Mittwoch, den 22. Jänner 2025
In diesen Abschnitt wechselt Aristoteles von der Erörterung der Seelenvorstellung seiner Vorgänger zu seinen eigenen Bestimmungen in einer fließenden Bewegung.
Die Seele ist die Vollendung eines natürlichen, werkzeughaften Körpers (ein an entelecheia he prote somatos physikou organikou), eigentlich die erste Vollendung (prote) sagt Aristoteles zwei Sätze vor unseren Einsatz und damit ist gesagt, dass die Seele die Substanz (ousia) im Sinne des Begriffs ist (kata ton logon). Man könnte meinen das sein und Vollendung Verschiedenes sein könnten, aber hier ist es im eigentlichen Sinn (to kyrios) die Vollendung. Dieses Was-es-hieß-dies zu sein (to ti en einai) kann nicht der Begriff oder die ousia eines solchen Körper wie das eines Beils sein, sondern der Begriff eines natürlichen Körpers, der das Prinzip von Bewegung und Stillstand in sich trägt.
Der natürliche Körper kann auch ein Teil eines Körpers sein, für das Auge wäre die Sehkraft die Seele, denn diese ist die ousia des Auges. Die Sehkraft ist griechisch opsis, hier macht Walter Seitter einen Exkurs in die Übersetzung der -sis Wörter in deutsche -ung Wörter, indem Falle wäre es die Sehung, was aber nur bei der Vorsehung noch gebräuchlich ist. Das Erstaunliche bei solchen morphologischen Konstruktionen ist, das sie zwar ungewohnt, aber durchaus verständlich sind.
Aristoteles bewegt sich von der Betrachtung eines Teils des Körpers zurück zum gesamten wahrnehmungsfähigen Körper zum sich die Wahrnehmung verhält wie ein Teil zum anderen. Nur der Körper, der dem Vermögen nach lebendig ist, besitzt eine Seele. Dieser so bestimmte Körper, dem Vermögen nach ist auch der Same und die Frucht.
Diesmal mache ich selbst eine Zwischenbemerkung, dass sich Charles Darwin in seinen letzten Werken mit dem Bewegungsvermögen der Pflanzen beschäftigt hat, und in diesem Werk auch die Reaktion von Wurzelspitzen auf Reize beschrieb und dahinter so etwas analog wie Gehirne niedriger Tiere setzte. Er nahm hier ein Seelenvermögen an, das heute wieder in der Pflanzenneurobiologie rehabilitiert wurde.
Das Wahrnehmungsvermögen führt zum Wachsein des Körpers und damit zur Vollendung wie die Sehkraft zur Vollendung des Auges führt, sind die Seele und der Körper das dem Vermögen Seiende und eigentlich nicht trennbar. Nun sind einige Teile des Körpers abtrennbar, aber die Seele bleibt nicht in Ihnen. Aber auch einige Seelenteile sind vom Körper abtrennbar, weil Sie nicht Vollendungen eines Körpers sind.
Zum Schluss dieses Absatzes fragt sich Aristoteles, ob die Seele auf solche Weise Vollendung eines Körpers ist, wie der Seemann die Vollendung eines Schiffes ist. Damit ist wohl das Steuern und Bewegen eines Schiffes gemeint, aber der Seemann kann das Schiff verlassen und wieder betreten, kann das die Seele auch mit dem Körper oder ist Wiederbetreten eines Körpers nicht ein unewünschtes Wiedergängertum.
Karl Bruckschwaiger
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