Mittwoch, den 29. März 2023
Wie ich im Protokoll der vorhergehenden Lesung zu der Stelle komme, wo Hermann Varro erwähnt mit seiner Vermutung, dass die menschlichen Seelen in Toten- und Hausgötter überführt werden, mache ich die Anmerkung, dass sogar in der Bibel solche Hausgötter erwähnt werden, und zwar stiehlt Rahel, Jakobs Frau, die Hausgötter von Laban, angeblich um sich den Anspruch auf das Erbe zu sichern. Diese kleinen Statuen waren Walter Seitter nicht mehr in Erinnerung, mich haben sie immer beschäftigt, seitdem ich das Buch Genesis gelesen habe, der Umstand, dass es eine Gottesverehrung auch bei den Juden mittels Statuen und Figuren gegeben hat, und dass diese Erwähnung nicht herausgestrichen wurde.
Hermann führt im weiteren Verlauf des Textes Trimegistos mit seiner Erzählung an, wie dessen Vorfahren die Kunst erfunden hätten, Götter zu machen, indem sie Figuren aus Holz und Metall anfertigten und ihnen die Kraft der Natur hinzufügten. Dann riefen sie Dämonen oder Engel herbei, die sie mit heiligen Bildern und göttlichen Mysterien ausstatteten, wodurch sie die Kraft bekamen Gutes oder Böses zu tun.
An dieser Stelle fragt Walter Seitter: „Wie werden Götter gemacht?“ In diesem Fall des griechischen Autors durch Figuren, Bilder und Mysterien. Im Falle von Moses, den Walter Seitter, als Katholik der Erziehung nach, als den Autor der ersten fünf Bücher der Bibel ansieht, wird Gott durch die Schrift gemacht. Moses begegnet seinem Gott in der Wüste und kehrt zurück mit der Schrift, allerdings erst im zweiten Buch der Bibel, Exodus. Die Christen haben auch die Schrift, aber zusätzlich heilige Bilder, wie Sophia Panteliadou da sofort an Ikonen denken muss, und Statuen im Kirchenraum, die die Anwesenheit Gottes befördern sollen. Die Liturgie ist dann der weihevolle Vorgang, der die Anwesenheit Gottes herbeirufen soll.
Hermann beginnt den folgenden Abschnitt mit zwei bekannten Prinzipien, die für das sekundär Gezeugte gelten, in lateinischer Version als Aktivität und Passivität gefasst. Das eine die tätige Kraft und das andere die geduldige Notwendigkeit, die zur Zeugung der Dinge zusammengehen. Als Hermann noch deutlicher wird und schreibt, das das Tätige Samen streut oder herauswirft - iacit - und das Duldende sie aufnimmt - suscipit - , und im Zusammengehen - coitu - selbst vermischt, meint Walter Seitter, ich könnte das Sexuelle der ganzen Wortwahl klarer darstellen, ich hatte zuerst Vereinigung gesagt, habe mich dann für die wörtliche Übersetzung Zusammengehen von co-eo umentschieden. Zur sexuellen Deutlichkeit kann niemand gezwungen werden, auch wenn es bei Hermann durchaus Tendenzen dazu gibt.
Es ergeben sich für Hermann aus diesen zwei Prinzipien sogenannte Serien, das Handelnde bringt die Form in das Empfangende, sie ist von derselben Natur, die Form selbst kommt aus der Essenz, während das Empfangende die Form aufnimmt, von verschiedener Natur ist und seine Materie aus der Substanz stammt.
Es gibt leichte Zweifel an der Aufstellung, wenn Hermann von vielfachen Argumenten bei den Physikern spricht, als wäre es eine noch nicht endgültig geklärte Sache.
Das Handeln der Essenz wird von den Auswirkungen her rückwärts argumentiert, weil es Auflösung der Gattung gibt, muss es zuvor eine Zusammensetzung gegeben haben, das sogar mehrfach, denn die Mischungen sind durch Auflösung der ersten Zusammensetzungen entstanden. Da die höheren Mächte sich nicht freiwillig mit den Niedrigen vermischen, musste eine äußerliche Kraft sie zwingen, und das kann für Hermann nur die Essenz sein, die einzige Kraft, deren Bewegung die Substanz hervorruft. Da springt Hermann unvermittelt ins Kosmologische und sieht die Kraft der Bewegung durch die Essenz universell bei den Planeten, aber auch bei den anderen Himmelskörpern, obwohl er es nur bei der Sonne für die Temperierung der Luft und beim Mond für die Bewegung des Wassers exemplifiziert. Da die Bewegung der Essenz kreisförmig ist, folgt die Substanz in der Zeugung und dem Verderbnis der Dinge einem Kreislauf.
Hermann möchte weitere Angaben zum Funktionieren seiner Konstruktion machen, dazu führt er drei Eigenschaften – propietates – von Form und Materie an, Gegensätzlichkeit, Auflösung und Veränderung. Diese Eigenschaften gelten ohne Einschränkungen für die Materie, aber nicht für die Form, die keine Gegensätze kennt und sich nicht aktiv verändert oder sich von der Materie trennt. Dennoch begründen die Unterschiede die Formen, die aber aus der Essenz stammen müssen.
Aus dieser Annahme der formenden Kraft von Oben beginnt der in diesem Fall etwas unbedarfte Hermann einen Angriff auf den großen Galen, den er sich erlaubt, simplici zu nennen. Galen glaubt an keine Wirkungen der Dinge, außer sie kommen von der niedrigen Natur des Körpers, der Medikamente und Behandlungen, und das zitierte Beispiel ist: „die Geschlechtsteile zeugen als warme Männer, als kalte Frauen.“ Wenn es keine andere Ursache als die kleinsten Teilchen der Welt gäbe, scheint Hermann der ganze Dienst der höheren Natur entleert, unwirksam und nutzlos zu sein. Er führt sofort die Wirkung von Sonne und Mond an, nämlich dass die Nähe der Sonne die Äthiopier schwärzt und Mond und Venus normalerweise Einfluss auf die Farbe des Kindes haben würden.
Daran ist die betont astrologische Kritik einer rein inneren körperlichen Erklärung der medizinischen Vorgänge erstaunlich, denn die christliche Kritik Galens bestand im Wesentlichen darin, den fehlenden Beistand Gottes bei der Heilung der Kranken zu monieren.
Karl Bruckschwaiger
nächste Sitzung: 12. März 2023
Aristoteles, Metaphysik, Buch XIV, ab 1088a,14
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