τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Sonntag, 12. Januar 2025

De Anima - Peri psyches 14 - 412a 1 - 412b 9

 

Protokoll vom 8. Jänner 2025

Über die Seele

412a 1 - 412b 9


Im Ersten Buch hat Aristoteles die Seele als das Prinzip der Lebewesen definiert und sie damit der großen Realitätssorte der Natur zugeordnet. Dann aber die Frage der Seinsmodalitäten aufgeworfen: zu welcher Kategorie gehört sie und ist sie eher eine Möglichkeit oder eine Wirklichkeit? Wieder zurück zu den Realitätssorten: welchen Lebewesen ist eine Seele zuzuschreiben? Dann wieder: welche Funktionen  kann eine Seele ausüben? 

Der Begriff des Wesens scheint auch für die Seele unabdingbar zu sein. Darauf Übergang zum Begriff der Affekte oder Affektionen - also der Gefühle, die auch für uns das Typische der Seele sind. Und sofort die Frage nach der Verbindung mit dem Körper.

Das führt zur Feststellung, daß ganz verschiedene Wissenschaften für die Seele zuständig zu sein scheinen. Der Naturforscher sagte über den Zorn etwas Anderes als der Dialektiker  oder Diskussionsforscher, der  ordnet ihn einem sozialen Konflikt zu. Auch Techniker wie Architekten oder Ärzte scheinen da mitreden zu wollen. Und schließlich erfindet Aristoteles hier auch den sogenannten Ersten Philosophen als weiteren Spezialisten für die Seele - ohne seinen Beitrag spezifizieren zu können.

Sodann eine ausführliche Übersicht über die bisherigen Theorien über die Seele in der Aristoteles bekannten Tradition - also bei den griechischen Vorsokratikern.   Der Begriff der Bewegung spielt da eine große Rolle - aber Aristoteles wendet sich dagegen, die Seele bewege kreisförmig. Sie bewege das Lebewesen durch Entscheidung und  Denken. 

Im Zweiten Buch will Aristoteles die Frage nach der Seele ohne Rückgriffe auf die Überlieferung stellen und beantworten. Doch ganz kann er sich nicht davon abkoppeln: er greift auf seine eigene Denkgeschichte zurück und zwar zunächst auf die Lehre von den Seinsmodalitäten, auf das Wesen, auf Stoff und Form, auf Möglichkeit und vollendete Wirklichkeit, die wiederum teile sich in Wissenschaft und Betrachten - beide sind kognitive Tätigkeiten. 

Rascher Rückgriff auf die Wesen, die zumeist Körper sind, in erster Linie die natürlichen, es muß also auch künstliche geben. Damit ist wiederum die Dimension der Realitätssorten angeschnitten. 



Die vollendete Wirklichkeit eines lebenden Körpers ist Wissenschaft oder Betrachten, welche näherhin der Seele zugeschrieben werden.  Da vollzieht Aristoteles einen Absturz um mindestens ein Stockwerk: wo Seele da auch Schlaf und Wachen. Das Wachen entspricht dem Betrachten, der Schlaf hingegen dem bloßen Haben davon und dem Nicht-Tätigsein. Das Tätigkeit ist der Entstehung nach früher. Daher ist die Seele die erste vollendete Wirklichkeit eines natürlichen Körpers, welcher der Möglichkeit nach Leben besitzt.

Ein solcher Körper ist ein organischer. Das gilt auch für die Pflanzenkörper - deren Wurzel entspricht dem Mund, auch sie besorgt die Ernährung. Eine beachtliche Erweiterung des Oralen, das sich in die Erde hinein bohrt.

Die Frage, ob Seele und Körper eins sind, möchte Aristoteles  lieber durch den Begriff der Vollendung ersetzen.

Walter Seitter




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