muß man stehen bleiben

 

oder

 

Das Gesetz ist die Statik.

 

Und das Wort episteme für „Wissenschaft“ besagt seinerseits: Feststellung, Verstand.

 

Die Atome stoßen aufeinander, reiben einander, bremsen einander, lenken einander ab.

 

Daher gibt es keine Zeit – außer derjenigen der Objekte. Die Zeit der Geschichte ist nur ein Zwischenakt.

 

Alle Dinge sind Sender, unsere Sinne unablässige Rezeptoren.

 

Die Wahrnehmung ist ein Zusammenstoß, ein Schock oder ein Unfall. Eine Überschneidung von Verkehren.

 

Das wahrnehmende Subjekt ist ein Objekt der Welt, eingetaucht in objektive Fließbewegungen. Rezeptor an seiner Stelle, Sender in alle Richtungen. Die Seele ist ein materieller Körper, der Körper ein Ding, das Subjekt nur Objekt.

 

Die Physiologie oder Psychologie – ist nur eine Physik. Die Sinne sind folglich getreu. Sie können nur lügen, wenn ein Ding ein anderes verraten könnte.

Der Naturpakt verbindet die Dinge miteinander. Dadurch ist das Phänomen gut begründet. Der Atomist, Freund der Venus, empfindet nicht den Hass eines Subjektes oder die Verabscheuung des Körpers, die ihn fremd macht. Das sind Laster des Mars und der martialischen Philosophen. Die Sinne sind ebenso treu wie alle anderen Rezeptoren. Sie stehen unter Vertrag mit Venus – wie alle anderen Objekte miteinander. Dieser Naturpakt ist ein Äquivalent der Harmonie und funktioniert wie sie. Etabliert von der immanenten Venus. Das Fließgleichgewicht ist in sich stabil. (Siehe 60ff.)

 


Walter Seitter


[1] Chreode ist ein neuerer Neologismus, angelehnt an Methode, welche die Frage nach dem richtigen Weg auf die Metaebene hebt, während die Chreode, wörtlich „notwendiger Weg“, sie suggestiv beantwortet. Der Begriff geht auf den englischen Entwicklungsbiologen Conrad Hal Waddington (1905-1975) zurück und meint so etwas wie „epigenetische Assimilation“, die sich in der Ontogenese durchsetzt.

[2] Meine Andeutung von einem Spritzbrunnengarten ist inspiriert durch Hellbrunn bei Salzburg, dem jüngst ein Prachtband aus Bildern und Texten gewidmet worden ist: Christopher Kreutchen: Hellbrunn. Bewegt im Antlitz der Götter (Berlin 2022)

Freitag, 19. August 2022

Sommer-Dichter-Lektüre: Serres-Lukrez III

 17. August 2022

 

 

Der österreichische Jurist und Politiker Manfred Welan pflegt mit dem Spruch „Abstand ist Anstand“, den er Ingeborg Bachmann zuschreibt, einen Hauptbegriff von Serres zu Lukrez von der Physik auf die Ebene der Ethik zu hieven.

 

Wie seinerzeit Francis Ponge – und zwar in seinem Tisch-Buch - betont hat, hat man mit Lukrez es mehr mit Physik als mit Metaphysik zu tun, weshalb diese Lektüre von visuellen Erscheinungen und womöglich auch selbstgemachten, also Graphiken, Zeichnungen, Bildern und Figuren stärker begleitet werden können sollte.

Ponge sagt aber auch, daß mit dem Ethos des Physikers ein ganz anderer Wissensbereich, nämlich die Ethik (die zweifelsfrei erst von Aristoteles formell begründet worden ist) distant korrespondiert.

 

*

 

Serres betont, daß sich die Wissenschaft bereits mit Archimedes auf die Bahn begibt, welche sie von Aristoteles entfernt – eine Bahn gekennzeichnet durch schräge Ebenen, Statik, Hydraulik, Differentialrechnung.

In seiner Sandrechnung hat Archimedes ein System zur Aufschreibung großer Zahlen erfunden, um eine Obergrenze für die Anzahl der Sandkörner schätzen zu können. Dazu verwendete er das heliozentrische Modell des Aristarchos von Samos (310-230), der aus der Schule des Aristoteles hervorgegangen war und die Bewegung der Erde um die Sonne (und die Fixsterne) angenommen hat. Beobachtung wie auch Berechnung stoßen damit zumindest annähernd - in die Extreme sowohl der Mikro- wie auch der Makrophysik vor, ohne daß im Universum Gebiete mit unterschiedlichen Bedingungen angenommen werden müßten.[1]

 

Für Michel Serres sieht es so aus, daß die Erfindung der modernen angewandten Wissenschaften in der Renaissance tatsächlich eine Art Wiedergeburt gewesen ist – eine Wiedergeburt der Welt des Archimedes, die sich bereits in Absetzung von Aristoteles befand. Denn in der Sandrechnung wird der Heliozentrismus des Aristarchos vorausgesetzt. Dazu kommt das Modell der Epikureer mit den Wirbeln und Fluiden, ein Gleichgewicht aus Flüssigkeiten und Meteoren. Es stimmt zwar, daß Leonardo, Galilei und alle bis Descartes die Brücken zur mittelalterlichen Scholastik abgebrochen haben – doch Epikur und Archimedes stehen schon längst für ein nicht-aristotelisches Universum.

 

Die neuzeitliche Physik und Mechanik entstehen in der Renaissance nicht mit einem Schlag aus dem Nichts der zeitgenössischen Probleme – nein sie werden da „wiedergeboren“. Und es dauert einige Zeit, bis die Feinheiten der archimedischen Berechnungen wieder erreicht werden, die von Pascal und Leibniz sehr wohl anerkannt worden sind.

Erst durch Kant ist diese Perspektivierung umgedreht worden und die französischen Wissenschaftshistoriker des 19. Jahrhunderts haben die Umdrehung dann vollends für sakrosankt erklärt, um die pädagogische Autorität der Kirche endgültig außer Kraft zu setzen. Von einer Religion zu einer anderen.

 

Die Physik sucht zu erklären, wie sich die Dinge und die Welt natürlicherweise aus dem Chaos der Atome bilden, wie eine Ordnung, wie mehrere Ordnungen aus der Unordnung emergieren. Den Übergang gewährleistet die Turbulenz.

Die Begriffe, mit denen Lukrez sie beschreibt, gehören zwei Bereichen an: der Topologie und der Mechanik. Intervalle, Wege, Verbindungen einerseits, Gewichte, Bewegungen, Stöße andererseits. (Siehe 36ff.)

 

Wörter mit dem Präfix dis wie Division, Disjunktion, Dissemination bezeichnen im Lehrgedicht des Lukrez den Abfluß und den Niedergang in Richtung zur Unordnung. Alles löst sich in Staub auf und nichts bleibt bestehen - mit Ausnahme des Atoms und des Leeren.

 

Doch über Wasser, Luft, Erde und Feuer führt die Distribution zur Ordnung der Welt. Interessant ist das Wort discludere – auseinander zusammenschließen. Dieses Begrenzen schneidet nicht ab, sondern umgibt einen Bereich mit einer Grenze zum Nachbarn.

 

Gewicht und Komplexität sind Motoren der Trennung. Der Äther trennt sich von der Luft, weil er leichter ist. Distanz zwischen der turba und dem turbo. Die erste ist eine Menge, eine Konfusion, ein Tumult.[2] Im Griechischen hat sie auch die wilden Tänze der Bakchen bezeichnet. Der turbo hingegen steht für den Kreisel, dessen Drehbewegung nicht mehr als Unordnung gelten kann – egal ob es sich um einen Wasser- oder Windwirbel handelt. Der Kreisel kann sich auch lateral verschieben und er kann sich bis zu einem gewissen Grad neigen, ohne seine mobile Stabilität zu gefährden.

 

Der Kreisel, den Platon in seinem Staat als Menschenmodell vor Augen geführt hat, kann als „Zirkumstanz“, ja als Zirkustanz, als Umstand oder Herumstand oder Herumtanz gesehen werden – und deswegen das Menschenwesen in seiner Komplexität veranschaulichen. (Siehe 38ff.)

 

Lukrez beschreibt zwei Chaosse – schreibe ich trotz dem von den Sprachwächtern ausgegebenen Pluralverbot für dieses Wort.[3]

 

Das Wasserfall-Chaos mit dem fasrig-parallelen Sturz einer Masse. Und das Wolken-Chaos mit ungeordnet-brownschen Fluktuationen aus Unähnlichkeiten und Gegensätzlichkeiten. Der Wirbel taucht mit der declinatio auf dem Grund des ersten Chaos auf und wiederum taucht er auf auf dem Grund des zweiten. Folglich ist er die Vor-Ordnung der Dinge: ihre Natur im Sinne von Geburtlichkeit. Stabilitäten gibt es nur in einem Universum, wo alles instabil fließt. Ordnung und Unordnung sind zwei Seiten einer Welt – schon die beiden ersten Buchstaben des harmlosen Wörtchens „und“ führen in jede Ordnung, die kein Terror ist, ein un ein - so schreibe und lese ich auch im Deutschen die Geburt der Dinge, welche auch in der Sprache stattfindet, wie Lukrez und Serres zeigen. Wenn ich nicht selber auch schreiben würde, gäbe es die beiden eben genannten Autoren hier auf dem Hohen Markt gar nicht (und es gäbe sie nicht, wäre ich nicht vor Jahrzehnten in Paris gewesen, wäre nicht das Übersetzen von Michel Foucaults lyrischer Geburt der Klinik mein erstes Schreiberlebnis gewesen, das ich so viel später und so sehr anders fortsetze.) Es schreiben hier nämlich Lukrez und Serres und Seitter. Und jeder von denen hat seine Vorwellen- und seine Nachwellenschläge nicht nur von und bei den beiden anderen. (Siehe 40ff.)

 

„Die Welt, die Gegenstände, die Körper, meine Seele - sie alle sind, im Augenblick ihrer Geburt, schon in der declinatio, in ihrem Niedergang. Das heißt, sie sind bereits sterblich und dem Zerfall anheim gegeben. Das will aber auch sagen, daß sie sich konstituieren und sich formieren. Die Natur ist der Fall  - und das ist ihr Geburtsakt. Und ihre Stabilität. Die Atome treffen auf einander, ihr Zusammentreffen macht ihre Kraft aus – dank dem Fall. Und das bedeutet die Gesamtheit der Zeit. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, Morgenröte des Erscheinens und Tod, hartnäckige Illusionen – sind nur Fälle der Materie. Sie deklinieren und sie deklinieren sich wie die Zeiten eines Verbums – nur eine Zusammensetzung von Buchstaben-Atomen.

 

Die Welt, die Gegenstände, die Körper, meine Seele, sind von ihrer Geburt an auf der Abdrift. Auf der Abdrift, auf der Landebahn. Das heißt, wie üblich zersetzen sie sich und sterben. Das Lehrgedicht Von der Natur der Dinge verweist ständig auf die Sterblichkeit. Ihre Geburt ist ein Fall. Ihre Stabilität, ihre Konsistenz, hängen vom Fließgleichgewicht ab.

 

Die Abdrift ist die ganze Zeit: Morgenröte des Erscheinens, endlich beschränktes Leben, Zersetzung, Explodieren vieler Zeitlichkeiten im unendlichen Raum. Alles verkommt, auch wenn etwas ankommt: Uratome, Tischtuch. Alles leitet sich von elementaren Wurzeln ab: so die Wörter, diese variablen Zusammensetzungen von Buchstaben-Atomen.

 

Sieh da der Ursprung des Sinns. Transversaler Blitz, der auf den Boden, dieses Hintergrundgeräusch, niederfährt. Der Sinn ist nichts anderes als sein Abhang, der Sinn des Abhangs. Immer noch eine Abdrift.

Die Existenz, die Zeit, der Sinn und die Sprache kommen gemeinsam den geneigten Weg hinunter.

 

Langsam, Stufe um Stufe, fällt das Lehrgedicht hinunter, zur Pest von Athen. Durchkreuzt von Blitzen, welche die Sonne zerstäubt. Schräge Schraffuren, die, Schritt für Schritt, eine neue Neigung diktieren. Es läßt die Rhythmik seiner Verse, seiner zirkulären, seine Wirbel aus Wörtern, einen von Katastrophen unterbrochenen Talweg hinunterrollen. Der Text fällt ab, er driftet ab wie die Welt. Er folgt dem Gesetz der abschüssigsten Neigung. Dem Schöpfungsgesetz, sagte man einst.

 

Dieses exakte Modell wird von einem Dutzend Geschichtchen zerredet. Sie raunen vom Pessimismus des Lukrez. Ein platter Euhemerismus tritt an die Stelle der Intention der Dinge.[4] Als hätten die Epikureer nicht deutlich genug erklärt, daß das Gesetz des Blitzes im Blitz liegt – und nicht in der Subjektivität des Jupiter. Das Gesetz des Textes liegt im Text und nicht in der Asche der Toten. Leichenfledderei.

 

Schon in der Antike hielt man Lukrez für einen Wahnsinnigen. Damals war das eine Qualifizierung, manchmal von Intuitionen durchzuckt, die man auf Heilige, auf Genies, auf Narren bezog. Eine Romantik schon bei Plutarch. Komisch aber grandios, wie im Zirkus. Immerhin passend in einer Welt, in der der Blitz durch die Wolke schlägt.

 

Wir haben das auf Mittelmäßigkeit heruntergebracht. Wie traurig und wie mutig ist er – der Dichter! Wie er weint - angesichts des Todes und der Dekadenz, angesichts der Zeit, die davoneilt, und der Dinge, die sich verschlimmern. Es stimmt, die Zeiten waren hart. Es passierten schreckliche Dinge, in Rom. Daher die Krankheit: Lukrez war angstgeplagt, melancholisch, depressiv. Und da er in Epikur einen Meister hatte, war er auf der Suche nach einer Originalität, die ihn von dem großen Schatten absetzen konnte. Wie mußte er leiden!

 

So ist er in einen kleinen neurotischen und narzisstischen Professor verwandelt worden und wir verlieren unsere Zeit.“ (45ff.)

 

 

Walter Seitter

 




[1] Da ich die quasi endlosen Sandstrände von Sylt und Fuerteventura über Jahrzehnte hinweg bei jeder Witterung, in jeder Nähe oder Ferne zum oder vom Wasser, mit jedweder Sorte von Aktivität und Passivität mir erschlossen und genossen, auch erlitten habe, im Mikro- wie im Makroformat erlebt, auch in mein Beschreiben der Erde einfließen besser gesagt einfliegen habe lassen, kann ich die Sandrechnung des Archimedes nachvollziehen. Siehe Walter Seitter: Physik der Medien. Materialien, Apparate, Präsentierungen (Weimar 2002): 97-124, sowie Bleibende Steinzeit, in: Tumult Schriften zur Verkehrswissenschaft 42 – Bleibende Steinzeit (Wien 2018).

 

Schöne Bilder von schönen Sandstränden bewegen mich noch immer (auch wenn sie unbewegt erscheinen).

 

[2] Da das Protokoll von einem Protokollanten geschrieben wird, fügt dieser hier ein, daß er in den späten Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts zu den Gründern von Tumult Schriften zur Verkehrswissenschaft gehört hat, die bis zum Jahr 2018 existiert haben. Seither haben sie ihren Namen verloren fristen ein namenloses Dasein.

[3] Seit ich im Studienjahr 1969-70 dank einem Paris-Stipendium des österreichischen Unterrichtsministeriums angefangen habe, mich in die französische Sprache hineinzuarbeiten, sind mir manche Eigentümlichkekiten der deutschen Sprache immer auffälliger geworden, so das Pluralverbot für viele Wörter, deren französische Pendants mit größter Selbstverständlichkeit und Deutlichkeit pluralisiert werden. Hängt dem Deutschen da irgendein heimlicher „Mono…ismus“ nach?

[4] „Euhemerismus“ steht für die auf die Antike zurückgehende Auffassung, daß die den Göttern oder der Natur zugeschriebenen Mächte durchgängig auf hervorragende Menschen zurückgehen. (Anmerkung W. S. ) 

Donnerstag, 11. August 2022

Sommer-Dichter-Lektüre: Serres-Lukrez II

 10. August 2022

 

Als Vorwort für das heutige Protokoll die Erwähnung eines neulich vorgefallenen Ereignisses, das anscheinend bzw. beckmesserisch betrachtet mit dem hier Protokollierten nichts zu tun hat. Tatsächlich aber doch einiges.

 

Meine persönliche intensive Beschäftigung mit antiker Philosophie datiert erst seit dem Jahr 2007. Neulich überreichte mir Brigitte Borchhardt-Birbaumer, die ich seit gut zehn Jahren, nämlich seit der Nacht-Ausstellung im Unteren Belvedere, kenne, ein Hauptwerk ihres verstorbenen Ehemannes, des Archäologen Jürgen Borchhardt (1936-2021) mit dem ziemlich homerischen Titel Der Zorn des Poseidon und die Irrfahrten des Odysseus (Wien 2015). Es handelt sich um eine wissenschaftshistorisch gebündelte sowie poetisch erweiterte Autobiographie, die fast ein ganzes Forscherleben mit Berichten und Bildern, mit Fragen und Antworten punktiert. Die antike griechische Kultur bildet das Hauptthema und sie wird weniger mit ihren historischen Fixierungen illustriert als vielmehr in ihren geographischen Bewegungen und Weiterungen neu formatiert. Wenn eine Vergleichung mit dem hiesigen Leseunternehmen möglich ist, dann die, daß wir die Aristoteles-Lektüre mit dem Hermann von Kärnten historisch und geographisch schon sehr zerdehnen, mit Serres und Lukrez aber noch weiter zerreißen und kontrastieren und „asokratisch“ neu beleuchten.

 

Mit Serres und Lukrez gewinnen wir einen gewissen Abstand von der philosophischen Zentrierung auf Athen, die der andere mit uns zeitgenössische Homer-Fahrer, Friedrich Kittler (1943-2011) sehr skeptisch betrachtet hat.

 

*

 

„Wir existieren, wir sprechen, wir arbeiten, mit unserem Verstand, mit unserer Wissenschaft, mit unseren Händen – nur im Abstand, dank dem Abstand vom Gleichgewicht. Alles ist Abstand gegenüber der Homöostase – alles außer dem Nichts, außer der Identität …

Und da ist er wieder der Ort des ersten Atomismus. Die Natur läuft unaufhörlich im Fluß ihrer schweren Elemente auf ein Gleichgewicht zu. Der Waagebalken hat keinen Fixpunkt. Da oder dort, irgendwann oder morgen tauchen stochastisch die Abstände auf. Oder die differenziellen Neigungswinkel. Da ist es: eher etwas als nichts, da die Existenz, da die Turbulenzen, die Spiralen, die Voluten, die Figuren außer der Homöostase. Sie werden auf Null gebracht werden durch den Verfall, durch die Ruinen, durch den Tod. Aber temporär formieren sie sich. Wenn sie existieren, dann als Abstände gegenüber der Homöostase, und wenn sie sich formieren, dann durch das Abstandsdifferenzial, das inchoative. Nun sind die Atome auch Buchstaben, sie fügen sich zusammen zu Sätzen, sie bauen sich zusammen zu Büchern. Wenn ich sprechen kann, verdanke ich es wiederum diesem Abstand, mit dem das Volumen anhebt. Archimedes führt in unser Vernunftprinzip die Strenge ein, welche im Existieren liegt. Epikur und Lukrez bringen es auf die Welt, führen es in die Natur ein.

Und das ist heute der neue Ort unserer Wissenschaft. Wir haben gelernt, daß die Wiederholung redundiert, wir fangen an, zu fürchten, daß die Allsätze informationslos sind. Das Wissen ist an Knappheit gebunden. Alles, was existiert – Sand, Kiesel, Stier, Wolke, Galaxie, steht dem Unwahrscheinlichen näher als dem Gleichgewicht. Das entfernt uns – von einem Kap zum anderen[1]- vom alten Wissen, für das bekanntlich das Nicht-Existente das Gewisse ist. All das existiert immerhin. All das hat sich gegen die alten Gesetze formiert, wenn es dank ihnen stirbt. Die seinerzeitige Wissenschaft ist eine des Todes. Eine des Mars.

 

Es ist entstanden, es existiert, im Sinn des alten Vernunftprinzips, ‚eher als das redundante Nichts‘, es existiert abständig gegenüber jedweder Homöostase. Wir sind heute Archimedeaner, was die Formen und die Stabilitäten betrifft. Wir sind Epikureer für die Winkel und die Wirbel. Und dank Aphrodite. Alles ist, alles wird gedacht, gesprochen oder gearbeitet, im Abstand vom Gleichgewicht. Da kommt sie wieder die Natur der Dinge : rerum natura. Und der große Pan ist wiedergeboren.

 

Aphrodite taucht aus den Wassern auf.[2] Pardon, sie ist ein flottierender Körper . . .“ (32f.)

 

So fängt die Hydrostatik an: man werfe einen Körper in ein Fluid – wird er geneigt bleiben, wird er sich gerade aufrichten? Es geht immer um denselben Winkel, um denselben Abstand, um dieselbe Neigung. In dem Buch Von den schwimmenden Körpern, wo Archimedes definiert, der statische Auftrieb eines Körpers in einem Medium sei genau so groß wie die Gewichtskraft des vom Körper verdrängten Mediums, wird die Hydrostatik als ein eigener Bereich der Physik begründet, in dem die alte Lehre von den vier Elementen mit neuen Beobachtungen verbunden wird.

In der Theorie des Schlingerns und des Stampfens eines Schiffs bilden kugelförmige und kegelförmige Körper die Modelle für Turbinationen. Die Statik der schwimmenden Körper besteht darin, einen immer wieder auftauchenden Winkel auszulöschen. Er zittert ständig um den Nullpunkt herum. Unruhe aufgrund starken Seeganges, starker Windstöße. Die Protodynamik des Lukrez besteht in der Frage: was passiert tatsächlich, wenn dieser Winkel auftaucht oder anhält? Die Antwort lautet: alles. Das heißt: die Natur, die Geburt der Dinge. Und das Auftauchen der Sprache.

 

Die Theorie der Homöostase im fluiden Medium verlangt neuerlich nach einem Abstand. Er stellt sich ein, er verschwindet, er kommt wieder – je nach den Zufällen der Turbulenzen, der Zeiten und der wechselnden Orte. er zeigt die Turbulenz an, er ist ihr Inchoativ. Die Fregatte der Venus ist metastabil auf den Wassern.

Nichts fehlt mehr für die Mathematisierung des Modells – die dafür zuständigen Disziplnen konvergieren in eine globale Theorie der Abstände, in ein Vernunftprinzip, das Prinzip der Neigung des Existierenden und des Entstehenden. Der Weg von den reinen Wissenschaften zu den angewandten Wissenschaften und von denen zur Technologie steht offen.

 

Das Unglück oder vielmehr die Kultur, die Geschichte haben gewollt, daß die Durchführung innerhalb der Mauern von Syrakus, vor den römischen Kolonnen, zu geschehen hat. Auf dem Marsfeld. Die höchste und tiefste der antiken Wissenschaften, die der Natur wie auch den menschlichen Aktivitäten am besten angemessen war, vor der martialischen Gewalt zerbarst. Athen wird in Syrakus gestoppt.

 

Wie läßt sich nunmehr das Wissen des Archimedes vor den Imperien des Mars retten? Darin liegt das Problem des Lukrez, darin seine Verzweiflung. Die Aphrodite-Natur vor den Klauen des Krieges retten, ein Venus-Wissen stiften. Archimedes‘ Werk bewahren, den Vertrag wechseln, das foedus.

 

Atom-Körner im unendlich Leeren, minimaler oder differenzialer Winkel im technischen Wirbel – das beginnt bei Demokrit, Archimedes vollendet, krönt das Gebäude. Es gibt also eine mathematische Physik, eine weltnahe und demonstrierte, bei den Griechen, die sie angeblich nicht hatten. Zeugnisse  davon im Überfluß in De rerum natura. Aber Lukrez, ich wiederhole, hat verzweifelt gesucht, wie auch wir dringend tun sollten, eine Vertragsänderung herbeizuführen. (Siehe 33ff.)

Beiläufig werden Götternamen eingestreut, andererseits werden politische Implikationen oder Alternativen der Physik angedeutet, die nach Serres im 20. Jahrhundert nach Christus akuter sind als je zuvor und wahrscheinlich im 21. Jahrhundert es noch immer sind. Dahin gehen jedenfalls Andeutungen in seinem letzten Buch: Das Verbindende. Ein Essay über Religion (Berlin 2021)

 

Walter Seitter

 

 


[1] Michel Serres hat die Kaps, die den Seefahrer ein ums andere Mal von irgendwo entfernen, vielleicht wirklich stärker erlebt als ich, der ehemalige Strandläufer, dem sich immerhin das Kap Malea eingeprägt hat (dank Stella Chrysochoou), welches mich für immer von Kythera fernhält (nur Antikythera habe ich von Kreta aus erblickt))

[2] (Fußnote W. S.)

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Mittwoch, 3. August 2022

Sommer-Dichter-Lektüre: Serres-Lukrez

3. August 2022

 

In vergangenen Spätsommer habe ich einen Ferial-Einschub zum Metaphysik-Lesen gemacht und protokolliert, der sich auf Die Sonne von Francis Ponge bezogen hat, welches Buch den philosophischen Horizont keineswegs in Abrede stellt, sich aber aufgrund seiner Gegenstandswahl eher in die Physik als in die Metaphysik einfügt.

  

In diesem Jahr soll sich die Sommer-Lektüre wieder auf ein Werk beziehen, das der Dichtkunst zugerechnet wird – und das Aristoteles zeitlich viel näher liegt, sich dabei wiederum enger der Physik zuordnen läßt. Es handelt sich um das von Titus Lucretius Carus (99 - 55) verfaßte lateinische Lehrgedicht De rerum natura, das abgesehen von seinem speziellen dichterischen Textcharakter einem anderen Physik-Paradigma folgt als die aristotelischen Lehrschriften.

 

Das aristotelische Physik-Paradigma wird zumeist als „Hylomorphismus“ bezeichnet. Demzufolge bestehen die Körper – ob anorganische oder organische – aus Stoff und Form als Bestandteilen, die genaugenommen nicht selbständig existieren. Das tun nur die zusammengesetzten Gesamtheiten – wobei Aristoteles die wahrnehmbaren Körper im Auge hat. Die andere Schule der antiken Physik, die auf Demokrit von Abdera (459-370) und Epikur (341-271) zurückgeht und der auch Lukrez folgt, wird als „Atomismus“ bezeichnet – eine gewisse Nähe zu modernen mikrophysikalischen Auffassungen ist bereits in der Begrifflichkeit sichtbar. Danach bestehen die uns bekannten Körper jeweils aus einer Vielzahl von winzig kleinen und unsichtbaren Körperchen, mit viel Leere und Bewegung.

 

Das Sonnenbuch von Ponge, das sich im Laufe mehrerer Jahrzehnte im 20. Jahrhundert nach Christus angehäuft oder akkumuliert hat, habe ich in der deutsch-französischen Edition des Jahres 2020 mir vor Augen geführt. Den Text von Lukrez, von dem es auch deutsche Übersetzungen gibt, rezipiere ich indirekt mittels der von dem französischen Philosophen Michel Serres (1930-2019) verfaßten Kommentarnachschrift La naissance de la physique dans le texte de Lucrèce. Fleuves et turbulences (Paris 1977). Seitenangaben beziehen sich darauf.

Was ich hier schreibe, wird – wie auch die Mittwoch-Protokolle zur aristotelischen Metaphysik – „nur“ protokollartig sein. Protokollsätze, die keinen wohlgeformten Text zustandebringen und die eben damit die Frage nach den philosophischen Textsorten aufwerfen: sowohl nach denen in der Antike wie auch nach denen, die heute möglich sind nach so viel Wissen und eben auch Nicht-Wissen über solches wie „Metaphysik“.

 

Einzelne aus diesem oder jenem Buch herausgeschriebene Sätze oder Absätze sowie Anmerkungen von mir selber bilden „Protokollsätze“, die von nun auch in der Philosophie eine Textsorte darstellen. Denn das Philosophieren, das sich von Haus aus keinem Paradigmazwang unterwirft, ist auch an keine bestimmte Textsorte gebunden, wie man sogar bei dem eher langweiligen Schriftsteller Aristoteles sehen kann, der zwar - neben den Sophisten – die „Abhandlung“ zu seiner wichtigsten Schreibweise gemacht hat, dennoch aber in der Metaphysik zwei Bücher in der Form der „Liste“ angelegt hat.

 

Das Protokoll ist eine Textsorte, die aus zumeist bürokratischer Betriebsführung stammt, wo bestimmte Vorgänge wie Gerichtssitzungen, Vertragsabschlüsse, Abstimmungen, Zeremonien schriftlich oder ähnlich dokumentiert werden. Der Protokollführer ist gehalten, die wesentlichen Schritte des Vorganges, also Verlautbarungen, Wortmeldungen, Beschlüsse aufzuzeichnen, damit die rechtsverbindlichen Ergebnisse nicht bestritten werden können.

 

Aus der juridischen Sphäre ist das Protokollwesen auch in den Bereich der Wissenschaft übernommen worden. So spricht man in den Naturwissenschaften von Versuchsprotokollen, in denen Personal, Thema, Hypothesen, Aufbau, Durchführung, Ergebnisse festgehalten werden. Eine spezielle wissenschaftstheoretische und philosophische Debatte wurde um 1930 innerhalb des Wiener Kreises zwischen Moritz Schlick, Otto Neurath, Rudolf Carnap und Karl Popper um Protokoll- oder Beobachtungs- oder Basissätze geführt, wobei jene Sätze gerade nicht soziale Veranstaltungen mit Rechtsfolgen aufzeichnen, sondern individuelle Subjekt-Objekt-Erlebnisse, die zu allgemein gültigen Theorien umgebildet werden sollten. So etwas wie Wahrnehmungsprotokolle bilden in der belletristischen Literatur seit dem 19. Jahrhundert eine wichtige Strömung, die auch philosophische Zugänge eröffnet – beispielshalber sei Peter Handke genannt.

 

In der Belletristik ist auch die juridische Spielart des Protokolls aufgegriffen worden. Etwa von Albert Drach mit seinem Großen Protokoll gegen Zwetschkenbaum (München 1964). In zwei Theaterstücken hat derselbe Autor fiktive Protokolle gegen den Marquis de Sade sowie gegen Adolf Hitler verfaßt, um sie dem endgültigen Vergessen zu entreißen. Denn die basale Funktion des Protokolls, besteht darin, daß es eine Maßnahme gegen das Vergessen zu sein hat.

 

Etwa in der Mitte des 20. Jahrhunderts war es noch üblich, daß universitäre Seminarsitzungen protokolliert wurden. Der Protokollant sollte den Ablauf getreulich wiedergeben, sodaß jede Sitzung bis zum Semesterende für alle Beteiligten einsehbar war.

 

Unter dem Titel „Gesprächsprotokoll“ läßt sich diese Vorgangsweise auf alle Lebensbereiche übertragen. In so einem eher informellen Sinn habe ich seit dem Beginn der Mittwoch-Seminare auf dem Hohen Markt, also seit dem Jänner 2007, die Lektüre-Gespräche, die sich zumeist auf Aristoteles beziehen, protokolliert.

 

Aus diesen Aufzeichnungen sind die Dokumentationen Poetik lesen 1 und 2 (Berlin 2010, 2014) sowie Aristoteles betrachten und besprechen (Metaphysik I-VI) (Freiburg-München 2018) hervorgegangen.

 

Wenn ich jetzt die Sommer-Dichter-Lesung zu Lukrez protokollieren will, erhebe ich auch für die schon vorgelegten Protokolle den Anspruch, daß sie die Textsorte „Protokoll“ in die Philosophie einführen, die ja seit Empedokles, Platon, Nietzsche und so weiter nicht auf eine einzige Schreibweise festgelegt ist.

 

Deswegen ist es für die hiesigen Protokolle wichtig, daß der oder die Protokollanten nicht tabula rasa oder Kamera spielen, sondern daß er als individueller Schriftsteller aufschreibt, umschreibt und weiterschreibt, daß er seine Umstände nicht verschweigt, daß er nicht als Inkognito oder Geheimdienstler agiert. Nur so haben die Protokolle eine Chance, philosophische Texte zu sein.

 

*

 

Damit der Einstieg nicht zu einfach wird, zunächst ein Hinweis auf Archimedes von Syrakus (287-212), der nicht als Philosoph gilt, sondern „nur“ als Mathematiker, Physiker und Ingenieur. Auch seine Entdeckungen gehören zum Umfeld, in dem Lukrez sein Denk- und Dichtwerk entwickelt hat. Insbesondere die Mathematisierung der Physik, die dem griechischen Denken bestenfalls auf der Ebene reiner Theorie plausibel war, ist ihm durch Archimedes zugänglich geworden.

 

„Wir mischen die Erfahrung mit den Gleichungen. Wir verbinden das Protokoll, Schritt für Schritt, mit dem Formellen und dem Metrischen. Ohne diese ständige Nachbarschaft gibt es kein Experiment und kein Gesetz. Den Griechen mußte dieses Vermischen fremd sein. Sie haben keine einheitliche mathematishe Physik. Ihre Physik ist eine zweifache. Sie bringen strenge formale Systeme hervor und außerdem Diskurse über die Natur – wie zwei getrennte Sprachblöcke, wie zwei separate Mengen … Daher diese merkwürdige Vorstellung, die der Wissenschaftsgeschichte gemeinsam ist: daß es keine mathematische Physik bei den Griechen gibt. Es gibt sie - aber man muß sie sehen. Und um sie zu sehen, muß man beispeilsweise Epikur und Archimedes zusammenlesen.“ (21f.)

 

„Hätten wir nur das Identitätsprinzip, so wären wir stumm, unbeweglich, passiv und die Welt hätte keine Existenz: nichts Neues unter der Sonne. Wir nennen principe de raison die Tatsache, daß eher etwas existiert als nichts. Und daher ist die Welt da und wir arbeiten und sprechen hier. … Das Prinzip bezieht sich auf: eher existieren als … Wenn Dinge existieren und wenn es die Welt gibt, so weichen sie von Null ab. Und wenn es einen Grund gibt, so handelt es sich um ein Verhältnis der Neigung (inclinatio).“ (31f.)

 

Die Existenz ist eine Abweichung vom absoluten Gleichgewicht, und daher, sagt Serres nach Lukrez, sind wir Epikureer, so wie die Winkel in der Geometrie und die Wirbel im Wasser und Aphrodite auf dem Meer.

 

„Von Cicero bis Marx gilt die Abweichung (declinatio) der Atome als eine Schwäche der Atomtheorie. Das clinamen ist eine Absurdität. Logische Absurdität, da ohne Begründung eingeführt: Ursache ihrer selber und dann Ursache aller Dinge; geometrische Absurdität, da ihre Definition unverständlich und blockiert ist; eine mechanisch-physikalische Absurdität, die dem Trägheitsgesetz widerspricht und auf ein perpetuum mobile hinauszulaufen scheint; eine allgemein-physikalische Absurdität, die von keinem Experiment aufzuweisen ist. Niemand hat jemals einen schweren Körper fallen sehen, der plötzlich von seiner Bewegungsbahn abweicht. Das clinamen wird folglich in die Subjektivität verlegt, es geht aus der Welt über in die Seele, aus der Physik in die Metaphysik, aus der Theorie der frei fallenden trägen Körper in die Theorie der freien Bewegungen des Lebendigen. … Die modernen Materialisten stoßen sich an diesem Riß im Determinismus und interpretieren ihn zu einem Idealimus des freien Subjekts um.

… Andererseits ist diese prinzipielle Absurdität ein zusätzliches und entscheidendes Beweisstück für den prähistorischen Status der griechisch-lateinischen Physik. Es handelt sich hier nicht um eine Physik der Welt, sondern um ein unreines Gemisch aus Metaphysik, politischer Philosophie und Träumereien über die individuelle Freiheit, die auf die Sachen selbst projiziert werden. Das brutale Resultat der Kritik: es gibt keine Atomphysik in der Antike, es gibt überhaupt keine angewandten Wissenschaften; und das angebliche clinamen ist nichts weiter als eine immaterielle Eigenschaft des Subjekts. Wir müssen De natura rerum von Lukrez als Humanisten oder als Philologen lesen – und keineswegs einen Physik-Traktat.“ (9f.)

 

Wie aber expliziert Lukrez seine so inkriminierte These?

 

Die Atome, die sich frei fallend im Leeren bewegen, weichen von ihrer geraden Bahn so gering wie nur möglich ab: paulum tantum quod momen mutatum dicere possis. Die Abweichung ist nec plus quam minimum. Was so absonderlich klingt, ist nichts anderes als eine erste Annäherung an die Infinitesimalrechnung. Das clinamen ist eine Abweichung, die mit der Differentialrechnung zu erfassen ist – die im Französischen als méthode des fluxions bezeichnet und so mit physischen Erscheinungen definiert wird: mit Strömungen, mit Fließungen. Lukrez vergleicht sie mit den Regentropfen, die einmal dahin einmal dorthin fallen.

 

Michel Serres führt die Unverständlichkeit des lukrezischen clinamen darauf zurück, daß man es  in die Festkörperphysik integrieren wollte. Aber es geht um ein paralleles Fallen von Lamellen, das sich in einen Wirbel verwandelt – unter welchen Bedingungen? (siehe 11f.)

 

„Das clinamen ist die kleinste faßbare Bedingung für das Zustandekommen einer Turbulenz. Cicero in De finibusatomorum turbulentia concursio . . . 

Was Lukrez sagt ist wahr, das heißt treu gegenüber dem Phänomen: die Turbulenzen erscheinen stochastisch auf dem laminaren Fließen. Warum? Ich weiß es nicht. Wie? Zufällig für den Raum und für die Zeit. Und was ist das clinamen? Der minimale Winkel für die Bildung eines Wirbels, der zufällig auf einem laminaren Fließen erscheint.. . .

 

Man muß demnach eine Garbe von Parallelen zeichnen. Und an einem Punkt des Flusses oder des Wasserfalls einen kleinen Winkel markieren und von ihm ausgehend eine Spirale. [Michel Serres meint auch, daß mit Zeichnungen manches Problem besser dargestellt wird. (Anm. W. S.)] Und in dieser Bewegung treffen die Atome, die bislang getrennt waren, aufeinander: atomorum turbulentia concursio. Der Text verweist dann noch auf eine Mathematik, auf eine Differentialrechnung, auf eine große Zahl, auf ein Textcorpus, das dem Modell inhärent ist. Man muß noch einen Mann suchen, der dieses Corpus gedacht und geschrieben hat. So beginnt die Arbeit der Physik.  So weit das Protokoll.“ (13ff.)

 

Den kleinsten Winkel gibt es zwischen einer Kurve und ihrer Tangente und damit ist man bei der Differentialrechnung angelangt, der sich eben Demokrit und Archimedes genähert hatten, indem sie sich mit der Bestimmung des Inhalts von Flächen und Körpern wie etwa von Rotationskörpern, Kegeln und Zylindern, beschäftigt haben. Von Archimedes stammt eine verlorene Abhandlung über die Berührung des Kreises oder der Kugel, wo er gegen eine Meinung des Protagoras argumentiert, der dachte, die Gerade berühre den Kreis in mehreren Punkten. Was geschieht in der engsten Nachbarschaft zwischen der Kurve und ihrer Tangente? Oder, wenn man das Phänomen symmetrisieren will, in der Berührung zwischen zwei Kreisen?

Für die Tangenz und für die Kontingenz? Die Physik ist eine Angelegenheit von Winkeln. (Siehe 18f.)

 

„Das Atom hat seinen Geburtsort in der Behandlung von Kurvenelementen, im Irrationalen und Differenzierten oder unendlich Teilbaren – aufgrund einer augenblicklichen Entscheidung zum Stehenbleiben. Und das gilt vor allem für den minimalen Winkel, für das „Winkel-Atom“, für jenen ersten Winkel, dessen Vorstellung lange Zeit der Kritik so monströs erschien, und die doch logischer und evidenter ist als diejenige des Atoms. Daß man nämlich den Kontingenzwinkel nicht unterteilen kann: er ist nachweislich minimal. Er beträgt null – und doch überlagern sich die Linien, die ihn bilden, nicht. Er ist sozusagen „atomischer“ – als das Atom. …

Es gibt keinen Atomismus ohne declinatio.“ (19)

 

Walter Seitter