Wir fragen uns noch, wie wir uns die pythagoräische Vorstellung von dem Einen denken können, das selber keine Zahl sein soll, wohl aber die „Ursache“ der Zahl(en). Sofern die Zahlen mit dem Zählen auftauchen, beginnen sie erst mit der Zwei: das Eine liegt „davor“ – wird nicht gezählt sondern schlicht gesetzt oder gesehen.
Und das Eine, das sowohl gerade (teilbar) wie auch ungerade (unteilbar) sein soll? In Weimar gibt es heute noch den Ginkgo-Baum, den Goethe gepflanzt haben soll, weil ihm das Ginkgo-Blatt mit seinem tiefen Einschnitt in der Mitte als Urbild der Einheit von Einheit und Zweiheit galt:
Goethes Ginkgo-Blatt |
Den Chinesen gilt die geteilte Blattform als Symbol für ihre Yin- und Yang-Naturphilosophie. Der Ginkgo-Baum ist die älteste noch lebende Pflanzenart. Seine Usprünge reichen 280 Millionen Jahre zurück; in Europa gab es ihn bereits vor der Eiszeit. Danach brachten ihn um 1700 holländische Seefahrer aus Japan wieder nach Europa.
Auch in Wien gibt es so einen Baum, und zwar im Burggarten, in der Nähe des Eingangs beim Palmenhaus.
Nach dem Gesagten können wir das Ginkgo-Blatt – neben der Tetraktys – als ein einfacheres pythagoräisches Emblem betrachten: nämlich für den Doppel-Charakter des Einen.
Die Lehre von den Gegensätzen als Ursachen ist auch von anderen frühen Philosophen vertreten worden; die Pythagoräer sind dabei genauer vorgegangen, doch Aristoteles zufolge haben sie nicht klargestellt, welche von den – aristotelischen Ursachenarten – sie dabei im Auge hatten; Aristoteles selber meint: die Stoffursachen.
Aristoteles geht dann zu den Denkern über, welche die Natur als ein Eines betrachtet haben: Melissos, Xenophanes, Parmenides. Der „extremste“ Denker unter ihnen war Parmenides, für den das Seiende existiert, das Nichtseiende nicht; daneben läßt er aber auch die Ebene der Erscheinungen und der Sinneswahrnehmung gelten und da gebe es nicht nur das Eine sondern das Mehrere und als Ursachen sowohl das Warme und das Kalte: das Warme für das Seiende, das Kalte für das Nichtseiende. Auf diese Weise nimmt auch er eine Polarität an – aber mit verschärfter Asymmetrie (im Vergleich zu den zehn Gegensätzen, erst recht gegenüber Yin-Yang).
Die reinen Pythagoräer fassen ihre Ursachen rein mathematisch und versuchen außerdem, sie nach ihrem „Was“ zu definieren. Aristoteles sagt nicht nur „das Was“, sondern „das was ist“, umschreibt es also mit einer Art Frage-(oder Relativ-)satz, womit er seine eigene Terminologie den Pythagoräern überstülpt.
Figuratives Emblem versus logische Terminologie.
Walter Seitter
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