Mittwoch,
den 26. Juni 2024
Im
hier behandelten Abschnitt des Kapitel 2 vom 1. Buch wird weiter auf
Bestimmungen der Seele durch seine Vorgänger eingegangen.
Aristoteles stellt fest das Anaxagoras die Seele mit der Vernunft
(nous) gleichsetzt, aber zugleich als das Bewegende selbst ansieht,
was in der Behauptung deutlich wird, dass die Vernunft das All in
Bewegung setzt. Allgemein sagt Aristoteles, das diejenigen, die vor
allen die Bewegung des Beseelten beachten auch annehmen, dass die
Seele Ursache der Bewegung sei.
Diejenigen,
die sich mehr auf das Erkennen und Wahrnehmen der seienden Dinge
(onton) durch die Seele konzentrieren, würden demnach eine
oder mehrere Prinzipien behaupten, die aus den Elementen genommen
werden. Empedokles wird als Beispiel angeführt für die Behauptung,
die Seele besteht aus allen Elementen (stoicheion), wovon
jedes Einzelne auch Seele sei. Dazu bringt Aristoteles ein
Originalzitat von Empedokles wo nicht nur Erde, Wasser, Feuer und
Äther mit demselben Stoff erkannt werden, sondern auch Liebe und
Streit, die keine körperliche Elemente sind, aber doch Prinzipien
(archon), die Körper bewegen können.
Einen
ähnlichen Isomorphismus zwischen Seele und Beseelten, wie es
Corcilius formuliert, sieht Aristoteles auch im Timaios von Platon am
Werk, wo „Gleiches mit Gleichen“ erkannt wird und die Dinge
(Pragmata) aus den Prinzipien bestehen würden. Hier erwähnt
Aristoteles eine Vorlesung von Platon „Über Philosophie“, die in
den von mir eingesehenen Kommentaren nicht einmal erwähnt wird,
worin sich die Zahlentheorie der Ideen bei Platon dargelegt sein
soll. Das Lebewesen-Selbst besteht aus der Idee des Einen Selbst und
der ersten Länge und Breite und Tiefe. Dann führt er eine zweite
Version der Prinzipienlehre an, nämlich dass die Vernunft das Eine
ist und Wissen die Zwei. Das erinnert sehr an die sogenannte
ungeschriebene Lehre von Platon, wo die Vielfalt der Ideenlehre auf
zwei Prinzipien zusammengefasst werden soll, die Eins und die
unbestimmte Zwei. Darüber hat sich Aristoteles an drei Stellen in
der Metaphysik und an einer Stelle in der Physik geäußert. Weder im
Handbuch Platon, noch im Wikipedia-Artikel zur „ungeschriebenen
Lehre Platons“ ist von einer Stelle in „De Anima“ die Rede. Ist
diese Stelle so unwichtig, immerhin gibt zwei Schulen, die sich mit
der Rekonstruktion der ungeschriebenen Lehre beschäftigen, die
Tübinger und die Mailänder Schule. Wie auch immer, Aristoteles
fährt fort, dass die Zahlen in dieser Sicht als Ideen und Prinzipien
bezeichnet werden, aber sie bestehen aus Elementen, die teilweise
durch die Vernunft, teils durch Wissen (episteme), aber auch durch
Meinung und Wahrnehmung beurteilt werden.
Wenn
die Ideen die Zahlen der Dinge sind und die Seele sowohl beweglich
wie auch des Wahrnehmens fähig ist, haben einige aus der Schule
Platons daraus die Seele als sich selbst bewegende Zahl
zusammengeflochten, wie sich Aristoteles ausdrückt.
Ohne
weitere Besprechung der Zahlen wendet sich Aristoteles einer
Einteilung nach Art und Anzahl der Prinzipien zu, die die Seele
ausmachen, wobei er zuerst einen Unterschied zwischen körperlichen
und unkörperlichen Prinzipien feststellt, und auch von Leuten
spricht, die diese Prinzipien mischten. Nun stellt Aristoteles fest
dass seine Vorgänger in der Menge der Prinzipien uneins sind. Die
Prinzipien, die zum Bewegen befähigen angenommen werden, werden auch
zu den Prinzipien der Seele.
So
scheint für Demokrit das Feuer als Prinzip zu gelten, weil es das
unkörperlichste und feinteiligste Element ist, das sowohl bewegt
wird, wie auch andere Dinge bewegen kann. Seele und Vernunft seien
wie das Feuer aus unteilbaren und kugelförmigen Körper aufgebaut,
die wegen ihrer Gestalt am leichtesten beweglich seien.
Anaxagoras
scheint Seele und Vernunft als verschieden anzunehmen, beide sind von
derselben Natur und ersetzt die Vernunft am meisten als Prinzip an,
wobei er Erkennen und Bewegen diesem Prinzip zuordnet, denn
Aristoteles zitiert den Satz: Die Vernunft hat das All in Bewegung
gesetzt.
Auch
Thales hat die Seele als etwas zum Bewegen Fähiges aufgefasst, denn
er soll gesagt haben der Magnetstein hätte Seele, weil er das Eisen
bewegt. Hier gibt es einen zweifelnden Anklang bei Aristoteles, den
er fügt die Zwischenbemerkung ein, soweit dies überliefert ist.
Diogenes
nimmt die Luft als Prinzip an, weil sie durch die Feinteiligkeit
bewegen könne und weil die übrigen Dinge aus ihr bestehen würden
und dadurch erkannt werden könnten. Heraklit erkennt das Prinzip der
Seele im aufsteigenden Dunst, aus dem die anderen Dinge
zusammengesetzt sind. Dieses Prinzip ist am am unkörperlichsten und
ständig im Fluss, und Bewegtes werde durch Bewegtes erkannt.
Damit
kommt Aristoteles zu Alkmaion und dessen Vorstellung der Seele als
unsterblich, weil die Seele den Unsterblichen gleicht und auch immer
in Bewegung sei. Das mag als ein Sprung erscheinen von der Luft als
Prinzip zur Unsterblichkeit, aber die diese Eigenschaft wird aus
einer Ähnlichkeit mit den Göttern abgeleitet. Denn das Göttliche
ist ständig in Bewegung, sonne, Mond und Sterne und der ganze
Himmel.
Der
nächste Schritt ist überraschend wertend, wenn er plötzlich von
den plumperen Denkern wie Hippon spricht, die das das Wasser als
Prinzip annehmen. Aristoteles meint das sie aus der Beobachtung, das
der Samen bei allen feucht sei, und damit spricht er sich gegen das
Blut als Seele aus, ein Ansicht die Kritias vertreten habe. Der
Hintergrund scheint die Wahrnehmungsfähigkeit der Seele zu sein, die
der Natur des Blutes am meisten zukommt. Mich enttäuscht diese
Abwertung des Wassers als Prinzip in zweifacher Weise, erstens weil
es die am meisten biologische Erklärung wäre und das Wasser
Ausgangspunkt alles Lebens ist, und zweitens weil es ein Verrat am
Beruf seines Vaters zu sein scheint, der Arzt war und für den
Wasser, Samen und Blut wesentlichen Stoffe seiner Heilkunst sein
mussten.
Die
Aussage, das Luft und Feuer feinstofflicher seien, kann kein Argument
gegen das Wasser sein und die Dinge in Bewegung zu setzen, gilt für
das Wasser mindestens im selben Ausmaß wie für die anderen
Elemente, auch wenn heute die meisten Autos von Feuer betrieben
werden.
Aristoteles
kommt zuletzt zum Element der Erde, für die sich kein Vertreter
gefunden hätte, außer die, die Seele aus allen Elementen bestehen
lassen.
Die
Seele besteht bei allen aus drei Merkmalen: Bewegung, Wahrnehmung und
das Unkörperliche, die auf die Prinzipien zurückgeführt werden.
Wird die Seele durch das Erkennen definiert, wird sie aus den
Elementen bestehend gedacht, da die Seele alles erkennt, und Gleiches
nur von Gleichem erkannt werden kann.
Einzig
Anaxagoras setzt die Vernunft als Seele an, die nichts mit den
anderen Dinge gemeinsam habe, aber Aristoteles kennt die Art des
Erkennens und den Grund dieser Beschaffenheit nicht.
Zum
Schluss kommt Aristoteles noch die zu sprechen, die Gegensätze zu
den Prinzipien zählen und daher die Seele aus Gegenteilen bestehen
lassen, wie das Warme und das Kalte, oder nur eines davon. Gerade
diese sollen sich an die Etymologie (onomasin) halten und das
Warme vom Lebendig-sein herleiten, die anderen halten die Seele für
das Kalte wegen des Einatmens und der damit verbundenen Abkühlung.
Hier wird der der Ausdruck für Lebendig-sein (zên) von
Ausdruck für kochen (zein) und der Ausdruck für Seele
(psychê) vom Adjektiv „kalt“ (psychron)
hergeleitet.
Diese
Onomastik, das Studium der Namen, ist zwar nicht einer historischen
Etymologie getragen, mehr von einer einer assoziativen Sehnsucht, ein
dahinter stehendes Wort, ein wahres Wort (étymos logos) zu
finden, das durch seine Verbindung einer lautlichen Ähnlichkeit
etwas Prinzipielles aufleuchten läßt.
Seele
übrigens ist dem See zugehörig, also dem Wasser, wo die Seele
herkommen und nach dem Tod zurückkehren. Im Wasser werden die Seelen
aufbewahrt, aber davon wusste Aristoteles wohl nichts.