τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Sonntag, 21. Oktober 2018

In der Metaphysik lesen (BUCH VII (Z), 1040b 20 – 1041a 5)

    Wir kommen noch einmal auf die zuletzt gelesene Stelle 1039b 28ff. zurück, wo die sinnlich erfassbaren Wesen aus der Wissenschaft ausgeschlossen werden, und stellen sie 1037a 13ff. gegenüber, wo die Betrachtung und sogar die Definierung solcher Wesen der Wissenschaft der Physik zugeordnet wird, welche sogar als Philosophie bezeichnet wird und bekanntlich von Aristoteles selber in einer umfangreichen Vorlesung abgehandelt worden war. Aristoteles scheint also wichtige Aussagen in widersprüchlicher Form zu machen und wir können sie in diesem Fall so verstehen, dass er verschiedene Phasen der seit Sokrates und Platon in Gang gekommenen Diskussion einfach festschreibt. 1037a 13ff. dürfte seiner eigenen Position entsprechen.

Wenn ich „seiend“ als das Grundwort und „Wesen“ als einen Hauptbegriff der aristotelischen Ontologie bezeichne, so will ich damit die beiden unterschiedlichen Ebenen auseinander-halten, welche diese Ontologie gliedern. „Seiend“ ist sehr vieldeutig, es zerfällt in viele Seinsmodalitäten, deren dominante das Wesen ist und daneben gibt es noch die Akzidenzien.

Mit dem Wesen sind Vermögen und Vollendung verbunden. Zu den Wesen gehören die Grundstoffe wie Erde, Feuer, Luft – siehe Buch V, 
1017b 10.

Mit dem Seienden geht das Eine Hand in Hand und weder das Seiende noch das Eine können das Wesen der Dinge sein.

Mit der Engführung von Seiendem und Einem wird indessen jenes aus seiner bisher so betonten Vielfältigkeit herausgeholt und es gewinnt einen stärkeren ontologischen Status in Richtung Ursächlichkeit und Prinzipialität – sodass seine Allgemeinheit eine eigene Existenz zu bekommen scheint. Etwa im Sinne eines mächtigen „Seienden“ oder eines emphatischen „Seins“?

Doch Aristoteles äußert sich nicht in dieser Richtung, vielmehr betont er neuerlich, dass nur die Wesen existieren und zwar immanent in jeder Hinsicht: „Denn das Wesen kommt keinem anderen zu als ihm selbst und dem, das über Wesen verfügt und dessen Wesen es ist.“ (1040b 24)

Die Vertreter der Ideenlehre schließen aus der Verschränkung von Seiendem und Einem, dass es außer den sinnlichen Wesen auch unvergängliche Wesen gibt – die aber seien nichts anderes als die Urbilder der vergänglichen und insofern der Art nach gleiche. Über den Menschen gebe es das „Selbstmensch“ und außer den Pferden das „Selbstpferd“. So hatte Aristoteles schon in Buch I, 991a 28ff. die platonische Lehre charakterisiert: als Verdoppelung der irdischen Welt.

Für Aristoteles hingegen erschließen sich die ewigen Wesen auf zwei Bahnen: einerseits haben wir von ihnen eine gewisse eventuell auch sinnliche Erkenntnis, die aber nicht vollständig ist; und selbst wenn wir nicht wüssten, was sie sind, wäre es notwendig anzunehmen, dass es solche Wesen gibt. Also eine merkwürdige Kombination aus sinnlicher Andeutung und notwendiger Annahme.

Dem letzten Abschnitt konnten wir entnehmen, dass Aristoteles jene Wesen für individuelle Wesen im starken Sinn, für Unikate, hält. Und ihre Funktion besteht nicht darin, den vergänglichen Wesen ihr Wesen zu liefern. Die natürlichen Dinge bekommen ihr Wesen von den „Eltern“ mitgeteilt, die künstlichen Dinge bekommen sie von den „Künstlern“.

Walter Seitter

PS.
Dazwischen ist Raum für vielerlei Akteure und Produzenten.



Sitzung vom 17. Oktober 2018

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