Wenn „Vermögen“ die
Fähigkeit zu aktiver oder passiver Veränderung bedeutet, dann handelt es sich
um eine Gruppe von Seinsmodalitäten, die den Akzidenzien gleichgestellt werden
können (auch wenn sie nicht dazu gezählt werden). Die Ontologie ist die
Wissenschaft von allen durchgängigen Seinsbestimmungen – und da finden
Wesensbestimmungen ebenso ihre Plätze wie Nicht Wesensbestimmungen (allerdings
Plätze in einer gewissen Ordnung).
Bewirken und Erleiden
setzen entsprechende Vermögen voraus, die einander korrelativ gegenüberstehen,
und die wiederum brauchen Träger, die Stoff enthalten und daher den Status von
Wesen oder Dingen haben. Als ein bestimmtes Vermögen nennt Aristoteles die
Wärme, als deren Träger das Wärmende, das muss etwas Dingliches und insofern
Wesensartiges sein - also ein heißer Stein oder die warmen Hände eines Masseurs.
Oder ein anderes Vermögen ist die Baukunst und deren natürlicher stofflicher
Träger der Bauingenieur.
Die Position des
stofflichen Trägers wird von Aristoteles dann noch einmal extra betont, indem
er die Unterscheidung zwischen dem Wärmer und dem Ingenieur weglässt und nur
vom Bewirkenden spricht, der so sehr eines ist, dass er nicht von sich
affiziert wird also auch nicht sich selbst bewirkt. Erleiden oder bewirken kann
er nur, wenn er einem anderen Vermögen oder Wesen gegenübersteht.
Vor allem kann er das
nur, wenn er selber ein stabiles Wesen ist – also „zusammengewachsen“ ist -
womit Aristoteles das „Zusammensein“ und die „Zusammensetzung“ aufgreift, die
er einige Seiten zuvor im Anschluss an Lykophron eingeführt hatte.
Es geht hier um Fähigkeiten,
Stärken, Mächtigkeiten, sowohl aktive wie auch passive. Leider illustriert
Aristoteles seine Unterscheidungen nur mit ganz knappen Beispielen. Umso
erfreulicher, dass er doch auch den Negationen davon - er nennt sie Privationen
- einen kleinen Platz einräumt: den Unvermögen oder Unfähigkeiten, die auch
einige Differenzierungen bekommen.
Den Grundsatz, dass
eine Wissenschaft von bestimmten Sachen immer auch die Wissenschaft von den
Gegenteilen einschließt, wird Aristoteles gleich selber formulieren. Hier haben
wir in aller Kürze ein Beispiel dafür, dass eine Analyse von Fähigkeiten und
Mächtigkeiten mit einer Analyse von Unfähigkeiten und Ohnmächtigkeiten Hand in
Hand geht. Was gerade bei diesem Thema wichtig wäre, weil ein theoretisches
Reden von Macht sich leicht ins Moralisieren erhebt – da könnte die Betrachtung
der Ohnmacht guttun.
Walter Seitter
Seminarsitzung
vom 6. März 2019
Nächste Sitzung am 13.
März 2019
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