Philosophische Wörterbücher bilden ein wichtiges,
wenngleich nicht übermäßig prominentes Genre innerhalb der philosophischen
Literatur: mehr nützlich als „wichtig“.
Es lassen sich da sehr unterschiedliche Sorten
unterscheiden. Es gibt die „allgemeinen“ philosophischen Wörterbücher und da
tauchen in letzter Zeit solche auf, welche die faktische Polyglottie (und
Globalität) der Philosophie nicht nur implizit zur Kennntnis nehmen bzw. akzeptieren, sondern
sogar als Problem thematisieren.
Zwei solche sind Pierre Legendre (Hg.): Tour du
monde des concepts (Paris 2013); B. Cassin, E. Apter, J. Lezra, M. Wood
(Hg.): Dictionary of Untranslatables. A Philosophical Lexicon (Princeton
2014).
Speziellere Wörterbücher beziehen sich auf einen
einzigen Autor: solche gibt es etwa zu Heidegger, zu Foucault usw.
Noch spezieller sind Wörterbücher, die nur ein
einziges Werk aufschließen. Ich nenne „Hermes“ die Personen, die ein
philosophisches Wörterbuch über ein philosophisches Buch machen: analytische
Hermeneutik. Und Aristoteles macht so etwas innerhalb des Buches, auf das sich
das Wörterbuch bezieht, in dessen V. Buch: er ist sein eigener und immanenter
Hermes. In diesem Fall wird das Begriffsregister, das in Sachbüchern häufig an
den Schluß gestellt wird, zu einem richtigen Text ausgeweitet und mitten ins
Buch gestellt – hier eben als 5. „Buch“ (innerhalb von 14 Büchern).
Er beginnt mit dem Begriff arche –
wahrscheinlich nicht, weil er gemäß der alphabetischen Reihenfolge der erste
ist (er wäre das nicht, wenn aletheia (Wahrheit) auch vorkäme, was
aber nicht der Fall ist). Sondern eher, weil er ein für die „Metaphysik“ sehr
passender Leitbegriff ist – und spezifischer als der Begriff aition (Ursache)
(dieser wäre der erste Begriff in der alphabetischen Folge, tatsächlich kommt
er als zweiter). Und semantisch steht gerade er der Bedeutung „erstes“ nahe.
Die Metaphysik ließe sich vielleicht als Wissenschaft vom Ersten oder von den
Ersten definieren.
Die Art und Weise, in der dieser Begriff
eingeführt, das heißt erläutert, exemplifiziert, analysiert wird, läßt
allerdings zunächst gar nicht an Metaphysik denken, eher schon an Physik und
auch da bezeichnenderweise nicht an sogenannte wissenschaftliche Physik,
sondern an deskriptive, phänomenologische, durchaus immanente Nennung von
Teilen von Sachen, auch von recht banalen Sachen. Ausdrücklich werden zuerst
immanente Teile, Bestandteile, Elemente genannt. Dann geht er über zu archai,
die transmanent wirken und unserem Begriff „Ursache“ näherkommen. Was der Autor
selber später bestätigt, indem er die Ursachen zu einer Teilmenge (oder
Subspezies) der archai erklärt.
Nach den ersten höchst unterschiedlichen – vom
Physischen zum Politischen und Logischen reichenden – Arten von archai-Bestimmungen
und -Beispielen nimmt Aristoteles einen zweiten Anlauf, indem er nur mehr mit
Allgemeinbegriffen verschiedene Sorten von archai nennt. Und wiederum spannt
er das Spektrum weit auseinander, indem er psychische Leistungen ebenso nennt
wie Qualitäten, die geeignet sind, zu motivieren und auf diese Weise „erste zu
sein“, d. h. zu bewegen, zu „herrschen“. Es ist offensichtlich, dass die
genannten archai über die Physik hinausreichen. Weniger klar ist, dass
sie ausgerechnet das Gebiet der „Metaphysik“ definieren. Vielmehr reichen sie
in die Logik, in die Psychologie, die Ästhetik und Ethik und Politik hinein.
Die Ästhetik berührt Aristoteles mit der arche „Schönes“.
Aber ein Wörterbuch für die Ästhetik hat er damit nicht zu machen beansprucht.
Wenn im 20. und 21. Jahrhundert ein siebenbändiges Wörterbuch Ästhetischer
Grundbegriffe kein Stichwort „Farbe“ aufweist, dann zeigt es allerdings,
dass es von Ästhetik sehr wenig weiß (wahrscheinlich ist es zu wenig
„aristotelisch“, oder „positivistisch“ oder „österreichisch“).
Walter Seitter
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Sitzung vom 5. November 2014
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