Mittwoch, den 29. Mai 2024
In den Textteilen vor diesem Abschnitt hat Aristoteles mit der Darstellung der Positionen seiner Vorgänger zur Beschaffenheit und Funktion der Seele begonnen. Zuerst werden Demokrit und Leukipp behandelt und deren Annahme, dass die Seele den Lebewesen ihre Bewegung verschaffe, daher wird auch die Atmung zu einem Kriterium des Lebendig-Seins.
Das Atmen selbst ist ein Vorgang, wobei die Körper durch die Umgebung zusammengedrückt und dabei Formen (schemata) herausgepresst würden, die den Lebewesen ihre Bewegung verschaffen. Das Atmen sorgt aber dafür, dass gleichartige Formen oder Atome wieder in den Körper hineinkommen und die weitere Abstoßung der Formen verhindern und so das Verdichtende der Umgebung aufhalten. Die Lebewesen sind eben lebendig, solange sie fähig sind, diesen Austausch zu bewerkstelligen.
Es stellt sich die Frage, ob Aristoteles es richtig darstellt, denn er unterstellt den Pythagoreern eine ähnliche Position, wobei er einigen davon der Ansicht sein läßt, das sie die Sonnenstäubchen selbst für die Seele halten, andere betrachten die Seele als Beweger dieser Sonnenstäubchen. In dem einen Fall würde einen Seelenaustausch mit der Umgebung passieren und eine Einheit der Seele im einzelnen Körper wäre schwer zu denken. Im anderen Fall müsste die Seele die Sonnenstäubchen oder Atome auch außerhalb der Körper bewegen, da sie auch bei völliger Windstille in Bewegung zu sein scheinen.
Aristoteles fasst noch einmal die Gruppe derer zusammen, die die Seele für das sich selbst Bewegende halten, weil die Bewegung das der Seele im höchsten Grad Eigentümliche sei. Alle diese nehmen an, das alles andere durch die Seele bewegt werde, diese aber von sich selbst bewegt werde. Dabei ist die Seele selbst kein Unbewegt-Bewegendes, sondern ein selbst bewegtes-Bewegendes, denn ein Unbewegt-Bewegendes kann man nicht sehen.
Hier müsste die Seele auch außerhalb des Körpers Bewegungen verursachen und wäre damit keine ausschließliche Eigenschaft beseelter Körper. Eine solche Weltseele wird hier nicht vorgestellt.
Corcilius schreibt, das Aristoteles seinen Vorgängern vorhält, die Eigenschaften beseelter Körper zu den Eigenschaften der Seele selbst zu machen und das als Grundfehler der meisten Seelenvorstellungen bisher zu identifizieren sei. Hier würden das zu Erklärende und das Erklärende selbst nicht genug auseinandergehalten, Explanandum und Explanans. Man erkennt beseelte Körper an der Bewegung und zugleich ist das der Grund für die Bewegung die Seele selbst.
Diese Argumentation kommt erst später in der Darstellung.
Karl Bruckschwaiger
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