τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Mittwoch, 13. November 2024

De Anima / Peri psyches lesen 10 - ( 407a, 20 – 408a, 30)

 

Mittwoch, den 30. Oktober 2024


Denn es ist nach Platon notwendig, das die Vernunft dieser Kreis und die Bewegung der Vernunft das Denken und die Bewegung des Kreises der Umlauf des Himmels ist .

Wenn aber das Denken der Umlauf ist, dann folgert Aristoteles, dass die Vernunft der Kreis sein müsste, der diesen Umlauf vollführt. Dieser Umlauf wird nach dem Vorbild der Himmelsgestirne wohl ewig sein, doch es gibt für die praktischen Gedanken (praktikon noeseon) Grenzen, den sie sind um eines anderen willens da, und die theoretischen Gedanken sind entweder Definition oder Beweis. Diese kommen für Aristoteles auch zu einem Ende in der Konklusion. Sie kehren nicht zu ihrem Anfang zurück, sondern schreiten durch Hinzunahme eines Mittel- und Außenterms in eine Richtung fort. Also ist das Denken eher dem Stillstand und dem Anhalten der Bewegung ähnlich.

Wenn die Bewegung nicht die Substanz des Denkens ist, dann wird das Denken gegen seine Natur bewegt. Damit wäre es für die Vernunft besser, nicht mit dem Körper verbunden zu sein. Auf jeden Fall scheint der konstruierte Widerspruch darin zu bestehen, das weder die Substanz der Seele Ursache für die Kreisbewegung des Himmels ist noch die des Körpers, da die Seele akzidentiell von diesem bewegt wird. Dabei fällt wieder einmal das Wort Gott, der die Seele im Kreis bewegt sein lässt, weil das Bewegtsein-sein besser ist. Aber das führt Aristoteles auf ein anderes Themengebiet, das er hier beiseite lassen will. Die Seele hat eben für ihn wenig mit Theologie und mit Gott zu tun.

Aristoteles sieht eine weitere Abwegigkeit (atopon) seiner Vorgänger darin, das sie den Körper nicht bestimmen, der die Seele aufnehmen soll. Es werden zwar verschiedene Relationen angegeben wie, dass etwas bewirkt oder erlitten wird oder dass etwas das andere in Bewegung setzt, aber dank der Unbestimmtheit scheint es möglich zu sein, das eine beliebige Seele in einen beliebigen Körper eintaucht, wie es in den pythagoreischen Mythen vorkommen soll. Aristoteles verwendet eine Formulierung, das jemand behaupten würde, die Baukunst tauche in Flöten ein, bei der heutigen Lehre von der Raumakustik nicht mehr so absurd wie damals.


Neben der Kreisbewegung stört Aristoteles die Rede von der Seele als Harmonie. Harmonie wird allgemein als eine Mischung und Zusammensetzung von Gegenteiligen bestimmt, und der Körper sei auch aus Gegenteiligen zusammengesetzt. Die Seele kann aber es nicht sein, denn die Harmonie kann nicht bewegen, eine Eigenschaft, die der Seele aber von den meisten im höchsten Maße zugeschrieben wird. Deswegen passt die Rede von der Harmonie für Aristoteles besser zur Gesundheit und den körperlichen Tugenden als zu den Leistungen und Affektionen der Seele.

Auch wenn Aristoteles neben der Zusammensetzung von ausgedehnten Dingen auch das Verhältnis der Mischungen als Harmonie anspricht, gilt das dennoch nicht für die Seele. Er widerlegt die Auffassung mit der Annahme, dass es dann viele verschiedene Mischungsverhältnisse geben müsste, und dass auch das Denken, die Wahrnehmung und das Streben eine Zusammensetzung und ein Verhältnis sein müssten. Das erscheint ihm so abwegig wie wie die Vorstellung der Seele als Mischung.

Wenn nun alle Teile des Körpers Mischungen sind und die Seele das Verhältnis dieser Mischungen, dann müsste es viele Seelen in den Körperteilen geben. Da wendet sich Aristoteles an Empedokles, um eine Erklärung einzufordern, ob die Seele ebenso ein Verhältnis der Elemente wie die Körperteile ist und wie sie in die Körperteile hineinkommt.

Nach den aufgezeigten Schwierigkeiten, stellt er sich noch die Frage, was geht zugrunde, wenn die Seele abgeschieden wird, da sie weder die Mischung der Elemente noch das Verhältnis dieser Mischungen ist.

Also kann sich die Seele weder im Kreis drehen noch Harmonie sein.


Karl Bruckschwaiger


Mittwoch, 30. Oktober 2024

De Anima / Peri psyches lesen 9 - (406b, 10 – 407a, 20)

 

De Anima / Peri psyches lesen - (406b, 10 – 407a, 20)


Mittwoch, den 16. Oktober 2024


Nach dem Verlesen des Protokolls möchte Walter Seitter an das Seelenähnliche in der Metaphysik erinnern. Die Seele spielt in der Metaphysik eigentlich keine selbständige Rolle, daher die Suche nach Eigenschaften, die die Seele ausmachen und die den erwähnten Lebewesen zukommen, insbesondere und in vollkommener Weise dem Unbewegten Bewegenden. Eine Seelentätigkeit ist das Denken, die dem ersten Bewegenden besonders zukommt, als Denken des Denkens (noesis noeseos) in Metaphysik, 1074b, 34, die Tätigkeit des Denkens geht auf das Höchste der Vernunft, das Denken selbst und ist daher als seine wirkliche Tätigkeit (energeia) zugleich auch Lust (hedoné) in Metaphysik, 1072b, 17. Danach folgen unmittelbar das Wachsein, Wahrnehmen und Denken als das Angenehmste (hediston – das Wohlschmeckendste), dann erst Hoffnungen und Erinnerungen. Einige Zeilen später fasst die wirkliche Tätigkeit des Denkens als Leben (zoon) zusammen und so kommt Gott das beste und ewige Leben zu und damit auch der Status als Lebewesen. in Metaphysik, 1072b, 29.

Von der Erinnerung an die Metaphysik zurück zur Seele selbst und ihren Bewegungen.

Aristoteles wendet sich im gelesenen Abschnitt dem Problem des Bewegt-werden oder der Selbstbewegung der Seele zu. Es herrscht ein hypothetischer Ton, denn jede Bewegung der Seele würde ein Heraustreten der Seele aus Ihrer Substanz bedeuten, hier steht ousia, mit all den Implikationen wie Seelenwanderung. Die andere Möglichkeit wäre, das die Seele den Bewegungen ihrer ousia folgt und sich nicht selbst bewegt.

Damit kommt Aristoteles, auf die zu sprechen, die eine Bewegung des Körpers durch die Seele annehmen, in einer sehr direkten und physikalischen Weise wie Demokrit. Aber zuerst wird der Komödiendichter Philippos erwähnt, der erzählt haben soll, dass Daidalos eine hölzerne Aphrodite durch das Eingießen von Quecksilber beweglich gemacht hätte. In derselben Weise würden die unteilbaren Kugeln bei Demokrit, den Körper bewegen und ihn in Bewegung setzen. Aristoteles fragt sich in einem Nachsatz, ob dieses Bewegungsprinzip auch Stillstand verursachen kann, und das dies schwer anzugeben sei, wie das möglich sei.

In völliger Naivität bezüglich der Atombewegungen könnte man sich vorstellen, dass sich eventuell genug Bewegungen gegenseitig aufheben und dadurch Stillstand erzeugen.

Aber Aristoteles favorisiert ohnehin andere Bewegungsursachen, nämlich das die Seele die Körper durch Entschluss (proaireseos) und Gedanke (noeseos) bewegt.


Auf dieselbe Weise wird im Timaios eine naturphilosophische (physiologei) Erklärung gegeben, dass die Seele den Körper bewegt. Nur ist bei Platon die Seele stark mit dem Kosmos verflochten und folgt den Umläufen des Himmels. Des weiteren wird die Seele als aus den Elementen zusammengesetzt vorgestellt und gemäß den harmonischen Zahlen aufgeteilt und bewegt sich in zwei verbundenen Kreisläufen, wovon der zweite Kreis noch in sieben Kreise unterteilt ist, die den sieben Planeten entspricht.

Nun widerspricht Aristoteles der Vorstellung, das die Seele etwas Ausgedehntes ist und der damit verbundenen Vorstellung von der gleichen Beschaffenheit der Bewegungen des Kosmos. Denn die Bewegung der sogenannten Vernunft, es ist ja weder die wahrnehmende noch die begehrende Seele, kann kein Kreislauf sein. Für Aristoteles ist die Vernunft einheitlich und kontinuierlich, wie die einzelnen Gedanken. Diese stehen in einer Abfolge wie die Zahl und nicht wie das Ausgedehnte. Die Vernunft hat auch keine Teile und ist nicht auf dieselbe Weise kontinuierlich wie das Ausgedehnte.

Wie soll etwas Ausgedehntes mit mit einem Teil seiner Selbst sich selber denken. Aristoteles spielt noch die Punkte als Teilbares durch, wobei eine andere Aporie entsteht, das man mit unendlich vielen Punkt niemals einen Kreis durchschreiten könne, und dadurch etwas auch unendlich viele Male denken müsste. Es soll möglich sein etwas nur einmal zu denken und nur einmal den Kreis zu berühren, ohne sofort in eine Kreisbewegung zu geraten, wobei man dann unendlich viele Male dasselbe denken müsste.

Aristoteles verschärft das Argument, indem er fragt wie etwas Unteilbares wie die Vernunft etwas Teilbares wie den Himmelskreis berühren kann, und wie etwas Unteilbares mit einem Teilbaren zu denken ist. Den es ist nach Platon notwendig, das die Vernunft dieser Kreis und die Bewegung der Vernunft das Denken und die Bewegung des Kreis der Umlauf des Himmels.


Karl Bruckschwaiger





Mittwoch, 16. Oktober 2024

De Anima lesen/ΠΕΡΙ ΨΥΧΗΣ - 405b 31 - 406b 10

 9.Mai.2024

405b 31 - 406b 10

Zuerst die Frage, ob die Seele überhaupt oder gar wesenhaft mit Bewegung zu tun hat. Im heutigen Verständnis der beiden Begriffe ist der Zusammenhang nicht von vornherein gegeben - denn unter „Seele“ versteht man gewöhnlich die Innerlichkeit des Menschen, während man die „Bewegung“ eher für etwas Physikalisches hält. 

Wir haben schon im  1. Kapitel gesehen, daß bei Aristoteles der Begriff der Seele eine weitgespannte Bedeutung hat. Und jetzt sagt er, es gebe gegensätzliche Ansichten dazu: die Seele könnte als das Bewegende schlechthin aufgefaßt werden - oder aber sie könnte mit Bewegung gar nichts zu tun haben. 

Allerdings ist schon früher gesagt worden,  daß ein Bewegendes selber auch unbewegt sein könne - prominentes Beispiel dafür das sogenannte Unbewegte Bewegende in der Metaphysik. In Bewegung gerät etwas entweder durch ein anderes oder aus sich selbst heraus. Durch etwas anderes bewegt ist  etwas, wenn es sich in einem Bewegten befindet, wie etwa die Schiffer auf einem Schiff, dessen Bewegung eine andere als als die der Schiffer - wobei mir jetzt unklar ist, ob Aristoteles meint, die Schiffer werden einfach mit dem Schiff mitbewegt und insofern durch etwas anderes , oder ob er meint, die Schiffer, die auf dem Schiff arbeiten, vollziehen zusätzlich Bewegungen völlig anderer nämlich kleinteiliger Art.

Nun fragt Aristoteles in Bezug auf die Seele, ob die Bewegung der Seele aus ihr selbst heraus oder durch Teilnahme stattfindet.  

Dann eine  Unterscheidung von vier Arten   von Bewegung - wobei allerdings „Bewegung“ und „Veränderung“ durcheinander zu geraten drohen. Die natürlichen Bewegungen der Seele müßten im Raum stattfinden - doch im Griechischen steht topos und dieses Wort wird von den einen mit „Ort“,  von den anderen mit „Raum“ übersetzt.  Gemeint ist sicherlich nicht ein unendlicher Raum sondern eine Raumzone, von denen es viele geben muß, jeweils eine für einen Körper.   Wenn die Seele sich von Natur aus bewegt, dann hat sie einen Raum  (oder Ort?). Wenn die Seele sich irgendwohin bewegt, dann kommt sie dort zur Ruhe.  Sie kann auch durch Gewalt irgendwohin bewegt - und dort zur Ruhe gelangen. Aber wie diese Bewegungen und Stillstände aussehen, das kann man sich auch nicht mit viel Phantasie erklären. Da sie den Körper bewegt, ist es verständlich, daß sie die Bewegungen, die sie bewirkt, auch selber vollzieht.  Im Griechischen steht für „bewirkt“ und „vollzieht“, immer kinei  - das heißt bei Aristoteles kumuliert            sich die Seelenbewegung über sich selber gleichsam reflexiv. Und daraus ergibt sich, daß die Seele die Ortsveränderungen des Körpers mitmachend folglich sowohl hinein wie auch hinausgehen könne. Woraus sich ergeben könnte, "daß Lebewesen nach ihrem Tode wieder auferstehen müßten“. (406b 5)

Nach diesem doch etwas verblüffenden Satz eine weit gefaßte Analogie zwischen einer Bewegung aus sich heraus und einem Guten, das aus sich heraus gut ist. 
 
Walter Seitter





Montag, 16. September 2024

De Anima lesen 7 - (404b, 8 – 405b, 31)

Mittwoch, den 26. Juni 2024


Im hier behandelten Abschnitt des Kapitel 2 vom 1. Buch wird weiter auf Bestimmungen der Seele durch seine Vorgänger eingegangen. Aristoteles stellt fest das Anaxagoras die Seele mit der Vernunft (nous) gleichsetzt, aber zugleich als das Bewegende selbst ansieht, was in der Behauptung deutlich wird, dass die Vernunft das All in Bewegung setzt. Allgemein sagt Aristoteles, das diejenigen, die vor allen die Bewegung des Beseelten beachten auch annehmen, dass die Seele Ursache der Bewegung sei.

Diejenigen, die sich mehr auf das Erkennen und Wahrnehmen der seienden Dinge (onton) durch die Seele konzentrieren, würden demnach eine oder mehrere Prinzipien behaupten, die aus den Elementen genommen werden. Empedokles wird als Beispiel angeführt für die Behauptung, die Seele besteht aus allen Elementen (stoicheion), wovon jedes Einzelne auch Seele sei. Dazu bringt Aristoteles ein Originalzitat von Empedokles wo nicht nur Erde, Wasser, Feuer und Äther mit demselben Stoff erkannt werden, sondern auch Liebe und Streit, die keine körperliche Elemente sind, aber doch Prinzipien (archon), die Körper bewegen können.

Einen ähnlichen Isomorphismus zwischen Seele und Beseelten, wie es Corcilius formuliert, sieht Aristoteles auch im Timaios von Platon am Werk, wo „Gleiches mit Gleichen“ erkannt wird und die Dinge (Pragmata) aus den Prinzipien bestehen würden. Hier erwähnt Aristoteles eine Vorlesung von Platon „Über Philosophie“, die in den von mir eingesehenen Kommentaren nicht einmal erwähnt wird, worin sich die Zahlentheorie der Ideen bei Platon dargelegt sein soll. Das Lebewesen-Selbst besteht aus der Idee des Einen Selbst und der ersten Länge und Breite und Tiefe. Dann führt er eine zweite Version der Prinzipienlehre an, nämlich dass die Vernunft das Eine ist und Wissen die Zwei. Das erinnert sehr an die sogenannte ungeschriebene Lehre von Platon, wo die Vielfalt der Ideenlehre auf zwei Prinzipien zusammengefasst werden soll, die Eins und die unbestimmte Zwei. Darüber hat sich Aristoteles an drei Stellen in der Metaphysik und an einer Stelle in der Physik geäußert. Weder im Handbuch Platon, noch im Wikipedia-Artikel zur „ungeschriebenen Lehre Platons“ ist von einer Stelle in „De Anima“ die Rede. Ist diese Stelle so unwichtig, immerhin gibt zwei Schulen, die sich mit der Rekonstruktion der ungeschriebenen Lehre beschäftigen, die Tübinger und die Mailänder Schule. Wie auch immer, Aristoteles fährt fort, dass die Zahlen in dieser Sicht als Ideen und Prinzipien bezeichnet werden, aber sie bestehen aus Elementen, die teilweise durch die Vernunft, teils durch Wissen (episteme), aber auch durch Meinung und Wahrnehmung beurteilt werden.

Wenn die Ideen die Zahlen der Dinge sind und die Seele sowohl beweglich wie auch des Wahrnehmens fähig ist, haben einige aus der Schule Platons daraus die Seele als sich selbst bewegende Zahl zusammengeflochten, wie sich Aristoteles ausdrückt.

Ohne weitere Besprechung der Zahlen wendet sich Aristoteles einer Einteilung nach Art und Anzahl der Prinzipien zu, die die Seele ausmachen, wobei er zuerst einen Unterschied zwischen körperlichen und unkörperlichen Prinzipien feststellt, und auch von Leuten spricht, die diese Prinzipien mischten. Nun stellt Aristoteles fest dass seine Vorgänger in der Menge der Prinzipien uneins sind. Die Prinzipien, die zum Bewegen befähigen angenommen werden, werden auch zu den Prinzipien der Seele.

So scheint für Demokrit das Feuer als Prinzip zu gelten, weil es das unkörperlichste und feinteiligste Element ist, das sowohl bewegt wird, wie auch andere Dinge bewegen kann. Seele und Vernunft seien wie das Feuer aus unteilbaren und kugelförmigen Körper aufgebaut, die wegen ihrer Gestalt am leichtesten beweglich seien.

Anaxagoras scheint Seele und Vernunft als verschieden anzunehmen, beide sind von derselben Natur und ersetzt die Vernunft am meisten als Prinzip an, wobei er Erkennen und Bewegen diesem Prinzip zuordnet, denn Aristoteles zitiert den Satz: Die Vernunft hat das All in Bewegung gesetzt.

Auch Thales hat die Seele als etwas zum Bewegen Fähiges aufgefasst, denn er soll gesagt haben der Magnetstein hätte Seele, weil er das Eisen bewegt. Hier gibt es einen zweifelnden Anklang bei Aristoteles, den er fügt die Zwischenbemerkung ein, soweit dies überliefert ist.

Diogenes nimmt die Luft als Prinzip an, weil sie durch die Feinteiligkeit bewegen könne und weil die übrigen Dinge aus ihr bestehen würden und dadurch erkannt werden könnten. Heraklit erkennt das Prinzip der Seele im aufsteigenden Dunst, aus dem die anderen Dinge zusammengesetzt sind. Dieses Prinzip ist am am unkörperlichsten und ständig im Fluss, und Bewegtes werde durch Bewegtes erkannt.

Damit kommt Aristoteles zu Alkmaion und dessen Vorstellung der Seele als unsterblich, weil die Seele den Unsterblichen gleicht und auch immer in Bewegung sei. Das mag als ein Sprung erscheinen von der Luft als Prinzip zur Unsterblichkeit, aber die diese Eigenschaft wird aus einer Ähnlichkeit mit den Göttern abgeleitet. Denn das Göttliche ist ständig in Bewegung, sonne, Mond und Sterne und der ganze Himmel.


Der nächste Schritt ist überraschend wertend, wenn er plötzlich von den plumperen Denkern wie Hippon spricht, die das das Wasser als Prinzip annehmen. Aristoteles meint das sie aus der Beobachtung, das der Samen bei allen feucht sei, und damit spricht er sich gegen das Blut als Seele aus, ein Ansicht die Kritias vertreten habe. Der Hintergrund scheint die Wahrnehmungsfähigkeit der Seele zu sein, die der Natur des Blutes am meisten zukommt. Mich enttäuscht diese Abwertung des Wassers als Prinzip in zweifacher Weise, erstens weil es die am meisten biologische Erklärung wäre und das Wasser Ausgangspunkt alles Lebens ist, und zweitens weil es ein Verrat am Beruf seines Vaters zu sein scheint, der Arzt war und für den Wasser, Samen und Blut wesentlichen Stoffe seiner Heilkunst sein mussten.

Die Aussage, das Luft und Feuer feinstofflicher seien, kann kein Argument gegen das Wasser sein und die Dinge in Bewegung zu setzen, gilt für das Wasser mindestens im selben Ausmaß wie für die anderen Elemente, auch wenn heute die meisten Autos von Feuer betrieben werden.

Aristoteles kommt zuletzt zum Element der Erde, für die sich kein Vertreter gefunden hätte, außer die, die Seele aus allen Elementen bestehen lassen.

Die Seele besteht bei allen aus drei Merkmalen: Bewegung, Wahrnehmung und das Unkörperliche, die auf die Prinzipien zurückgeführt werden. Wird die Seele durch das Erkennen definiert, wird sie aus den Elementen bestehend gedacht, da die Seele alles erkennt, und Gleiches nur von Gleichem erkannt werden kann.

Einzig Anaxagoras setzt die Vernunft als Seele an, die nichts mit den anderen Dinge gemeinsam habe, aber Aristoteles kennt die Art des Erkennens und den Grund dieser Beschaffenheit nicht.

Zum Schluss kommt Aristoteles noch die zu sprechen, die Gegensätze zu den Prinzipien zählen und daher die Seele aus Gegenteilen bestehen lassen, wie das Warme und das Kalte, oder nur eines davon. Gerade diese sollen sich an die Etymologie (onomasin) halten und das Warme vom Lebendig-sein herleiten, die anderen halten die Seele für das Kalte wegen des Einatmens und der damit verbundenen Abkühlung. Hier wird der der Ausdruck für Lebendig-sein (zên) von Ausdruck für kochen (zein) und der Ausdruck für Seele (psychê) vom Adjektiv „kalt“ (psychron) hergeleitet.

Diese Onomastik, das Studium der Namen, ist zwar nicht einer historischen Etymologie getragen, mehr von einer einer assoziativen Sehnsucht, ein dahinter stehendes Wort, ein wahres Wort (étymos logos) zu finden, das durch seine Verbindung einer lautlichen Ähnlichkeit etwas Prinzipielles aufleuchten läßt.

Seele übrigens ist dem See zugehörig, also dem Wasser, wo die Seele herkommen und nach dem Tod zurückkehren. Im Wasser werden die Seelen aufbewahrt, aber davon wusste Aristoteles wohl nichts.


Donnerstag, 20. Juni 2024

De Anima Lesen - Zusatzprotokoll (404 a 26 - 404b 6)

den 29. Mai 2024

Zusatzprotokoll (404 a  26 - 404b  6)


Die genannten Autoren sind Homer, Demokrit, Anaxagoras.

Sie gehen wie die vorhin erwähnten mehr oder weniger davon aus, die Seele und ihre Leistungen in der Nähe des Körperlichen anzusiedeln, aber sie richten ihre  Aufmerksamkeit auf spezifisch menschliche Tätigkeiten - wenngleich nicht ohne Mehrdeutigkeiten.

Am interessantesten wohl die Anaxagoras  zugeschriebene Aussage, der Geist (der vielleicht mit der Seele identisch ist), sei die „Ursache des schön und richtig   (Agierens)“ (404b 2).

Schön und richtig hier adverbial - als Eigenschaften von menschlichem Tun, das damit der Beurteilung ausgesetzt wird. 

Und Aristoteles schreibt sich selber so eine Beurteilungskompetenz zu, indem er seinen historischen Überblick mit der Bemerkung einleitet, er wolle die „richtig gesagten (Dinge)“ von den „nicht richtigen“ unterscheiden. (403b 23).

Dabei handelt es sich um Aussagen, die sich zu den von ihm selber gemachten Aussagen kollegial verhalten: Aussagen ähnlichen Typs über gleiche oder selbe Gegenstände. 

Die Gegenstände heißen Seele - mitsamt angrenzenden Gegenständen wie Körper, Geist. 

Die Aussagen sind solche mit Wahrheitsanspruch - überwiegend im theoretischen Sinn, eventuell im medizinischen Sinn.

Wenn die Seele Ursache von richtigem Verhalten ist, wird wohl sie auch Ursache  von weniger richtigem Verhalten sein. Dann aber erweist sie sich als äußerst mächtige, aber auch gefährliche  Ursache - deren genauere Kenntnis aus pragmatischen Gründen sehr erwünscht wäre, wenn sie möglich sein sollte. 

Diese Selbstbezüglichkeit der Seelenkunde wird von Aristoteles damit angedeutet, daß er sie auf seine Kollegen, seine prominenten, bezieht - und damit kann er auch sich selber nicht aus der Problematik ausschließen. 

Wenn andere Berühmte in diese oder jene Fall getappt sind, warum sollte dann er davon ausgenommen  bleiben?

Und wenn wir selber uns „richtig“ verhalten wollen, dann müssen wir jede Gelegenheit dazu ausnützen.

Zum Beispiel Protokolle schreiben  - gegen das Vergessen. 

Diskutieren - gegen die Gleichgültigkeit. 

Und vielleicht die Entscheidung, die jetzige Lektüre mit dem lateinischen Buchtitel zu benennen, revidieren. Auf den Gedanken hat mich meine Erinnerung an den katastrophalen Kreuzzug des Jahres 1204 gebracht.
 
Walter Seitter