Die aristotelische
„Beweisführung“ für das „Axiom“ versucht zu zeigen, daß es unmöglich ist,
irgendetwas und seine Negation bzw. sein Gegenteil zu sagen, zu
behaupten, anzunehmen oder zu meinen. Es sei denn, es wird ins Sagen eine
Unterscheidung eingeführt, sodaß dann doch nicht dasselbe behauptet oder
gemeint wird und sein Gegenteil. Es geht also nicht nur um die „Rettung“
des kognitiv hochrangigen Sagens sondern auch um die des seit Parmenides,
Sokrates und Platon eher verachteten Meinens (das denn auch in 1008b 31 gleich
wieder eins auf den Deckel kriegt). In dieser Gleichbehandlung des Meinens
liegt natürlich auch eine Ausweitung der Gültigkeit des Axioms. Und die wird
noch weiter ausgedehnt: auf das Wollen. Also die dem Erkennen gegenüberliegende
psychische Kompetenz, die den Griechen nicht unbekannt war, wenngleich sie
terminologisch nicht so scharf gefaßt war (so jedenfalls Thanos Lipowatz, der
den alten Griechen das Fehlen des Begriffs „Wille“ als Mangel ankreidet (ein
Mangel, den Freud und Lacan in gewisser Weise fortsetzen)).
Aristoteles führt hier das
Wollen mit dem Beispiel ein, daß jemand nach Megara aufbricht, versucht, in
keinen Brunnen zu fallen, was er für ungut erachtet, und alles tut, um nach
Megara zu gelangen, was er offensichtlich für gut und momentan für besser hält
als sonstwas. All dieses – nämlich nach Megara kommen wollen – kann er nur tun,
wenn er an seinem Entschluß festhält (auch wenn Aristoteles zu seiner
Formulierung viele Umschreibungen gebraucht). So wie für das Sagen von Wahrem
ist auch für das Wollen des Guten (mag dieses noch so „subjektiv“ sein) das
Festhalten an einem einmal gefaßten Begriff eine notwendige Bedingung:
Festhalten in der Zeit wie auch im Raum bzw. in der Intersubjektivität.
Walter Seitter
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Sitzung vom 21. Mai 2014
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