den 29. Mai 2024
Zusatzprotokoll (404 a 26 - 404b 6)
Die genannten Autoren sind Homer, Demokrit, Anaxagoras.
Sie
gehen wie die vorhin erwähnten mehr oder weniger davon aus, die Seele
und ihre Leistungen in der Nähe des Körperlichen anzusiedeln, aber sie
richten ihre Aufmerksamkeit auf spezifisch menschliche Tätigkeiten -
wenngleich nicht ohne Mehrdeutigkeiten.
Am
interessantesten wohl die Anaxagoras zugeschriebene Aussage, der Geist
(der vielleicht mit der Seele identisch ist), sei die „Ursache des
schön und richtig (Agierens)“ (404b 2).
Schön und richtig hier adverbial - als Eigenschaften von menschlichem Tun, das damit der Beurteilung ausgesetzt wird.
Und
Aristoteles schreibt sich selber so eine Beurteilungskompetenz zu,
indem er seinen historischen Überblick mit der Bemerkung einleitet, er
wolle die „richtig gesagten (Dinge)“ von den „nicht richtigen“
unterscheiden. (403b 23).
Dabei
handelt es sich um Aussagen, die sich zu den von ihm selber gemachten
Aussagen kollegial verhalten: Aussagen ähnlichen Typs über gleiche oder
selbe Gegenstände.
Die Gegenstände heißen Seele - mitsamt angrenzenden Gegenständen wie Körper, Geist.
Die Aussagen sind solche mit Wahrheitsanspruch - überwiegend im theoretischen Sinn, eventuell im medizinischen Sinn.
Wenn
die Seele Ursache von richtigem Verhalten ist, wird wohl sie auch
Ursache von weniger richtigem Verhalten sein. Dann aber erweist sie
sich als äußerst mächtige, aber auch gefährliche Ursache - deren
genauere Kenntnis aus pragmatischen Gründen sehr erwünscht wäre, wenn
sie möglich sein sollte.
Diese
Selbstbezüglichkeit der Seelenkunde wird von Aristoteles damit
angedeutet, daß er sie auf seine Kollegen, seine prominenten, bezieht -
und damit kann er auch sich selber nicht aus der Problematik
ausschließen.
Wenn andere Berühmte in diese oder jene Fall getappt sind, warum sollte dann er davon ausgenommen bleiben?
Und wenn wir selber uns „richtig“ verhalten wollen, dann müssen wir jede Gelegenheit dazu ausnützen.
Zum Beispiel Protokolle schreiben - gegen das Vergessen.
Diskutieren - gegen die Gleichgültigkeit.
Und
vielleicht die Entscheidung, die jetzige Lektüre mit dem lateinischen
Buchtitel zu benennen, revidieren. Auf den Gedanken hat mich meine
Erinnerung an den katastrophalen Kreuzzug des Jahres 1204 gebracht.
Walter Seitter
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