τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

* * *

Freitag, 2. Mai 2025

De anima / Peri psyches lesen - 20/2 ( 415b 15 – 416b 11)

Aristoteles – 23. April 2025 – Protokoll

[ Karl ist entschuldigt / verhindert. Nächstes Treffen: Mittwoch 7. Mai 2025 ]



Vorbemerkungen (RK):

[ Zunächst möchte ich einen Rückblick auf bisherige Ausführungen zur Bestimmung der Seele geben. Dabei gehe ich zurück an den „Anfang der Untersuchung“: S. 75 / Zeile 23: ]

Unterscheidung „Beseeltes“ / „Unbeseeltes“ im Hinblick auf »Lebendig-Sein«: dabei gibt es „vielfache Weisen von Lebendig-Sein“:

- „Vernunft“

- „Wahrnehmung“

- „Ortsbewegung“

- „Stillstand“

- „Nahrungsaufnahme“

- „Schwinden und Wachstum“ – „in die entgegengesetzte Richtung wachsen und schwinden“ / „nach oben“ / „nach unten“ / „gleichmäßig in beide Richtungen und nach allen Seiten“ / „und zwar fortwährend“

Um „lebendig zu sein“ genügt bereits eine dieser „Weisen“.

Diese „Weisen“ werden als „Vermögen“ bzw. als „Prinzip“ bestimmt.

Dazu kommt noch, dass bei diesen „Entitäten“ einzelne Weisen „abgetrennt“ werden können / was aber bei den „sterblichen Lebewesen unmöglich“ ist.

Dabei wird noch unterschieden: „Lebendig zu sein kommt also allem, was belebt ist, durch dieses Prinzip zu; Lebewesen (zu sein) aber zuerst durch die Wahrnehmung“.

Und als erste Wahrnehmung kommt allen (Lebewesen) der Tastsinn zu.“

[ jetzt werden Beispiele, einzelne Fähigkeiten dieser „Vermögen“ sowie Kombinationen aufgeführt... ]

Tastsinn“ / „Tastwahrnehmung“ haben alle Lebewesen.

Und es wird noch einmal präzisiert und gebündelt: „Die Seele ist Prinzip dieser genannten Tätigkeiten und ist durch diese definiert als Ernährungsvermögen, Wahrnehmungsvermögen, Denkvermögen oder (Orts-) Bewegung.“ (bis 413b)

Ob aber jedes einzelne davon Seele ist oder Teil der Seele, und wenn es Teil ist, ob es auf solche Weise (Teil ist), dass er nur dem Begriff nach abtrennbar ist oder auch dem Orte nach, ist bei einigen von ihnen nicht schwer zu sehen, bei manchen bereitet es aber Schwierigkeiten.“

Und immer weiter: „Wahrnehmung, dann auch Vorstellung und Strebung. Denn wo es Wahrnehmung gibt, dort gibt es auch Schmerz und Lust. Und wo es diese gibt, gibt es notwendig auch Begierde.“ (bis Zeile 24)

[ Skeptisch war ich bezüglich der Einbeziehung der „Vernunft“, aber dazu kommt jetzt noch eine kritische Anmerkung: ]

Über die Vernunft und das Vermögen der theoretischen Betrachtung ist noch nichts klar, es scheint aber eine andere Gattung von Seele zu sein, und diese allein scheint abgetrennt werden zu können, so wie das Ewige vom Vergänglichen.“ Wie auch die Unterscheidung von „Wahrnehmen“ und „Meinen“.

Die „Verschiedenheit unter den Lebewesen“ ergibt sich daraus, ob alle oder nur einzelne „Vermögen“ zutreffen. „Wissenschaft“ und „Seele“ sind zu unterscheiden. (414a, Zeile 7)

Und nach einigen Beispielen jetzt die subtile Unterscheidung: „Die Seele ist aber das, wodurch wir primär lebendig sind und wahrnehmen und denken – sie dürfte folglich eine Art Begriff und Form sein, nicht aber Materie und das Zugrundeliegende.“ (bis Zeile 14)

[ Hier folgen Aussagen zu Körper und Seele, auf die man schon dringend gewartet hat: ]

Da, wie wir gesagt haben, die Substanz auf dreifache Weise ausgesagt wird, nämlich erstens als Form, zweitens als Materie und drittens als das aus beiden Zusammengesetzte, wovon die Materie Vermögen und die Form der Vollendung ist, (und) da das aus beiden Zusammengesetzte Beseeltes ist, ist nicht der Körper die Vollendung der Seele, sondern sie ist (die Vollendung) eines bestimmten Körpers.“ (Zeile 19)

Und deswegen liegen diejenigen richtig, die meinen, die Seele existiere weder ohne Körper noch sei sie ein bestimmter Körper; denn sie ist kein Körper, sondern etwas des Körpers, und deswegen kommt sie im Körper vor, und zwar in einem Körper von bestimmter Beschaffenheit.“ (bis Zeile 22)

Und nicht so wie die früheren Philosophen sie in einen Körper einfügten, ohne zusätzlich zu bestimmen, in welchen und von welcher Beschaffenheit, obgleich es nicht einmal den Anschein hat, dass jedes Beliebige Beliebiges aufnimmt. So aber ergibt es Sinn: Denn die Vollendung eines jeden Dinges kommt von Natur aus in das dem Vermögen nach Vorhandene und die ihr geeignete Materie hinein. Dass die Seele also eine Art von Vollendung und Begriff dessen ist, das ein Vermögen hat, ein solches zu sein, ist hieraus klar.“ (S. 81, bis Zeile 28)



Kapitel 3: Hier werden die verschiedenen „Vermögen der Seele“ gebündelt und kurz abgehandelt:

- „Ernährungsvermögen“,

- „Strebevermögen“,

- „Wahrnehmungsvermögen“

- „Vermögen zur Ortsbewegung

- und „Denkvermögen.“ (414a, bis Zeile 33)

[ Ausgehend von diesen fünf elementaren Vermögen der Seele werden sie nun auch „psychologisch“ bezeichnet in der Richtung, wie sie mehr als 2000 Jahre später in der Psychoanalyse kulminieren: hier zunächst aber nur in den Begriffen Strebung, Begierde, Mut, Wunsch, Lust, Leid. ]

Aber auch die unmittelbarer physiologischen Seiten werden genannt: Wahrnehmung der Nahrung, Tastsinn, trocken/feucht, kalt/warm, Schall, Farbe, Geruch/Geschmack. (414b, bis Zeile 13)

Und nun die begrifflichen Logiken der Figuren der Vermögen. (414b weiter 415a)

[ Dies kulminiert in „Überlegung und Denken“, wobei die betreffende „theoretische Vernunft“ hier aufgeschoben wird. In Andeutungen und Beispielen werden aber kurz begriffslogische Fragen erörtert, aber auch die Spezifitäten der einzelnen „Vermögen“ für sich genommen und im Zusammenhang. ]

[ Das ausführlichere Kapitel 4 setzt methodisch / logisch ein: ]

Es ist notwendig, dass derjenige, der über diese (Seelenvermögen) Untersuchungen anstellen will, von jedem einzelnen von ihnen herausfindet, was es ist, und dann bei den anschließenden und den übrigen weiterforscht. Wenn es aber nötig ist anzugeben, was jedes einzelne von ihnen ist, etwa was das Denkvermögen ist oder das Wahrnehmungsvermögen oder das Ernährungsvermögen, so ist vorher noch anzugeben, was das Denken und was das Wahrnehmen ist. Denn die Wirklichkeiten und Tätigkeiten sind dem Begriff nach früher als die Vermögen. Wenn sich dies aber so verhält und man noch vor diesen deren Gegenstände betrachtet haben muss, so soll man diese aus demselben Grund vorher eingeteilt haben, wie Nahrung, Wahrnehmungsgegenstand und Denkgegenstand.“ (S. 87/89, Zeilen bis Ende 414b)

[ Aber dabei darf das „Göttliche“ nicht zu kurz kommen: ] „Lebewesen“ bzw. „Gewächse“, „damit sie am Ewigen und am Göttlichen teilhaben, soweit es ihnen möglich ist. Denn alle (lebendigen Wesen) streben nach jenem (Göttlichen), und um seinetwillen tun sie alles, was sie von Natur aus tun.“ (415b...)

[ Damit endet hier aber auch schon der Ausflug ins „Göttliche“: ]

Die Seele ist Ursache und Prinzip des lebendigen Körpers.“

[ Aber damit ist es nicht genug: ]

Diese werden jedoch auf vielfältige Weise ausgesagt. Und ebenso ist die Seele dreier der unterschiedenen Weisen Ursache:

- Sie ist das Woher der Bewegung,

- das Worum-willen,

- und auch als die Substanz der beseelten Körper ist die Seele Ursache.“

[ 415b, Zeilen 10 usw., und immer schön »philosophisch«, mit einem Verweis auf Fehleinschätzungen von Empedokles – und am ausführlichsten zur Nahrung – 415b und 416b ]

- [ Schlicht: ] „(...) Deswegen kann man ohne Nahrung nicht existieren.“

- [ Und in etwas lausiger ›philosophischer‹ Diktion: ]Die Nahrung aber stellt das für das Wirklich-Sein Erforderliche bereit.“ (416b, 20)

[ Bei solchen Sätzen kann ich mir Aristoteles nicht anders als listig über die Köpfe der Zuhörer*innen blinzelnd vorstellen ... ]

[ Das hindert aber nicht daran, dass ] „die Verdauung durch Wärme bewerkstelligt wird“ [ was gelegentlich zur Gasbildung führt... ]

[ mit der weitreichenden Schlussfolgerung: ] „Deswegen hat alles Beseelte Wärme.“ (Zeile 29)

[ Durchaus findig wird nun das Kapitel 5 eröffnet – mit Überlegungen zur „Wahrnehmung“: ]


Sitzung vom 23. April 2025

Walter erinnert daran, dass das Protokoll bald nach jeder Sitzung verfasst und verteilt werden sollte: (1) eine Zusammenfassung des gelesenen Abschnitts von Aristoteles und (2) wichtige Ausführungen, die nicht direkt zum Text gehören.

Im Zentrum des Abschnitts 416a steht die Nahrung: Der Seele wird das Vermögen zur Ernährung und zur Zeugung zugeschrieben. Teils empirisch, teils kategorial ergibt sich die Frage, inwiefern sich „Gleiches durch Gleiches ernähre“ (416a, Zeile 30), oder umgekehrt „sich das Entgegengesetzte durch Entgegengesetztes ernähre“, „da Gleiches von Gleichem nicht affizierbar sei, die Nahrung aber einen Umschlag bewirke und verdaut werde und der Umschlag für alle Dinge in den entgegengesetzten Zustand bzw. in den dazwischenliegenden verlaufe. (416b)

Ferner erleidet die Nahrung etwas von dem, was sich ernährt, dieses aber nicht von der Nahrung ist (...).“ (Fortsetzung 416b)

Insofern sie (die Nahrung) nämlich unverdaut ist, nährt sich das Entgegengesetzte durch das Entgegengesetzte, sofern sie aber verdaut ist, das Gleiche durch das Gleiche, so dass klar ist, dass beide auf gewisse Weise recht haben und nicht recht haben.“ (Zeile 7 bis 9).

Die Schlussfolgerungen daraus sind aber nur zum Teil abgeleitet und verständlich: „Da sich aber nichts ernährt, was nicht am Leben teilhat (?), dürfte der beseelte Körper das Sich-Ernährende sein, insofern er beseelt ist, so dass auch die Nahrung im Verhältnis auf ein Beseeltes, und zwar nicht auf akzidentielle Weise.“ (Zeile 10-13)

[ Kurze Ausführungen und Argumente sind schon in obigen Absätzen umrissen... – Hier sind die Schlussfolgerungen mehr oder weniger einsichtig bzw. kryptisch: ]

(...) Es (das Beseelte) bewahrt nämlich seine Substanz und besteht so lange, wie es sich ernährt; und es ist auch fähig, Zeugung zu bewirken, nicht vom Sich-Ernährenden, sondern von einem, das so ist wie das Sich-Ernährende; seine eigene Substanz existiert ja bereits, und nichts erzeugt sich selbst, sondern erhält sich (nur).“ (Zeile 13 bis 18)

Folglich ist das derartige Prinzip der Seele ein Vermögen, das seinen Besitzer erhält, insofern er ein solcher ist. Die Nahrung aber stellt das für das Wirklich-Sein Erforderliche bereit. Deswegen kann man ohne Nahrung nicht existieren. Da es aber dreierlei gibt, das Sich-Ernährende, das, wodurch es sich ernährt, und das Nährende, so ist das Nährende die erste Seele, das Sich-Ernährende der sie besitzende Körper und das, wodurch er sich ernährt, die Nahrung.“ (bis Zeile 23)

[ Diese unterschiedlichen physiologischen Beschreibungen von Vorgänge bzw. Abhängigkeiten könnten auch wie eine Metaphorik der Seele erscheinen. ]

[ Im folgendem Kapitel 5 werden dann – ohne Übergang – Wahrnehmungen angesprochen, die dem näher kommen, wie die Seele spätestens seit dem 19. Jahrhundert thematisiert worden ist... ]

Parallel zum Text von Aristoteles wurde eine ganze Reihe von Kommentaren und Assoziationen angesprochen:

- Für das „Soziale“ erinnert Walter an den griechischen Begriff „socein“ (?) im Sinn von Retten und Erhalten. „Erhalten“ als „weiter Existieren“.

- Aus Anlass von Ostern: Was musste da von Jesus „gerettet“ werden?

- „Rettung“ findet statt, wenn etwas (Schädliches) passiert ist...

- Für den Hunger ist das Essen die Rettung.

- Unbeseelte Körper werden als „Ding“ bezeichnet. Aber der Stein hat keine Seele.

- Walter erinnert daran, dass es auch den „Animismus“ gibt, der alles beseelt. Im Animismus wird auch der Stein beseelt sein!

- Die Skala von Mensch – Pflanze – Sein, bzw. von „niedrigeren“ Lebewesen (innerhalb einer ganzen Reihe von Tierarten).

- Aristoteles geht dabei auch auf die Pilze ein...

- Von Vorgängen / Prozessen geht es dann zu Wörtern und ganzen Sätzen...

- „Tiere haben eine Seele“ / und der Einwand, dass dies alles (auch) Sprachregelungen sind.

- Walter geht zurück zur Grundfrage: Was meinen wir mit „Seele“? Die katholische Seele... Die christliche Seele hat eine Heilsgeschichte. Etwas ist glücklich/fraglos gegeben; Schritt 2 ist ein Unheil, auf das im Schritt 3 die „Rettung“ antwortet ...

- Bei Aristoteles gibt es erste Brücken zur „psychoanalytischen Seele“ (siehe oben).

- Aristoteles kennt keine „Sünde“. Sünde bzw. „Schuld gegen jemanden“ setzt ein „Ich“ voraus.

- Zeugen – Erhalten – Retten

- Es gibt dabei immer das „Vorhergehende“: Der Zeugende muss selbst gezeugt worden sein. Die „Gebärende muss geboren worden sein“...

- Zeugung / männlich – weiblich ...

- „insofern“ ist eine Worterfindung von Aristoteles (Walter)

- „als ob“ mit starken Anklängen an Heidegger (Sophia)

- Walter: „Ernährung ist die Einverleibung eines Fremdkörpers“ (z.B. Brot).

- Daran schließt sich eine kurze skeptische Diskussion zu „Nahrung“ an: eine „Nahrung verschlingen“ / Walter abstrakter: „einen anderen Körper“...

- Das geht über in die Polarität „passiv – aktiv“. In diesem Sinne wäre „das Gegessene“ passiv – und wird dann aktiv ...

- Walter: Fragen zur „ersten Seele“ (Kapitel 4, Zeile 22). Die Seele in ihrer niedrigsten Form / unterste Seele / „primäre Seele“



[ ENDE PROTOKOLL / Rudolf Kohoutek ]



 

De anima / Peri psyches lesen - 20 ( 415b 15 – 416b 11)

De anima / Peri psyches lesen  19 ( 415b 15 – 416b 11)

23.April 2025


Wir haben soeben gelesen (415b 8ff.), dass die Seele eine Art physis ist, die
verantwortlich für die Art und Weise, wie ein Lebewesen ist, zeichnet, und ist somit
ursächlich für das Sein. Im ersten Buch der aristotelischen Metaphysik (A, Kap. 3) wird
konstatiert, dass es vier mögliche Arten gibt, wonach die Ursache [aition]
unterschieden werden kann: zunächst werden ‚die Substanz‘ sowie das ‚Was es war
zu sein‘ genannt ( – „das Sosein […], denn das Warum wird zuletzt auf den Begriff der
Sache zurückgeführt, Ursache aber und Prinzip ist das erste Warum“ – Übersetzung
v. Hermann Bonitz), zweitens die Verbindung mit dem ‚Stoff‘ und das ‚Zugrunde-
liegende‘, zum dritten kommt es auf das ‚Woher‘ (der Anfang der Bewegung) an und
viertens handelt es sich um das letzte Ziel, das Weswegen [oû éneka] und das Gute
[tágathón] – denn dies ist das Ziel [télos] allen Werdens und der Bewegung.
Von dieser Stelle der Abhandlung (Peri Psyches, Buch II, 415b 15) an sowie in den
nächsten Zeilen wird die Funktion von Seele als letzter Zweck (oû éneken)
hervorgehoben. Aristoteles führt hier eine Analogie zum Tun des ‚nous‘ ein, der gemäß
der Natur eines Dings / einer Sache agiert – denn das Ziel seiner Natur ist das Ding
selbst / die Sache selbst. Ebenso geschieht es in Verbindung mit der Seele, nachdem
das letzte Ziel für die Lebewesen die Verwirklichung der Seele, ihrer Natur nach, ist.
An diesem Punkt der Analyse stellt sich eine Differenzierung in Bezug auf das letzte
Ziel heraus und dies findet in zweifacher Hinsicht statt: zum einen ‚um dessen Wille‘
[to te oû] etwas geschieht und zum anderen ‚um wessen Willen‘ [to ô] es geschieht
(415b 21), oder anders gesagt, es handelt sich bei der Formulierung ‚oû éneka‘ (415b
20 f.) sowohl um das ‚Ziel‘ als auch um dies, wofür es ‚Ziel‘ ist. In Folge wird betont,
dass die Körper nur ein Werkzeug der Seele seien, denn die Seele ist die originäre
Ursache der Bewegung in Bezug auf den Ort. (415b 22), was allerdings nicht allen
lebenden Wesen zukommt – wie beispielsweise den Pflanzen und manchen anderen
Lebewesen. Hier haben wir eine interessante Wendung in Bezug auf die
Wahrnehmung. Nach Aristoteles gibt es keine ‚aisthesis‘ (Wahrnehmung) ohne die
Teilhabe der Seele, zudem ist Wahrnehmung eine Art der Veränderung (415b 24) und
Veränderung ist bekanntlich eine ‚Bewegung‘ (vgl. oben, dritte Ursachen-Bedeutung).
In einem kritischen Exkurs zur Empedokles‘ Lehre betreffend das Wachsen der
Pflanzen, entwickelt Aristoteles im Kontext der Nahrungsaufnahme seine eigene
Position in Bezug auf die Stofflichkeit, Schwere, Leere, Wachstum und Schwinden.
Auch an diesem Koinzidenzpunkt stellt sich heraus, dass die Seele Ursache des
Wachsens und Nährens ist und aus diesem Grund unternimmt der Philosoph den
Versuch herauszuarbeiten, in welcher Hinsicht ‚Seele‘, ‚Ernährung‘ und ‚Zeugung‘
zusammenhängen. Zwischen den verschiedenen Umwandlungsformen oder der
Wechselwirkung zwischen den Materialien – Nahrung / Genährtes oder Baustoff /
Tischler. Von Bedeutung scheint hier der Wandel aus Passivität zur tätigen Handlung
zu sein und beide Formen werden notwendigerweise den Lebewesen
beziehungsweise den beseelten Körpern zugesprochen. (416b 2-11).

Sophia Panteliadou

Mittwoch, 26. März 2025

De Anima - Peri Psyches lesen 19 - 415a 24 - 415b 14

 

19. März 2025


Im Buch I hat Aristoteles  verschiedene ältere Ansichten über das Wesen der Seele, ihre verschiedenen Arten und ihre Zusammensetzung referiert. Zuvor hat er auch festgestellt, daß die Seele Gegenstand verschiedener Zugänge und folglich auch Thema  für unterschiedliche Disziplinen und  Spezialisten sein kann  - etwa für den Naturforscher oder den Dialektiker. Oder auch für den Techniker oder den Mathematiker oder den Ersten Philosophen.  So 403a 29ff..  Damit schneidet er ein wichtiges Kapitel an: die Differenzierung zwischen verschiedenen menschlichen Leistungen (poetischen, praktischen, kontemplativen), den jeweils bestimmte Wissenschaftsgattungen zugeordnet sind. 

 

Wenn er dann seine eigenen Definitionen und Unterscheidungen formuliert,  sagt er nicht dazu, in welcher Eigenschaft er das gerade tut; man kann aber unterstellen, daß  er sich der Vielschichtigkeit des Gegenstandes bewußt ist, weshalb jede einzelne Fragestellung nur eine partielle ist. Aber auch dessen, daß eigentlich  die Inhaber der Seelen, die beseelten Wesen, die Lebewesen, die lebenden Körper   untersucht werden - und daß dazu auch die Menschen gehören und folglich auch er selber. 

Diese Selbsteinbeziehung wird von Aristoteles nie ganz außer Acht gelassen und vielleicht ist das eine Differenz, die ihn von der modernen Naturwissenschaft trennt, die sich seit dem  17. Jahrhundert durchgesetzt hat . Vielleicht hat Rudolf Kohoutek mit seinem Hinweis auf die Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston in diese Richtung gedeutet. Allerdings hat sich der „Aristotelismus“, der bis ins 17. Jahrhundert dominiert hat, auch nicht bewährt; er hat die Forschung eher blockiert.


Unsere Aristoteles-Lektüre sollte kein Aristotelismus sein, keine schlichte Aristoteles-Verehrung, wir können ihn zwar verehren, aber das wäre zu wenig. Wir sollten in unterschiedlichen Richtungen etwas leisten - nicht bloß „jubilieren“ (Bruno Latour).

Aristoteles fragt nach den Leistungen, durch die sich die verschiedenartigen Lebewesen auszeichnen. Er sagt „Werke“ und meint damit  wahrnehmbare Tätigkeiten mitsamt Ergebnissen.

Die ersten und gemeinsten Leistungen  sind Ernährung und Zeugung.

Es empfiehlt sich, diese sehr bekannten Leistungen gelegentlich noch primitiver zu formulieren als Aristoteles das tut. Ernährung ist Einverleibung von Fremdkörpern durch einen Körper. Solche Fremdkörper sind etwa für die Pflanzen das Wasser. Bei der Aufnahme von  Licht und von Erde ist es schon schwieriger, von Einverleibung zu sprechen, denn die Aufnahme ist selektiv - es wird nicht einfach von außen etwas genommen und eingebaut. Es wird nicht gebaut sondern genommen und verwandelt, zu sich verwandelt. Aristoteles nennt das „Verbrauch“.

 Verwandlung zu sich - transsubstantiatio in se ipsum.


Sozusagen die Gegenrichtung ist die Zeugung oder Fortpflanzung .

Aber dazu sind nach Aristoteles nicht alle Lebewesen fähig, sondern nur die vollkommenen Exemplare, die nicht verstümmelten, die nicht verletzten.

Aristoteles imaginiert nicht eine hundertprozentig vollkommene Welt, sondern hat auch Begriffe für die unvollkommenen Mitglieder  der Welt. Hier ein anderes Wort als dasjenige im Buch V der Metaphysik,  das zu den dreißig Hauptbegriffen zählt und das von allen anderen Lesern der Metaphysik sorgfältig verschwiegen, übersehen, ignoriert worden ist. Von Aristoteles jedoch in seiner kosmologischen Tragweite ernstgenommen worden ist. Siehe Walter Seitter: Aristoteles betrachten und besprechen (Metaphysik I-VI) (Freiburg-München 2018): 210-212. (Im übrigen hat dieses Buch nur eine Abbildung nämlich die Aristoteles-Skulptur am Rande des Aristoteles-Platzes in Thessaloniki, die vom Bildhauer deutlich mit Verletzungen gezeichnet, ausgezeichnet worden ist; op.cit.: 219-222).

Außer den verstümmelten Lebewesen sind noch andere unfähig zum Zeugen; nämlich die „automatisch“ oder „von selber“ entstandenen - eben die selber nicht durch richtige Zeugung entstandenen. 

Was aber ist „richtig zeugen“?

to poiesai heteron hoion auto - ein anderes machen wie es selber (414a 28),

ein Tier ein neues Tier, ein junges Tier, eine Pflanze eine neue Pflanze, eine ganz kleine, die groß werden soll.

Ich wage es, die kurze aristotelische Serienbildung ein bißchen zu verlängern und voranzuschreiben: ein Mensch einen Menschen. Lacan nennt das: le petit d’homme.

In der Metaphysik, die auch Physik ist und nicht nur  Meta, hämmert Aristoteles mehrfach den Satz „der Mensch zeugt einen Menschen“ (1070a 31)

Das ist ein Machen, nach dem die poietischen oder Herstellungswissenschaften (z. B. Poetik, Heilkunde, Weinmischungskunstlehre) benannt sind. Die einschlägige Wissenschaft wäre die Zeugungskunstlehre: wie macht man richtig ein Kind?

Die Menschen machen das Zeugen sexuell, also bisexuell oder amphigonisch, und nicht monogonisch. Wahrscheinlich wird die Zeugungskunstlehre über die Sexualwissenschaft noch hinausgehen müssen  und auch in die Ökonomik einmünden, die praktische Lehre zum richtigen Haushalten. 

Und dann noch die Angabe des übergeordneten Zwecks, der damit erreicht werden soll: 

sie tun das, damit sie am Immerdar und am Göttlichen teilhaben, soweit sie das können. Das Göttliche wird dazugesagt, dazugedacht - soll aber der Grund sein für das allgegenwärtige sichtbare, hörbare, riechbare und so weiter weiter und weiter pflanzen und zeugen und gebären.

Sie, alle die -  tun das, soviel  ich weiß, hat Aristoteles es auch getan, denn er war nicht so verletzt wie sein bronzener Abguß, den verletzten Abguß bekam er nur,  weil er derartige Verletztheiten nicht verschwiegen sondern ausgesprochen hat. 

Und diese „alle“ werden anschließend neu verbalisiert: panta  (415b 1).


Und was machen die Übersetzer? Alle - außer Klaus Corcilius und dem Neugriechen - schreiben  
„alles“.  Sie schreiben einfach „alles“ - so als ob ich jetzt geschrieben hätte: alles schreibt ….. 

Ich aber gewähre auch denen, die katastrophal-singularistisch schreiben „alles“,  den Plural, der ihnen zusteht, obwohl sie ihn eigentlich nicht verdienen , weil sie ihn anderen - den Tieren, den Pflanzen - absprechen.


Und was tun diese alle? Jetzt spricht Aristoteles deutlicher aus, daß sie die oben dazugesagte Teilhabe anstreben, sie streben nach jenem. Und Aristoteles verallgemeinert:  alle tun das, was sie tun,  der Natur gemäß um jenes willen. 

Das „Worumwillen“ ist der aristotelische Spezialausdruck für den Zweck, der durch eine Bewegung oder Handlung, durch eine herstellende oder eine gebrauchende Kunst erreicht werden kann oder soll. 


Hier geht es um die Immerwährendheit, die den Menschen versagt ist - das heißt alle Menschen, auch die wohlgeratenen, leiden an einer Schwäche und Unvollkommenheit, nämlich an der Sterblichkeit, gegen die sie immerhin eine Kommentierung ins Werk setzen können: die Fortpflanzung, also die Erzeugung neuer Individuen, die Erzeugung einer Kette aus ähnlichen Gliedern, die weiterreicht und in der sie sich selber eine Dauerhaftigkeit verschaffen können - wenngleich eine sehr gebrochene, immer wieder unterbrochene , aber doch auch weiter gehende - die immerhin bis zudem jetzt  Lebenden geführt hat. 

Aristoteles konstruiert einen Zusammenhang zwischen den gut ausgestatteten aber immer noch hinfälligen Menschen, die im Hinblick auf ein dauerhaftes Wesen eine gebrochene Dauerhaftigkeit zustande bringen. Diesem dauerhaften Wesen spricht er Göttlichkeit zu. Aber seine Erscheinungskraft scheint so  schwach zu sein, daß ihr von seiten der Menschen nachgeholfen werden muß, indem sie es bewundern und gebrochen nachahmen. 

Indem die Menschen das göttliche Wesen bewundern und nachahmen, stützen sie seine prekäre Erscheinungskraft.


Mit der Aussage, das Leben sei das Sein der Lebewesen (415b 13) fügt Aristoteles seiner Ontologie eine notwendige Ergänzung hinzu. Die Seinsweise der Menschen wird zur Ontologie hin aufgeschlossen. Und jetzt setzt Aristoteles anstatt des substantivierten Partizips „das Seiende“ den Infinitiv „das Sein“ ein,   der sich flüssiger, weicher anfühlt.  

Literatur: Peter Heuer:  Leben als Sein (2024)







Dienstag, 18. März 2025

De Anima / Peri psyches lesen – 18 ( 414b, 20 – 415a, 23)

 

Mittwoch, den 05. März 2025


Dieser Abschnitt beginnt Aristoteles mit einem Vergleich des Begriffs (logos) der Seele mit dem der Figur (schematos).

Denn es gibt für Aristoteles keine Figur neben dem Dreieck und den anschließenden Figuren, so gibt es auch keine Seele neben den genannten Vermögen. Auch will er auf einen gemeinsamen Begriff aller Figuren verzichten, weil er keinen der existierenden Dinge eigentümlich ist, gemeint ist wohl keine Idee einer Figur ohne konkrete Figur.

Mit der Seele verhält es sich ähnlich wie mit den Figuren, den wie im Viereck das Dreieck enthalten ist, so ist im Wahrnehmungsvermögen das Ernährungsvermögen enthalten. Doch damit haben wir den Vergleich schon verlassen, denn die Vermögen bilden eine Reihe, das Wahrnehmungsvermögen ist ohne Ernährungsvermögen nicht denkbar, aber das Ernährungsvermögen trennt sich bei den Pflanzen von dem Wahrnehmungsvermögen. Auch innerhalb des Wahrnehmungsvermögens gibt es einen notwendigen Aufbau, der Tastsinn kommt ohne die anderen Elemente der Wahrnehmung vor, daher ist er die Voraussetzung für die Wahrnehmung, das Sehen, Hören und Riechen folgen danach. Es folgt die Ortsbewegung, als Seelenvermögen, und dann in der geringsten Zahl die Überlegung und das Denken (logismon kai dianoian). Denen diese Vermögen zukommen, kommen auch alle anderen zu, obwohl einigen die Überlegung abgesprochen wird und ihnen nicht einmal die Vorstellung (phantasia) zugemutet wird.


Ich muss unterbrechen, denn diese Hierarchie stört mich spontan, und ich widerspreche mit einer Umkehrung, nämlich das die pflanzliche Seele die perfekte sei, denn sie ist die einfachste und kommt ohne die anderen Lebewesen aus. Alle zusätzlichen Seelenvermögen sind nur Notlösungen, um die eigenen Schwächen und Abhängigkeiten von den anderen Lebewesen in der Ernährung zu überwinden, je mehr Vermögen, desto prekärer die Situation.

Walter Seitter stimmt mir in seiner Art zu und spricht bei den sich auftürmenden Seelenvermögen von einer zunehmenden Fragilität und Neigung zur Krankheit, die bei Gott die höchsten Fragilität erreicht, nämlich den Tod.


Aristoteles will mit den Untersuchungen zu den Seelenvermögen weiterfahren und klären was jedes Einzelne der Vermögen ist. Dazu muss man angeben können, was das die Ernährung, das Wahrnehmen und das Denken jeweils ist. Für Aristoteles sind die Wirklichkeiten und Tätigkeiten dem Begriff nach früher als die Vermögen, daher muss sich die Betrachtung auf die Gegenstände richten, wie die Nahrung, den Wahrnehmungsgegenstand und den Denkgegenstand.


Eine etwas andere Dreiheit als die von Walter gerne erwähnte Dreiheit des Denkens, Wahrnehmens und Sagens, aber es ist auch ein Dreieck der Seelenvermögen.


Karl Bruckschwaiger

Mittwoch, 5. März 2025

De Anima / Peri psyches lesen 17 (414a 4 - 414b 19)

    

19. Februar 2025

414a 4  -    414b 19                                                                                                                                       

Aristoteles setzt seine feine ich will sagen analytische und geradezu erkünstelte Unterscheidungstätigkeit fort.


Er unterscheidet in dem Satzfragment  „wodurch wir leben und wahrnehmen“ zwei formale Aspekte und führt als Vergleichsbeispiele noch  zwei andere   „wodurch . . . . . “ an, die ebenfalls zwei Tätigkeiten betreffen: "wodurch wir wissen" und "wodurch wir gesund sind". 


Wissen tun wir (tun als Modalverb ist eine Spezialität der österreichischen Umgangssprache,  die Anglophonen praktizieren das  ständig) einerseits durch das Wissen, andererseits durch die Seele. Gesund sind wir einerseits durch die Gesundheit, andererseits durch den Körper.


Wissen bzw. Gesundheit  werden mit den Begriffen „Gestalt“, „Form“, „Begriff“, „Tätigkeit“ assoziiert. Damit wird „gesundsein“ sozusagen offiziell als ein „tun“ qualifiziert - was für den Wunsch nach Gesundheit   vermutlich eine sinnvolle Lektion darstellt. 


Der eingeschobene Satz, der mit dokei gar  beginnt und mit energeia  endet, ist mir nicht recht klar. Übersetzung von Krapinger: „Denn die Tätigkeit des Bewirkenden scheint ja dem davon Betroffenen  und dazu Disponierten innezuwohnen.“ (414a 12)


Dann aber Rückkehr zum eigentlichen Thema.


Die Seele ist das, wodurch wir leben, wahrnehmen und denken -  und gehört damit wie oben gesagt zur Ebene von Begriff und Form, nicht zu Materie und Zugrundliegendem.


Diese Unterscheidung wird sodann in eine sehr allgemeine Begriffsebene eingeordnet - mit der Aussage, das "Wesen wird dreifach ausgesagt“.


Die wiederum klingt wie eine Abwandlung des Grundsatzes der Ontologie - „Das Seiende wird vielfach ausgesagt“, mit welchem  Grundsatz eine Dimension der Ontologie initiiert wird: diejenige, die das Seiende in die Kategorien zerfällt, von denen eine das „Wesen“ heißt (die anderen sind die neun Akzidenzien).


Die drei Versionen des Wesens sind die Form und die Materie und die Verbindung der beiden. 

Der Materie entspricht die Möglichkeit, der Form die vollendete Wirklichkeit. 


(Möglichkeit und Wirklichkeit bilden eine weitere Dimension der Ontologie; neben dem Einen und den vielen; neben Entstehen und Vergehen) 


Und diese Verbindung nennt Aristoteles hier das Beseelte - folglich ist die Seele und nicht der Körper die vollendete Wirklichkeit. 


Die Seele ist die vollendete Wirklichkeit eines bestimmten Körpers - weshalb diejenigen, die annehmen, die Seele könne nicht ohne Körper sein, sei aber selber nicht Körper,  richtig annehmen. Aristoteles schreibt: „schön annehmen“  - denn bei den antiken Griechen war „schön“ ganz eng mit „richtig“ und „gut“ verbunden. 


Die Seele wohne in einem bestimmten Körper - und für den setzt Aristoteles hier auch das Wort „Phänomen“ ein, denn ein bestimmter Körper ist einer, der so oder so erscheint. Der Bezug zur Wahrnehmung läuft da immer mit - auch das wird von dem Gebrauch des Wortes „schön“ angezeigt. Andererseits entspricht genau das der Vernunft - hierfür steht da logos, also weniger ein Erkenntnisvermögen als vielmehr eine Proportion, die mehrere Größen auf einander bezieht. 


Was aber die Seelenvermögen betrifft, so sind einige bei einigen Lebewesen vorhanden - nicht bei allen. Ernährungs-, Wahrnehmungs-, Strebungs-, Bewegungs- und Denkvermögen kommen eher den Tieren zu, weniger  den Pflanzen. In der Wahrnehmung geht es um Lust und Schmerz - daher ist sie mit Wunsch und Begierde verbunden. Im Wahrnehmungsvermögen ist das Ernährungsvermögen enthalten - die entsprechenden Begierden sind der Hunger und der Durst, die auf Trockenes und Feuchtes, Warmes und Kaltes aus sind. 


Das Vorstellungsvermögen wird erst nachträglich erwähnt, seine Untersuchung aber auf später verschoben. Einigen Lebewesen wird das Denkvermögen und der Geist zugesprochen. Dianoetikon und nous.  Im Griechischen werden beide mit derselben Wortwurzel bezeichnet: das erste als Vermögen zu einer  Tätigkeit, die schrittweise vorgeht, der zweite als eher intuitives Vermögen: Vermögen zur noesis.


Diese beiden werden den Menschen zugesprochen und eventuell oder hypothetisch noch einem ähnlichen anderen Wesen, das noch ehrwürdiger ist - sofern es ein solches gibt. Damit wird wohl auf dasjenige Wesen  angespielt, das im Buch XII der Metaphysik zunächst vorsichtig aber dann doch fast enthusiastisch geschildert und sogar gefeiert wird. 


Dieses Wesen wird mit den Menschen zweifach verglichen: es sei ihnen ähnlich und und sei noch ehrwürdiger. Es ist also von einer ungefähren Gleichheit die Rede und von einer Steigerung. 


Pflanze, Tier, Lebewesen, Mensch, Gott - mit solchen Wörtern, die keineswegs von Aristoteles erfunden worden sind, werden  Realitätssorten  bezeichnet (nicht Seinsmodalitäten  wie Wesen, Akzidenz, Möglichkeit, Wirklichkeit, ein, viele). 


Walter Seitter