Im letzten
Protokoll habe ich geschrieben, da Aristoteles die Substanzen weitgehend mit
den Körpern gleichsetzt (aber nur extensional, nicht intensional) bekomme seine
Ontologie eine „materialistische Schlagseite“. Eine etwas unvorsichtige
Ausdrucksweise, weil die auf der Logik aufbauende Ontologie jenseits von
Eigenschaften wie „körperlich“, „seelisch“ oder dergleichen operiert. Dennoch
können „moderne“ philosophische Theoreme auch auf die Ontologie (im
aristotelischen Sinn) bezogen werden. Und zwar auch dann, wenn sie das Wort
„Ontologie“ gar nicht verwenden. Der Begriff „Intensität“ von Gilles Deleuze
etwa würde sich dazu eignen. Intensität ist eine pure Seinsmodalität, die in
allen möglichen Realitätsbereichen eine Rolle spielen kann (auch in
psychischen). Eine ontologische Kategorie, die auch mit „Wesen“ wenig zu tun
hat. Eher schon mit der „Überkategorie“ seiend = wirklich = real. Ontologische
Begriffe haben etwas Formalistisches.
Für die These,
dass auch die Teile von Wesen als Wesen gelten können, wird das Argument
angeführt, dass bei Wegfall von Teilen das Ganze wegfällt. Also die
Abhängigkeit des Ganzen von Teilen. Eine merkwürdige Umdrehung, denn für die
Akzidenzien gilt, dass sie nur Akzidenzien sind, weil sie vom Wesen abhängen.
Aber da unterscheidet Aristoteles stark zwischen Teilen und Akzidenzien. Obwohl
die Teile ja ebenfalls vom Ganzen abhängen – doch da wird die Abhängigkeit
reziprok gesehen.
Eine gewisse
reziproke Abhängigkeit zwischen Wesen und Akzidenzien ist uns allerdings auch
schon gelegentlich untergekommen (sogar bei Aristoteles – siehe Poetik).
Mit dem
Doppelbeispiel Lebewesen – Seele sollten die beiden Versionen von ousia,
Substanz, Wesen ein für alle Mal klargestellt sein. Erfreulicherweise spricht
Aristoteles nicht nur von „der anderen Version“, sondern auch von „den beiden
Versionen“ (1017b 15, 23).
Daß die Zahlen
als Substanzen gelten, wird als Meinung referiert, aber eher abgelehnt. Die
allerletzten Sätze dieses Abschnittes fassen zusammen – ich würde sagen: etwas
konfus. Aber sie führen zusätzliche Begriffe ein, was natürlich hilfreich ist.
PS.: Am
Samstag, dem 30. Mai 2015, um 11.45 – 12.45,
spricht
Christophe Ehrismann, den ich vor einiger Zeit mit einem Satz von Eriugena
herbeizitiert habe, über die Geographie der Logik:
Ort: Institut
für Byzantinistik, Postgasse 7, 1010 Wien
Walter Seitter
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Sitzung vom 20. Mai 2015
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