τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.
Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.
Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)
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Mittwoch, 26. März 2025
De Anima - Peri Psyches lesen 19 - 415a 24 - 415b 14
Dienstag, 18. März 2025
De Anima / Peri psyches lesen – 18 ( 414b, 20 – 415a, 23)
Mittwoch, den 05. März 2025
Dieser Abschnitt beginnt Aristoteles mit einem Vergleich des Begriffs (logos) der Seele mit dem der Figur (schematos).
Denn es gibt für Aristoteles keine Figur neben dem Dreieck und den anschließenden Figuren, so gibt es auch keine Seele neben den genannten Vermögen. Auch will er auf einen gemeinsamen Begriff aller Figuren verzichten, weil er keinen der existierenden Dinge eigentümlich ist, gemeint ist wohl keine Idee einer Figur ohne konkrete Figur.
Mit der Seele verhält es sich ähnlich wie mit den Figuren, den wie im Viereck das Dreieck enthalten ist, so ist im Wahrnehmungsvermögen das Ernährungsvermögen enthalten. Doch damit haben wir den Vergleich schon verlassen, denn die Vermögen bilden eine Reihe, das Wahrnehmungsvermögen ist ohne Ernährungsvermögen nicht denkbar, aber das Ernährungsvermögen trennt sich bei den Pflanzen von dem Wahrnehmungsvermögen. Auch innerhalb des Wahrnehmungsvermögens gibt es einen notwendigen Aufbau, der Tastsinn kommt ohne die anderen Elemente der Wahrnehmung vor, daher ist er die Voraussetzung für die Wahrnehmung, das Sehen, Hören und Riechen folgen danach. Es folgt die Ortsbewegung, als Seelenvermögen, und dann in der geringsten Zahl die Überlegung und das Denken (logismon kai dianoian). Denen diese Vermögen zukommen, kommen auch alle anderen zu, obwohl einigen die Überlegung abgesprochen wird und ihnen nicht einmal die Vorstellung (phantasia) zugemutet wird.
Ich muss unterbrechen, denn diese Hierarchie stört mich spontan, und ich widerspreche mit einer Umkehrung, nämlich das die pflanzliche Seele die perfekte sei, denn sie ist die einfachste und kommt ohne die anderen Lebewesen aus. Alle zusätzlichen Seelenvermögen sind nur Notlösungen, um die eigenen Schwächen und Abhängigkeiten von den anderen Lebewesen in der Ernährung zu überwinden, je mehr Vermögen, desto prekärer die Situation.
Walter Seitter stimmt mir in seiner Art zu und spricht bei den sich auftürmenden Seelenvermögen von einer zunehmenden Fragilität und Neigung zur Krankheit, die bei Gott die höchsten Fragilität erreicht, nämlich den Tod.
Aristoteles will mit den Untersuchungen zu den Seelenvermögen weiterfahren und klären was jedes Einzelne der Vermögen ist. Dazu muss man angeben können, was das die Ernährung, das Wahrnehmen und das Denken jeweils ist. Für Aristoteles sind die Wirklichkeiten und Tätigkeiten dem Begriff nach früher als die Vermögen, daher muss sich die Betrachtung auf die Gegenstände richten, wie die Nahrung, den Wahrnehmungsgegenstand und den Denkgegenstand.
Eine etwas andere Dreiheit als die von Walter gerne erwähnte Dreiheit des Denkens, Wahrnehmens und Sagens, aber es ist auch ein Dreieck der Seelenvermögen.
Karl Bruckschwaiger
Mittwoch, 5. März 2025
De Anima / Peri psyches lesen 17 (414a 4 - 414b 19)
19. Februar 2025
414a 4 - 414b 19
Aristoteles setzt seine feine ich will sagen analytische und geradezu erkünstelte Unterscheidungstätigkeit fort.
Er unterscheidet in dem Satzfragment „wodurch wir leben und wahrnehmen“ zwei formale Aspekte und führt als Vergleichsbeispiele noch zwei andere „wodurch . . . . . “ an, die ebenfalls zwei Tätigkeiten betreffen: "wodurch wir wissen" und "wodurch wir gesund sind".
Wissen tun wir (tun als Modalverb ist eine Spezialität der österreichischen Umgangssprache, die Anglophonen praktizieren das ständig) einerseits durch das Wissen, andererseits durch die Seele. Gesund sind wir einerseits durch die Gesundheit, andererseits durch den Körper.
Wissen bzw. Gesundheit werden mit den Begriffen „Gestalt“, „Form“, „Begriff“, „Tätigkeit“ assoziiert. Damit wird „gesundsein“ sozusagen offiziell als ein „tun“ qualifiziert - was für den Wunsch nach Gesundheit vermutlich eine sinnvolle Lektion darstellt.
Der eingeschobene Satz, der mit dokei gar beginnt und mit energeia endet, ist mir nicht recht klar. Übersetzung von Krapinger: „Denn die Tätigkeit des Bewirkenden scheint ja dem davon Betroffenen und dazu Disponierten innezuwohnen.“ (414a 12)
Dann aber Rückkehr zum eigentlichen Thema.
Die Seele ist das, wodurch wir leben, wahrnehmen und denken - und gehört damit wie oben gesagt zur Ebene von Begriff und Form, nicht zu Materie und Zugrundliegendem.
Diese Unterscheidung wird sodann in eine sehr allgemeine Begriffsebene eingeordnet - mit der Aussage, das "Wesen wird dreifach ausgesagt“.
Die wiederum klingt wie eine Abwandlung des Grundsatzes der Ontologie - „Das Seiende wird vielfach ausgesagt“, mit welchem Grundsatz eine Dimension der Ontologie initiiert wird: diejenige, die das Seiende in die Kategorien zerfällt, von denen eine das „Wesen“ heißt (die anderen sind die neun Akzidenzien).
Die drei Versionen des Wesens sind die Form und die Materie und die Verbindung der beiden.
Der Materie entspricht die Möglichkeit, der Form die vollendete Wirklichkeit.
(Möglichkeit und Wirklichkeit bilden eine weitere Dimension der Ontologie; neben dem Einen und den vielen; neben Entstehen und Vergehen)
Und diese Verbindung nennt Aristoteles hier das Beseelte - folglich ist die Seele und nicht der Körper die vollendete Wirklichkeit.
Die Seele ist die vollendete Wirklichkeit eines bestimmten Körpers - weshalb diejenigen, die annehmen, die Seele könne nicht ohne Körper sein, sei aber selber nicht Körper, richtig annehmen. Aristoteles schreibt: „schön annehmen“ - denn bei den antiken Griechen war „schön“ ganz eng mit „richtig“ und „gut“ verbunden.
Die Seele wohne in einem bestimmten Körper - und für den setzt Aristoteles hier auch das Wort „Phänomen“ ein, denn ein bestimmter Körper ist einer, der so oder so erscheint. Der Bezug zur Wahrnehmung läuft da immer mit - auch das wird von dem Gebrauch des Wortes „schön“ angezeigt. Andererseits entspricht genau das der Vernunft - hierfür steht da logos, also weniger ein Erkenntnisvermögen als vielmehr eine Proportion, die mehrere Größen auf einander bezieht.
Was aber die Seelenvermögen betrifft, so sind einige bei einigen Lebewesen vorhanden - nicht bei allen. Ernährungs-, Wahrnehmungs-, Strebungs-, Bewegungs- und Denkvermögen kommen eher den Tieren zu, weniger den Pflanzen. In der Wahrnehmung geht es um Lust und Schmerz - daher ist sie mit Wunsch und Begierde verbunden. Im Wahrnehmungsvermögen ist das Ernährungsvermögen enthalten - die entsprechenden Begierden sind der Hunger und der Durst, die auf Trockenes und Feuchtes, Warmes und Kaltes aus sind.
Das Vorstellungsvermögen wird erst nachträglich erwähnt, seine Untersuchung aber auf später verschoben. Einigen Lebewesen wird das Denkvermögen und der Geist zugesprochen. Dianoetikon und nous. Im Griechischen werden beide mit derselben Wortwurzel bezeichnet: das erste als Vermögen zu einer Tätigkeit, die schrittweise vorgeht, der zweite als eher intuitives Vermögen: Vermögen zur noesis.
Diese beiden werden den Menschen zugesprochen und eventuell oder hypothetisch noch einem ähnlichen anderen Wesen, das noch ehrwürdiger ist - sofern es ein solches gibt. Damit wird wohl auf dasjenige Wesen angespielt, das im Buch XII der Metaphysik zunächst vorsichtig aber dann doch fast enthusiastisch geschildert und sogar gefeiert wird.
Dieses Wesen wird mit den Menschen zweifach verglichen: es sei ihnen ähnlich und und sei noch ehrwürdiger. Es ist also von einer ungefähren Gleichheit die Rede und von einer Steigerung.
Pflanze, Tier, Lebewesen, Mensch, Gott - mit solchen Wörtern, die keineswegs von Aristoteles erfunden worden sind, werden Realitätssorten bezeichnet (nicht Seinsmodalitäten wie Wesen, Akzidenz, Möglichkeit, Wirklichkeit, ein, viele).
Walter Seitter