Das Buch V setzt wieder (wie die vorausgehenden
Bücher) neu an und stellt sich als „Lexikon von Definitionen“ dar. Es werden 30
Begriffe der Metaphysik (auch der Physik, der Logik) definiert.
Der erste dieser Begriffe lautet im Griechischen arche,
zumeist als „Prinzip“ übersetzt, welche Übersetzung jedoch, wie man gleich
sieht, keineswegs immer geeignet ist, denn die arche wird recht
vielfältig verwendet („ausgesagt“), die Grundbedeutung ist so etwas wie das
„Erste“. Die ersten drei Bedeutungen sind immanent: Teile der Sache, deren
Prinzipien sie sind. Also der Anfang eines Weges – mit der Implikation, dass so
ein Weg auch einen anderen Anfang hat; Anfang eines Lernprozesses, der mit dem
Prinzip der zu lernenden Sache zusammenfallen kann – oder auch nicht: dann
handelt es sich um einen Anfang für uns; grundlegender Teil eines Bauwerks oder
Hauptorgan eines Lebewesens; oder aber nicht-immanente Ursachen wie Eltern oder
Streitigkeiten als Anfänge von Kriegen oder Entscheidungen oder
Entscheidungsträger (Herrschende); Künste und vor allem leitende Künste als
Ursachen von Werken; das Erkennbarste einer Sache (wiederum ein eher immanentes
Prinzip) oder Voraussetzungen von Beweisen. Also eine recht gemischte
Gesellschaft versammelt sich unter dem Begriff arche – der übrigens auch
alle Ursachen umfasst (bei denen gibt es ebenfalls immanente sowie
transzendente). Als etwas abstraktere archai werden genannt: Natur,
Element, Überlegung, Entscheidung, Wesenheit und Worumwillen, das Gute, das
Schöne.
Schon die folgenden Definitionen beziehen sich
explizit auf einige hier genannte archai. Diese Definitionensammlung
scheint also nicht in jeder Hinsicht „logisch“ aufgebaut zu sein. Wohl aber
dürfte sie den tatsächlichen Gebrauch der Wörter wiedergeben, welcher der
Umgangssprache entstammt und die Umgangssprache nicht einfach überwindet oder
ersetzt, sondern sie weiterentwickelt. Allerdings darf gefordert werden, dass
der jeweilige Gebrauch eines Begriffs expliziert und unterschieden werden
können muß. Unklarheit ist nicht das „Ideal“ antiken Philosophierens – schon
gar nicht des aristotelischen. Aber wie sich die Philosophen zwischen
Eindeutigkeit und Mehrdeutigkeit verhalten, sieht man erst, wenn man genau hinschaut.
Walter Seitter
--
Sitzung vom 15. Oktober 2014
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen