Mittwoch,
den 29. Oktober 2025
Beim
Verlesen des Protokolls der vorigen Sitzung kommt es zu verschiedenen
Einwürfen und Assoziationen, wie etwa bei dem Bild einer Göttin im
Buch „Aristoteles betrachten und besprechen“ Bd.2 von Walter
Seitter wird von Rudolf Kohoutek der Vermouth von Renate Ganser und
Elisabeth Samsonow mit dem Produktnamen „Göttinnen“ ins Gespräch
gebracht und dessen Verkostung erwähnt. Ich selbst muss erwähnen,
dass der Zeitpunkt der Redigierung der aristotelischen Text im 1.
Jahrhundert vor Chr. zugleich der Beginn eines regelrechten
Buchmarktes war und auch der Beginn von Kopierwerkstätten.
Walter
Seitter wollte auf die seltene Erwähnung des Dialektikers als einen
möglichen Zuständigen für die Seelenregung des Zorns hinweisen,
die im ersten Kapitel des ersten Buch vorkommt. Da erging an mich die
Frage von Walter, was den unter Dialektik zu verstehen sein, da
antwortete ich mit einer ungefähren Antwort wie „eine Diskussion
mit starken Gegensätzen“, was nicht ganz falsch ist, aber etwas
kurz gegriffen. Eigentlich wollte ich mit der Etymologie des Wortes
antworten, das es von dialégessthai herkommt, das „ein
Gespräch führen“ bedeutet.
Aber
nach der Topik I,1, 100a, 18ff ist es die Aufgabe der dialektischen
Wissenschaft
„Ein
Verfahren zu finden, von dem aus wir werden Schlüsse ziehen können
über jede aufgegebene Streitfrage aus einleuchtenden (Annahmen) und
selbst wenn wir Rede stehen müssen, nichts Widersprüchliches zu
sagen.“
Das
ist der erste Satz der Topik, und in der Folge wird das Wort
dialektikos entweder für das Untersuchungsgespräch oder für
die Unterredungskunst verwendet, in dem Schlüsse eingesetzt werden
sollen, die aus den anerkannten Meinungen deduziert werden konnten.
In der Folge meint Aristoteles, das diese Methode in der Rede- und
Heilkunst angewendet werden kann, um die Möglichkeiten dieser Art
Schlüsse zu ziehen, auszuschöpfen, Topik I,1, 101b, 6ff.
Der
in dieser Sitzung gelesene Abschnitt ist das 9.Kapitel des 2.Buches
und behandelt das Riechen und den Geruchssinn (osphresis) als
weiteres Wahrnehmungsvermögen. Es beginnt mit der Bemerkung, das
die Einteilung nicht so leicht fällt wie beim Schall und bei der
Farbe, da diese Wahrnehmung beim Menschen schlechter ausgebildet ist
als bei anderen Lebewesen. Die Wahrnehmung ist auch nicht genau, was
Aristoteles daran festmacht, dass der Mensch keinen riechbaren
Gegenstand wahrnimmt, ohne das Unangenehme oder Angenehme zu
empfinden. Dieser Mangel an Gegenstand wird mit der undeutlichen
Farbwahrnehmung der Tiere mit starren Augen in Beziehung gesetzt. Der
Geruchssinn wird des weiteren mit dem Geschmackssinn verglichen, nur
das der genauer ist, weil es sich dabei um eine Art Tastsinn handelt,
der bei den Menschen am genauesten sein soll. Von dieser Annahme, das
der Tastsinn des Menschen genauer ist als bei den anderen Lebewesen,
leitet er einerseits die besondere Klugheit des Menschen ab, wie auch
die Unterscheidbarkeit von Begabungen. Die mit festen Fleisch sind
weniger begabt im Bezug auf das Denken wie die mit weichen Fleisch.
Womit
wir schließlich doch bei den Unterscheidungen angelangt sind, zu
denen diese beiden verwandten Sinne im Stande sind, die Geschmacks-
und Geruchsrichtungen sind süß, bitter, scharf, sauer, pikant und
fettig (lipara), wobei der Geruch gerne nach Gegenständen, in
der Regel Pflanzen, benannt wird wie Honig, Krokus oder Thymian.
Die
Wahrnehmungsgattung des Riechens oder Schmeckens ist auch für das
Nicht-wahrnehmbare zuständig wie es auch beim Hören und Sehen der
Fall ist. Das Nicht-Riechen oder Nicht-Schmecken hat einen
Informationswert.
Es
fehlt noch das Dazwischenliegende, das Medium, dieser Wahrnehmung,
und das ist entweder Luft oder Wasser, beim Menschen ist der Geruch
mit der Luft verbunden, und was den Körper betrifft mit dem
Einatmen. Riechen ist nicht möglich beim Ausatmen oder beim Anhalten
des Atems. Ohne Medium keine Wahrnehmung, also kein Riechen, wenn der
Gegenstand direkt auf das Sinnesorgan gelegt wird. Das Riechen über
Einatmen ist dem Menschen eigentümlich, bei dem blutlosen Tieren,
etwa den Fischen, muss das Riechen in anderer Weise stattfinden.
Bevor
Aristoteles den Unterschied im Riechen über den Vergleich mit dem
Sehen im Ansatz erklären will, spricht noch die Gefahren des
Riechens an, nämlich beim Einatmen von heftigen Gerüchen wie
Asphalt oder Schwefel, wobei man diesen Gerüchen zugrunde gehen
kann.
Der
Unterschied zwischen Riechen im Trockenen und Feuchten wird analog
zum Sehen mit beweglichen Augen oder mit starren Augen gesetzt. Wie
die Augen derer, die Einatmen, mit Lider verschlossen werden können,
ist auch das Geruchsorgan verschlossen und wird erst beim Einatmen
geöffnet. Die Formulierung ist überraschend medizinisch genau,
„wenn sich Äderchen und Gänge erweitern“ (phlebion kai
poron), Aristoteles ist eben ein Arztsohn. Deswegen können
Lebewesen mit Atmung im Feuchten nicht riechen, denn dort ist das
Einatmen nicht möglich.
Das
Schmecken ist aber ist mit dem Feuchten verbunden, was hier nur
angedeutet wird und erst im nächsten Kapitel ausführlicher
behandelt wird.
Karl
Bruckschwaiger