In
der Metaphysik lesen (BUCH VII (Z), 1035a 22 – 1035 b 24)
Holobionten
Aristoteles (A)
Bönitz, Hermann (HB)
Koch (K)
*Panteliadou
(*P)
Seitter (S)
Singer, Peter (PS)
Stegmann, Ulrich (US)
Gliederung
Spezietistik
Telesemantik
Zirkeleien
Prinzip Seele
I. Spezietistik
S sagt: Ich bin
Spezietist! Nicht in kritischer Verwendung wie bei PS, der intelligenten Tieren
in der menschlichen Gesellschaft Tierrechte einräumt, und der dem Speziezimus
des Menschen die Diskriminierung aller anderen Lebewesen vorwirft. Ich bin
Spezietist im einfachen aristotelischen Sinn, dass wir in der Natur immer die
Fortschreibung von Spezien sehen. Ein Mensch bringt immer nur einen Menschen
hervor, ein Reh immer nur ein Reh.
*P sagt: Aber es gibt
doch unterschiedlich konditionierte Spezien, hybride und transformative Formen.
S sagt: Nein, die Natur
funktioniert quasi so, als hätte sie A gelesen; alle physischen Dinge sind
zwingend zusammengesetzt aus Stoff und Form; dieser Hylomorphismus ist auch die
Grundlage der Fortpflanzung der Lebewesen, bei der A dem männlichen Geschlecht
die zeugende Rolle zuschreibt. Die heutige Biologie anerkennt den Speziezismus
immer noch im Begriff der genetischen Information.
K sagt: Aber die
Übernahme der mathematischen Informationstheorie in diesem umgangssprachlichen
Begriff ist in der Philosophie der Biologie doch höchst umstritten. In der
Biologie stellt sich seit Jahren die Frage, ob es überhaupt genetische
Entitäten irgendwelcher Art gibt, die Informationen enthalten.
US sagt: Die Natur
mentaler Repräsentationen ist eines der hartnäckigsten Probleme in der
Philosophie des Geistes. Ob Gene Informationen enthalten, hängt davon ab, wie
der Ausdruck Gen definiert wird. Für Biologen repräsentieren Gene manche ihrer
Wirkungen, und sie speichern Informationen, die richtig oder falsch umgesetzt
werden können. [Der Begriff der genetischen Information, in: Philosophie der
Biologie, stw 1745, 2005].
K sagt: Das ist weit
entfernt von unserem Alltagsbegriff, wonach Information ja nicht grundsätzlich falsch
sein kann. Der Begriff »genetische Information« ist also entweder ein
Missverständnis oder eine Metapher der Genetik, jedenfalls kein Stützargument
für den Speziezismus. Ich kann auch keinen essentiellen Unterschied zwischen
der Position der Spezietisten (A, S) und Position der Antispeziestisten (PS)
erkennen. Beide führen in die Natur eine intelligible Struktur ein: die einen
mit der Gerichtetheit des Lebens, mit dem Telos der Fortpflanzung, der andere
mit der Zuschreibung von kognitiven Fähigkeiten an die Lebewesen. Ich kann
damit nichts anfangen. 1977 druckte ZUT, das Organ der italienischen
Maodadaisten, das Gedicht eines 13jährigen Korrespondenten ab, in dem es u.a.
heisst:
Die Wissenschafter
sagen,
dass zwischen Mensch und
Tier
die Intelligenz steht,
aber für mich ist das
nicht so.
Die Intelligenz
existiert nicht.
Sie ist nur ein Weg,
eine neue Art Rassismus
zu schaffen.
Niemand ist intelligent.
II. Teleosemantik
*P sagt: Der Finger...
S sagt: Ja, was ist
damit?
*P sagt: A sagt, der
Finger werde durch das Ganze des Körpers definiert (1335b 4). Dann kommt da
eine Zeitlichkeit mit herein. Was ein Teil des immateriellen Begriffs ist, sei
früher als das Ganze, was Teil des Stoffs ist, aber sei später. Damit wäre der
Begriff des Fingers vor dem Körper da, das Fleisch aber nachdem das Körperganze
bereits existiert, es wächst aus ihm heraus.
S sagt: »Früher« und
»später« sind bei A nicht zeitlich gemeint, sondern im Sinn von primär und
sekundär, von bedeutend und minder bedeutend.
K sagt: Vielleicht
passen da auch die Ausdrücke basal/ nicht basal, oder mehr seiend/ weniger
seiend, wie ja über Form und Stoff in der Gestalt bereits in Buch VII.3 (1029a
7) ausgesagt ist.
*P sagt: A sagt, der
abgeschnittene, tote Finger ist nur der Ausdrucksgleichheit mit einem lebenden
Finger nach noch ein Finger (1035b 24), aber eigentlich, also real, ist er das
nicht mehr.
S sagt: Zunächst folgt
im Text das Beispiel des Kreises. A sagt, dass der Kreis ausdrucksgleich
bezeichnet wird, weil es für das einzelne Ding keinen eigenen Ausdruck gibt
(1035a 36). Was heißt das? Er spricht von zwei Modalitäten des Kreises: dem
allgemeinen Kreis und dem konkret vorliegenden Kreis. Weil wir für letzteren,
den konkreten Kreis, kein eigenes Wort haben, ja, weil wir grundsätzlich für
keinen einzelnen Kreis je wo ein Wort haben, gewinnt der theoretische Begriff
erst seinen Wert. Der Rückgriff auf die Funktion des Ausdrucks, die
gleichmachende Wirkung seines Merkmals, verhindert es schließlich auch, dass
der Begriff, im Gegensatz zum Stoff, zerlegt werden kann. A sagt: Das
Stofflose, dessen Begriff nur Begriff der Form ist, geht überhaupt nicht
zugrunde (1035a 28). Form ist nicht vernichtbar, sie bleibt ewig.
III. Zirkeleien
K sagt: Der eherne
Kreis, der in Abschnitt 7 noch heftig als Beispiel strapaziert wurde (1032a 5),
ist im Abschnitt 8 einer Metallkugel gewichen. Von der »Rundheit am Erz« ist
auf diese Weise weiterhin die Rede, auch wenn dem Kreis nun, im Abschnitt 10,
die geometrischen Segmente als sein eigentlicher Stoff zugeschrieben werden
(1035a 13). Dass A für den Metallkreis den Ausdruck Ring nicht gekannt haben
soll, ist freilich schwer zu glauben.
*P sagt: ...oder Scheibe
oder Platte, wenn der Kreis flach ist.
S sagt: In der Tat,
merkwürdig! A sagt, es gibt keinen eigenen Ausdruck für den einzelnen Kreis,
aber wir haben für seinen ehernen Kreis sogar mehr als einen: Ring, Scheibe,
Platte, Münze.
*P sagt: In der
Definition des Teils und des Ganzen ist jetzt auch von Prinzipien die Rede, im
Originaltext: Archē (1035a 24).
S sagt: Und erstmals ist
in der Metaphysik auch von einer Teilung von Begriffen die Rede (1035b 6), auch
das ist verwirrend und neu. Das Prinzip muss wohl im erkenntnistheoretischen
Sinn verstanden werden. Der ganze Kreis ist ein Prinzip des Halbkreises (1036b
9), genauer: jenes Formprinzip, für das A vier Synonyme kennt, als wichtigstes
davon: die Formursache. Unter dem rechten Winkel versteht A das Ganze; und den
spitzen Winkel versteht er als Teil des rechten Winkels im stofflichen Sinn
(1035b 7).
IV. Prinzip Seele
S sagt: Das Lebewesen
setzt A im gegenständlichen Abschnitt aus Körper und Seele zusammen, wobei er
die Seele als das »Wesen des Beseelten« [in der HB-Übersetzung: »Wesen des
Belebten«] definiert und in drei theoretische Bestandteile gliedert (1035b 15):
– begriffliches Wesen
– Form
–
Was-es-ist-dies-zu-Sein [Wesen-was, Wesen der Sache]
Damit wird die Seele als
die höchste Form eines jeden lebenden Dinges eingesetzt. A bekräftigt und
erweitert an dieser Stelle den animistischen Gedanken um eine Dreigliederung,
den er bereits in Buch V.8 brutal ausgesprochen hat: Die Seele ist das Wesen
des Körpers (1017b 17).
Wir müssen mehr an
unserem Erinnerungsvermögen bei der Lektüre arbeiten.
Protokoll: K, Wien,
18.4.18
Nächste Sitzung am 25.4.2018
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