In der Metaphysik
lesen (BUCH VII (Z), 1033b 20 – 1034a 8
Thema ist nach wie vor die Entstehung - die
Entstehung von Sachen, die es nicht schon immer gegeben hat, von Dingen, die
selbständig existieren, von Dingen, die aus Stoff und Form zusammengesetzt
sind. Wolfgang Koch erinnert an 1029a 7, wo gesagt wird, dass die Form „früher
und mehr seiend“ ist als der Stoff und die Verbindung aus beiden.
Nun ist aber das aus beiden Verbundene die selbständig
existierende Substanz, laut Kategorienschrift die Erste Substanz. Welchen
Status hat die Form, die früher und seiender genannt wird? In der Diktion jener
Schrift heißt sie Zweite Substanz und im zuletzt gelesenen Abschnitt wird von
ihr gesagt, dass sie „eidos oder ousia“ genannt wird und dass sie
„nicht entsteht“.
Erste
Substanz
Zweite Substanz
entstanden
unentstanden und früher
zusammengesetzt
aus
Stoff und
Form
unteilbare Form
seiender
selbständig
existierend
unselbständig
„Substanz“
„Essenz“
„beseelter
Körper“
„Seele“
Die Version von ousia, für die die linke Kolonne
steht, ist unserer Erfahrung näher. Die andere Version erscheint eher unklar,
sie ist ein Bestandteil der ersten, gleichzeitig wird ihr ein höherer Rang
zugesprochen. Ich würde sagen, sie ist ein „Rest“ der platonischen Idee, von
der sich Aristoteles distanzieren will, die er aber auch nicht ganz los wird.
Im Absatz 1033b 20ff. schlägt sich Aristoteles mit der
Frage herum, ob die damit gemeinten „Formen“ für die Entstehungen der Wesen
einen Nutzen bringen, und er verneint die Frage. Andererseits bleibt er bei seiner
Ansicht, dass bei der Zeugung eines Tieres eine identische Artform zwischen den
Generationen entscheidend ist, in Ausnahmefällen sogar eine Gattungsform wie
zwischen Pferd und Maulesel (Kreuzung aus Pferd und Esel). Die Bezeichnung für
die Gattungsform, die Aristoteles nicht kennt, lautet heute „Equidae“.
Schließlich wählt Aristoteles eine Formulierung, die
meines Erachtens explizit gegen Platon gerichtet ist, der meine, eine Form als
ein Urbild (Vorbild) anfertigen zu müssen. Mit diesem Anfertigen unterstellt er
ein Konstruieren oder Aufbauen, das von Haus aus fehlgeht, weil der Theoretiker
damit über die reine Theorie hinausgehe. (Dass der Theoretiker notwendigerweise
zum sprachlichen „Bauen“ übergehen muss, scheint Aristoteles hier zu
übersehen.)
Was die Formursache betrifft, so ist sie zwar notwendig
für die Entstehung, aber sie ist in der Wirkursache (Künstler, Vater) enthalten
und man muss sie nicht „extra“ ansetzen. Das Entstandene, also das Ganze, heißt
beispielsweise Kallias oder Sokrates, und besteht aus einer Artform sowie aus
diesem Fleisch und diesen Knochen. Diese sind teilbar, die Form aber unteilbar.
Walter Seitter
Sitzung vom 28. Februar 2018
Nächste Sitzung am 7. März 2018
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