τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Dienstag, 6. Juni 2023

In der Metaphysik lesen * Hermann – Lektüre 31 (76vD - 77rF) Seite 212, Z 2 bis Seite 216, Z 12 bei Burnett

 Mittwoch, den 31. Mai 2023

 

 

Wir befinden uns in der Einteilung der Zeitabschnitte der zweiten Zeugung, also im wesentlichen der Welt der Lebewesen, die von dem Weg der Sonne bestimmt werden. Die Sonne läßt im Herannahen den Dienst der Höheren zu und im Zurückweichen lässt sie den Dienst der unteren Elemente zu, in der Mitte sind die Elemente gemäßigt und vermischt für die Zeugung der Dinge. Die Annäherung der Sonne lockt den Samen hervor und bringt die Gestalt der Lebewesen zum Vorschein, diese Zeiten eignen sich auch für die Veredelung der und das Säen der Pflanzen als auch für die Vermischung der Tiere. Diese zeitliche Einteilung erinnert an Jahreszeiten, obwohl keine Einteilung eines Jahres vorkommt, aber eine Feststellung, dass es vier Abschnitte sind. Zwei Abschnitte der Zeit sind gemäßigt, für Empfängnis und Geburt und zwei sind intensiviert (intensa) für die Ernährung der Empfängnis und die Reifung des Gezeugten.

Die zeitliche Einteilung reicht noch nicht, daher wird noch die Mondzeit des Ptolemäus hinzugenommen. Bei Ptolemäus sind Sonne und Mond die Eltern der Welt und durch das Zusammenkommen der Lichter beider wird der Mond schwanger mit dem Samen der Dinge und führt die Geburt zu Ende und treibt damit bestimmte Bewegungen an. Eine dritte Einteilung der Zeiten von Abu Ma´shar nimmt die tägliche Umdrehung der Welt als Ausgangspunkt für bestimmte der Natur zugrundeliegende Bewegungen und Verhaltensweisen (varios subiecte nature motus et habitudinem). Nach den Jahreszeiten, Mondzeiten und Tageszeiten führt Hermann noch eine Art Restkategorie von Zeitabschnitten ein für besondere Fälle von Ereignissen und Bewirkung von einzelnen Eigenschaften. Etwas ungewohnt scheint die eigene Bewegkraft dieser Zeitabschnitte, weil man heute den Einteilungen selbst keine Wirkkraft zuschreiben will.

 

Der Ort der zweiten Zeugung

Dieser Absatz beginnt mit der Feststellung, dass nicht jeder Ort sich für jede Zeugung eignet, außer für die Mineralien, die in ihrer Entstehung nicht so sehr der Sonne folgen, sondern den übrigen Planeten. Zuerst werden die Teile der Erde in Viertel eingeteilt, dass nur die Teile der Erde mit gemäßigter Luft für die Zeugung oder Fortpflanzung geeignet sind, davon nimmt Hermann nur das Viertel, das wir kennen zur Ausmessung heran, den er möchte die Bewohnbarkeit der Erde bestimmen.

Die Dimension oder Ausmessung des Universums ist dreifach: Länge, Breite und Höhe. Da der Sitz eines Körpers in seinem Fundament ist und das Fundament der ganzen Welt die Erde ist, muss die Erde der Sitz der weltlichen Nachkommen sein. Ein Teil dieses irdischen Lebens wächst aus dem Boden in die Höhe, ein anderer wird über den Boden in die Höhe gehoben, daher versucht Hermann die Höhe des irdischen Dunstes (terreni vaporis) der als Brennstoff für dieses Wachstum gelten könnte, zu bestimmen. Er nimmt an, das dieser Dunst nicht mehr als 16 Stadien hoch ist, wie sich Aristoteles es gleich der Höhe des Olymps vorstellt, was überraschend übereinstimmt, Olymp ist 2918 Meter hoch, 16 Stadien sind 2944 Meter, wenn man das Stadion mit 184 Meter ansetzt.

Das scheint also die Höhe der bewohnbaren Welt zu sein, die man nach Hipparchos auch mit der Höhe des Regenbogen bestimmen könnte, aber da das Verhältnis des Bogen zum Halbkreis nicht ohne Weiteres verfügbar ist, überlässt Hermann den Beweis gerne jemand Anderen, dem das beliebt.

Um den Bereich der bewohnbaren Welt noch genauer einzugrenzen, macht Hermann jetzt eine Tour de force durch seine gesamten geografischen Kenntnisse.

Vom Nordpol aus ist die Erde erst ab dem 30. Grad wegen des ewigen Frostes bewohnbar, Riphean Bergen und den Roten Wäldern in Russland zu dem Asowschen Meer nach Island, ein Wort das im Original auch als „Island“ drinsteht, aber als skythisch bezeichnet wird. Dann wird eine südliche Grenze in Libyen gesucht, eine Grenze der Hitze und Trockenheit, wo es von Meroe in Nubien nach Mauretanien zum Atlasgebirge geht. Der Umriss wird in der Folge etwas ungewöhnlicher, es geht von Cadiz nach Thule, dann nach Themisciria in Kleinasien zu kaspischen Toren zu den Quellen des äthiopischen Ganges.

Der Breite nach werden Orte in Indien, Sri Lanka und die kanarischen Inseln als die Ränder angeführt, insgesamt bleibt unsere gesamte bewohnbare Welt bei etwa 60 Grad. Hermann fügt hier eine Schätzung der bewohnbaren Welt ein, die von Al-Battani stammen soll, indem er ein Halbes mit 6 multipliziert und somit auf ein Zwölftel des Ganzen kommt. Damit haben wir den Anteil der Erdkugel, der ganz unserer Bewohnbarkeit (habitationi) überlassen ist.

 

Karl Bruckschwaiger

 

Nächste Sitzung: 7. Juni 2023

Aristoteles, Metaphysik, Buch XIV, ab 1089a, 15

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