Wir kommen auf unsere durch
Aristoteles' beiläufige Erwähnung der Pflanzen (1006a 15) ausgelöste Diskussion
über deren Fähigkeiten bzw. Unfähigkeiten
zurück. Ivo Gurschler bringt ein neues Buch zur „philosophischen Botanik“ mit,
in dem die Einordnung und Einschätzung der Pflanzen gegenüber allen anderen
Wesen der Natur dargestellt wird, wie sie in ungefähr allen Kulturen bisher
formuliert worden ist.[1] Im großen und ganzen kommt
Matthew Hall zum Ergebnis, daß die abendländische Kultur auf ihrem Sonderweg
eine Abwertung der Pflanzen durchgesetzt hat, jedenfalls eine große Distanz
zwischen deren Fähigkeit und den menschlichen. Aristoteles wird in diese
Strategie eingegliedert – allerdings mit der bemerkenswerten Besonderheit
seines „Zoozentrismus“.[2] Damit folgt Hall der
Untersuchungsrichtung von Philippe Descola, die ich im April 2013 vorgestellt
habe; eher noch stärker ist bei ihm die Distanzierung von der abendländischen
„Ordnung der Dinge“ und das Sympathisieren mit einer eher animistischen
„Aufwertung“ der Pflanzen. Ebenso wie Descola nennt er eine kulturell
dominierende Klassifikation und Hierarchisierung aller Wesen die jeweilige
„Ontologie“ einer Kultur.[3] Diese Verwendung des Begriffs
ist eine gewissermaßen „ethnologische“ oder „historische“, aber semantisch geht
sie in eine kosmologische Richtung.
Wenn wir die im Buch IV
vorgeschlagene Untersuchungsrichtung als „Ontologie“ bezeichnen, hat dieser
Begriff gewiß eine andere Bedeutung. Er richtet sich nicht auf alle in der Welt
vorkommenden Dinge, Lebewesen und so weiter. Er verweilt hartnäckig beim
begrifflich fixierten „Seienden“, nagelt es noch einmal auf seine Seiendheit
fest, und öffnet es dann auf die Vielfalt seiner notwendigen Bestimmungen:
diejenigen, die durch die zehn Kategorien benannt werden, aber auch noch
weitere wie Entstehung und Vergehung – bis hin zu seiner Negation. Es geht also
um eine immanente Dramatisierung des Seienden, die allen Seienden zukommt –
gewiß auch den natürlichen und kosmischen (für die sich Aristoteles sehr
interessiert hat: das Enzyklopädische des ethnologischen „Ontologie“-Begriffs
war ihm nicht fremd, aber die Untersuchungsrichtung im Buch IV ist eine
andere). Daß so ein berühmtes Wort wie „Ontologie“ verschiedentlich verwendet
wird, ist kein Unglück. Wichtig ist nur, daß bei jeder Verwendung klargestellt
wird, wie es verwendet wird.
Der indireke oder
„elenktische“ Beweis für den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch besteht
darin, daß Aristoteles eine erstaunliche Aussage über die Beweisführung macht:
sie werde nämlich nicht vom Beweisführenden hervorgebracht sondern vom
Diskussionspartner, der einer Argumentation nur dann widersprechen kann, wenn
er sie zunächst einmal verstanden und insofern angenommen hat. Das geht aber
nur, wenn die Wörter des Beweisführenden eine bestimmte Bedeutung haben – und
zwar auch für den widersprechenden Diskussionspartner. Die indirekte
Beweisführung geht auf die Diskussionssituation zurück, die auch dann
vorausgesetzt werden muß, wenn in der Diskussion keine Einigung erzielt wird.
Also die pragmatische Einbeziehung des Widerspruchs erweist die
Notwendigkeit eines minimalen Konsenses: über die bestimmte Bedeutung der
verwendeten Wörter und damit des Satzes vom ausgeschlossenen Widerspruch.
Walter Seitter
--
Sitzung vom 9. April 2014
[1] Siehe Matthew Hall: Plants as Persons. A Philosophical Botany (New
York 2010).
[2] Siehe Matthew Hall:
op. cit.: 26ff. Hall erfaßt damit die Mitte des aristotelischen Denkens oder
wenn man will seiner „Ontologie“. Im Unterschied zu der von Heidegger
unterstellten Onto-Theologie.
[3] Siehe Matthew Hall:
op. cit.: 110.
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