Nehmen wir an, das
Einzelding werde durch zwei Prinzipien gebildet: die Form (morphe, eidos oder
ousia) und den Stoff (hyle). In welchem Verhältnis stehen die zum Einzelding?
Sind sie daneben, dabei oder darin? Aristoteles verwendet die
Präpositionen „neben“ und „bei“; das „darin“ scheint er zu implizieren, wenn er
sagt, das Einzelding oder das Gesamtding „ist diese beiden“ (999b 24).
Allerdings erscheinen die Ausführungen in diesem Abschnitt keineswegs klar.
Vielleicht deswegen, weil wir uns mitten in den Aporien befinden.
In der neunten Aporie
geht es um die Anzahl der Prinzipien. Sind sie eines – so entweder der Art nach
oder der Zahl nach. Beide Annahmen widersprechen dem, was wir von Aristoteles
wissen. Ein einziges Prinzip der Zahl nach: das würde heißen: ein strikter
Ursach-Monismus etwa so wie das Wasser für Thales oder ein einziger
Schöpfergott wie im Alten Testament. Aber Aristoteles diskutiert diese Frage
gar nicht so grob-weltanschaulich. Sondern er formalisiert sie zu
erkenntnistheoretischen und logischen Widersprüchen und als konkretes Beispiel
nimmt er nun anscheinend das, was er gerade schreibt, nämlich diese oder jene
Silbe, die aus Buchstaben besteht.
Es sieht so aus, als würde
Aristoteles Streitfragen, die bekannt sind, sozusagen als Schulbeispiele
vorführen und im Schnellverfahren abhandeln. Von einem wirklichen Durcharbeiten
dieser Streitfragen, das er am Anfang des Kapitels postuliert hat, merkt man
wenig.
Walter Seitter
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