Erstaunlich,
dass der Abschnitt 8, der die Hauptkategorie „Wesen“ behandelt, von allen
bisher gelesenen (im Buch V) der kürzeste ist. Andererseits liefert er in
knapper Form aufschlussreiche Klarstellungen zu seinem Thema.
Der Abschnitt
9 folgt ebenso dem Schema „a legetai x und y ....“. Für a werden hier mehrere
Qualitäten eingesetzt: tauta, hetera, diaphora, homoia, anomoia. Bestimmungen,
die uns umgangssprachlich vertraut sind, deren logischer Status jedoch nicht
leicht anzugeben ist.
Dasselbe
(genauer: dieselben) im akzidenziellen Sinn liegt (liegen) dann vor, wenn
mehrere Bestimmungen, darunter mindestens eine akzidenzielle, von einander
ausgesagt werden. So sind z. B. „französisch“ und „dunkelrot“ dieselben, wenn
beide Eigenschaften – zufällig - einem Buch zukommen. Eine ziemlich schwache
Selbigkeit, weil die beiden Begriffe miteinander eigentlich nichts zu tun
haben; sie treffen sich nur – hier und jetzt – in einem Dritten, das
ebenso gut andere Eigenschaften haben könnte. Nur die Allgemeinheit „Buch“
kommt irgendeinem Buch an sich zu (Heidegger: irgendeinem Buch an ihm selber
(was hier sogar sprachlich exakter ist)).
Andere
Selbigkeiten decken sich mit „Einheit“ – die im Abschnitt 6 Thema war und auf
unterschiedlichen Gründen beruhen kann. In 1018a 7 bildet Aristoteles die
beiden Begriffe „Selbigkeit“ und „Einheit“ und identifiziert sie so weit, dass
er sagt, dass die Selbigkeit eine Einheit von mehreren ist: also eine schwächere
Einheit bzw. in gewissem Sinn eine stärkere Einheit, da sie sogar Nicht-Eine zu
einen vermag. Unter den Nicht-Einen kann sogar ein ganz und gar Eines sein, das
ausgerechnet durch die Identifizierung mit sich selber logisch entzweit wird:
es ist identisch mit sich (Heidegger würde die Entzweiung verstärken, indem er
die reflexive Form vermeidet: identisch mit ihm selber).
Der Gegensatz
des Selben ist das Verschiedene (oder das andere) und verschieden bzw. anders
können Dinge wieder aus mehreren Gründen bzw. in mehreren Hinsichten sein:
Form, Stoff ....
Unterschieden
sind solche Dinge, die selbe sind und nur aufgrund von Formbestimmungen
verschiedene. Die Unterschiedenen bilden also eine Teilmenge der Verschiedenen
(anderen).
Die Gleichheit
mehrerer Dinge wird merkwürdigerweise auf gemeinsame Akzidenzien zurückgeführt:
gleiche Erleidungen, gleiche Qualität, gleiche akzidenzielle Veränderungen
(zwischen Gegensätzen). Und entsprechend die Ungleichheiten.
Diese
Ausführungen machen den Eindruck, dass Aristoteles viele Differenzierungen
miteinander kombinierbar macht. Es gibt ja nicht nur die zehn Kategorien,
sondern noch ein paar weitere Grundbegriffe (Stoff, Gattung, Veränderungen
...), die Hinsichten für Differenzierungen bieten.
Keine Theorie
von „der“ Identität oder Differenz. Und wenn es bei Aristoteles auch so etwas
wie Distinguierung und Diskriminierung geben sollte, also aufwertende und
abwertende Differenzierungen, so werden auch die durch die vielen Hinsichten
hindurch müssen.
Walter Seitter
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Sitzung vom 27. Mai 2015
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