Ich berichte von der
Lektüre des Buches, in dem die Vorlesung dokumentiert ist, die Heidegger im
Sommersemester 1931 über die ersten drei Kapitel von Buch IX der Metaphysik
gehalten hat – die wir vor einiger Zeit gelesen haben.
Martin Heidegger:
Metaphysik Θ 1- 3. Von Wesen und
Wirklichkeit der Kraft (Frankfurt 2006).
Darin handelt es sich um
die Polarität der Begriffe dynamis und energeia, zu deren
Übersetzung Heidegger nur dies beiträgt, dass er für dynamis auch die
alltagssprachliche Grundbedeutung „Kraft“ namhaft macht, womit jedwedes Können,
so auch die körperliche oder seelische Energie gemeint sein kann (das deutsche
Fremdwort „Energie“ stammt zwar vom griechischen energeia ab, doch
semantisch steht es der dynamis nahe). In diesem Zusammenhang wirft
Heidegger die Frage auf, ob sich der aristotelische Ursachen-Begriff, das
Ursachsein, etwa die Wirkursache, in die Ontologie einfügt. Dies wird von
Aristoteles immerhin angedeutet, da die Wirkursache bei ihm „das Bewegende“
heißt und die Bewegung (nicht nur Ortsbewegung!) den Kategorien angegliedert
wird. Zu den Kategorien wird das Wirken oder Machen gezählt, womit wie ich
meine die Ontologie aus der puren Statik herausgehoben wird. Im Buch VII ist
das Vermögen zu einer Ursache von Entstehung erklärt worden (1032a
27). Eine Ursache ist etwas, was die Kraft hat, etwas hervorzubringen oder zu
verändern oder zu erhalten.
In seinem kürzesten
Resümee sagt Heidegger, dass das volle Wesen nur erfasst werden kann, wenn man
zum „Was“ auch das „Wie“ eines Dinges oder Vorganges berücksichtigt – und dazu
müsse man die Modalitäten der Möglichkeit und der Wirklichkeit beachten. Dazu sage
ich, dass bereits die neun Akzidenzien, die zum Wesen dazukommen, verschiedene
Wie-Bestimmungen einführen. Das heißt, die Ontologie beschränkt sich
nicht darauf, die Dominanz des Wesens zu behaupten – im Gegenteil, sie stellt
den Monopolanspruch des Wesens in Frage und entfaltet ein breites Spektrum von
anderen Seinsmodalitäten. Mit diesem meinem Ausdruck verwende ich das Wort
„Sein“ aristotelischer als Heidegger dies in seiner Philosophie tut.
Der erste Satz des bereits
gelesenen Kapitels 10 von Buch IX führt mit großer Deutlichkeit vor, dass die
Aussagevielfältigkeit des Seienden sich aus mehreren Stücken zusammensetzt: aus
den Kategorien (Wesen mitsamt Akzidenzien), aus Möglichkeit und Wirklichkeit
sowie aus Wahr und Falsch. Und er verdoppelt beinahe die damit zustande
kommende Zahl, indem er von Anfang an bereits die Negation des Seienden selbst
mit einbezieht, die er auch für Möglichkeit und Wirklichkeit namhaft macht.
Auch die beiden Terme
„wahr“ und „falsch“ verhalten sich zueinander wie Position und Negation. Und es
stellt sich die Frage, wo denn „wahr“ und „falsch“ vorkommen – in erster Linie
kommen sie an Aussagen vor. Aristoteles nennt in der Folge mehrere andere
Tätigkeiten, die zum Vorkommen der beiden Eigenschaften führen.
Im Unterschied zu den
objektorientierten Wissenschaften wie Physik oder Politikwissenschaft (beide
bei Aristoteles), die sich direkt bestimmten Weltphänomenen zuwenden, sowie zu
den modern so genannten Metawissenschaften wie Linguistik, Logik,
Wissenschaftstheorie, positioniert sich die Ontologie als eine sehr spezielle
zweigleisige Betrachtungsweise: sie geht von Wörtern mit eher formalen
Bedeutungen aus und wendet sie ins Objektive.
Walter Seitter
9. Oktober 2019
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