De anima / Peri psyches lesen 19 ( 415b 15 – 416b 11)
23.April 2025
Wir haben soeben gelesen (415b 8ff.), dass die Seele eine Art physis ist, die
verantwortlich für die Art und Weise, wie ein Lebewesen ist, zeichnet, und ist somit
ursächlich für das Sein. Im ersten Buch der aristotelischen Metaphysik (A, Kap. 3) wird
konstatiert, dass es vier mögliche Arten gibt, wonach die Ursache [aition]
unterschieden werden kann: zunächst werden ‚die Substanz‘ sowie das ‚Was es war
zu sein‘ genannt ( – „das Sosein […], denn das Warum wird zuletzt auf den Begriff der
Sache zurückgeführt, Ursache aber und Prinzip ist das erste Warum“ – Übersetzung
v. Hermann Bonitz), zweitens die Verbindung mit dem ‚Stoff‘ und das ‚Zugrunde-
liegende‘, zum dritten kommt es auf das ‚Woher‘ (der Anfang der Bewegung) an und
viertens handelt es sich um das letzte Ziel, das Weswegen [oû éneka] und das Gute
[tágathón] – denn dies ist das Ziel [télos] allen Werdens und der Bewegung.
Von dieser Stelle der Abhandlung (Peri Psyches, Buch II, 415b 15) an sowie in den
nächsten Zeilen wird die Funktion von Seele als letzter Zweck (oû éneken)
hervorgehoben. Aristoteles führt hier eine Analogie zum Tun des ‚nous‘ ein, der gemäß
der Natur eines Dings / einer Sache agiert – denn das Ziel seiner Natur ist das Ding
selbst / die Sache selbst. Ebenso geschieht es in Verbindung mit der Seele, nachdem
das letzte Ziel für die Lebewesen die Verwirklichung der Seele, ihrer Natur nach, ist.
An diesem Punkt der Analyse stellt sich eine Differenzierung in Bezug auf das letzte
Ziel heraus und dies findet in zweifacher Hinsicht statt: zum einen ‚um dessen Wille‘
[to te oû] etwas geschieht und zum anderen ‚um wessen Willen‘ [to ô] es geschieht
(415b 21), oder anders gesagt, es handelt sich bei der Formulierung ‚oû éneka‘ (415b
20 f.) sowohl um das ‚Ziel‘ als auch um dies, wofür es ‚Ziel‘ ist. In Folge wird betont,
dass die Körper nur ein Werkzeug der Seele seien, denn die Seele ist die originäre
Ursache der Bewegung in Bezug auf den Ort. (415b 22), was allerdings nicht allen
lebenden Wesen zukommt – wie beispielsweise den Pflanzen und manchen anderen
Lebewesen. Hier haben wir eine interessante Wendung in Bezug auf die
Wahrnehmung. Nach Aristoteles gibt es keine ‚aisthesis‘ (Wahrnehmung) ohne die
Teilhabe der Seele, zudem ist Wahrnehmung eine Art der Veränderung (415b 24) und
Veränderung ist bekanntlich eine ‚Bewegung‘ (vgl. oben, dritte Ursachen-Bedeutung).
In einem kritischen Exkurs zur Empedokles‘ Lehre betreffend das Wachsen der
Pflanzen, entwickelt Aristoteles im Kontext der Nahrungsaufnahme seine eigene
Position in Bezug auf die Stofflichkeit, Schwere, Leere, Wachstum und Schwinden.
Auch an diesem Koinzidenzpunkt stellt sich heraus, dass die Seele Ursache des
Wachsens und Nährens ist und aus diesem Grund unternimmt der Philosoph den
Versuch herauszuarbeiten, in welcher Hinsicht ‚Seele‘, ‚Ernährung‘ und ‚Zeugung‘
zusammenhängen. Zwischen den verschiedenen Umwandlungsformen oder der
Wechselwirkung zwischen den Materialien – Nahrung / Genährtes oder Baustoff /
Tischler. Von Bedeutung scheint hier der Wandel aus Passivität zur tätigen Handlung
zu sein und beide Formen werden notwendigerweise den Lebewesen
beziehungsweise den beseelten Körpern zugesprochen. (416b 2-11).
Sophia Panteliadou
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