τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Dienstag, 5. Juli 2022

In der Metaphysik lesen * Hermann – Lektüre 15 (67vG - 68vC)

Mittwoch, den 29. Juni 2022

 

Der in dieser Sitzung behandelte Gegenstand bei Hermann ist die sogenannte epizyklische Bewegung der Planeten, deren Begründung er bei den Peripatetikern vermisst. Dagegen spricht sich Hermann für eine selbständige Bewegung der Planeten aus, die sich zwar exzentrisch bewegen, also nicht in einfachen Kreisbahnen, aber dennoch nicht von bestimmten Sphären bewegt werden, wie die Peripatetiker oder deren Schüler annehmen.

 

 


Dazu bemüht Hermann eine weitere Graphik um die Exzentrik der Planetenbahnen zu zeigen, wobei von der Erde aus über die Epizyklen der Planeten zu den einzelnen Tierkreiszeichen Linien gezogen werden, sodass die Bewegungen auf dem Hintergrund der Tierkreiszeichen gezeichnet werden können.

Hermann gibt einen Hinweis auf die scheinbar rückläufige Bewegung der Planeten, dass der untere Teil, der erdzugewandte Anblick, nur von bestimmten Punkten aus gesehen werden kann.

Nach dem geometrischen Versuch wird der epizyklische Verlauf durch soziale oder politische Erklärungen ergänzt. Weil der Urheber, also Gott, die Planeten in die Mitte gesetzt hat, haben sie zwar die doppelte Freiheit ihrer besonderen Gesetze, aber sie müssen doch die Bewegungen aller Subjekte vermitteln und werden daher sehr herumgerissen. Diese Aufgabenvielfalt erzeugt einen sehr unrunden Umlauf, die Ausnahme davon ist die Sonne, die über einen gleichartigen Wechsel ihres Auftauchens und Verschwindens verfügt. Die Gleichartigkeit ihrer Bewegung hat mit ihrer Position in der Mitte zu tun. Überhaupt hängt die Beweglichkeit von dem Ort in den Extremitäten ab, die Oberen sind sehr beweglich, die Unteren unbeweglich. Die Planeten stimmen beiden Extremen zu, weil sie sich hin und her bewegen und auch in verschiedenen Geschwindigkeiten, je nach Höhe der Position.

 

Es folgt als Abschluss des ersten Buches ein kurzer Ausflug in die letzte verbliebene mathematische Wissenschaft, die Musik. Weil jede heftige Bewegung einen Klang erzeugt, und einen Zusammenklang, wenn die Töne in bestimmten Verhältnissen zu einander stehen, kann man die himmlische Modulation erkennen, die die Umdrehung der Welt lenkt. Somit entsprechen die Klänge den Abständen der Zwischenräume und die harmonische Modulation dem Aufstieg und Abstieg der Planeten. Der Mathematik folgt stets das soziale Band, denn die Musik hält alles in der Welt in einem unauflöslichen Knoten zusammen, dann die Liebe, denn alles Vibrieren der Töne überträgt sich sofort auf andere, zuletzt das Band des Glaubens, weil hier die unteren den oberen in Gefühl und Haltung nachfolgen. Zuletzt eine Erwähnung von Hermes Trismegistos, der die Musik als gefälliges Geschenk der Menschen an den Oberen betrachtet, sogar die Musik als allein würdig für die Verehrung des Göttlichen hält. Hermann bewundert noch zum Schluss den Chor der himmlischen Jungfrauen, die den unaufhörlichen Einklang besingen.

Zu Hermanns Zeit war die Musik im Gottesdienst noch nicht wirklich so etabliert und gar nicht so wohl gelitten, die Rolle der Musik war erst einige Jahrhunderte später in der Verehrung Gottes angebrochen.

 

Das Zweite Buch

 

Hier wird wieder Robert Ketton angesprochen, aber sofort auf Plato und Aristoteles übergegangen, die schon das Ganze des Kosmos im Auge gehabt hätten, von der Ersten Zeugung bis zu den Sphären, aber die Rolle der Mittleren, der Planeten, nicht in ihr Strukturkonzept des Kosmos genügend eingewebt hätten. Sie hätten das Ausgleichende der Planeten und deren instrumentellen Charakter für den obersten Handwerker übersehen, und das soll von Hermann hier nachgeholt werden. Dazu wird ein Begriff hereingeholt, der bisher am Rande der Abhandlung auftauchte, die Natur. Jede Ordnung, die überlebt, wird durch eine bestimmte Form oder Gestalt weitergeführt und diese Kontinuität der Gestalt nennt Hermann hier Natur.

Da sind wir schon sehr nahe bei einem Gesetz der Natur, wie auch Wolfgang Koch in der nachfolgenden Diskussion feststellt, obwohl die Naturgesetze als eigenes Konzept erst sehr viel später auftauchen würden.

 

Karl Bruckschwaiger

 

Nächste Sitzung: 6. Juli 2022 – Aristoteles, Metaphysik 13. Buch, ab 1081a, 17

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