Nicola Schößler
hat ihre Tochter Ida (16 Monate alt) mitgebracht und schon führt sie vor
(allerdings nicht in Vorführungsabsicht sondern aufgrund von
Naturnotwendgkeit), was wir zuletzt besprochen haben: die Menschenteilung, wie
sie zwischen Mutter und Säugling üblich ist. Wir haben also Gelegenheit, etwas
im pragmatischen Vollzug wahrzunehmen, was man wissenschaftlich elaborieren und
sogar philosophisch sublimieren kann.
Wie die ersten
Sätze der Metaphysik zeigen, bildet nicht die Philosophie den weitesten
Horizont für die Ausführungen dieses Buches – sondern Erkenntnis überhaupt, bis
„hinunter“ zu den Sinneswahrnehmungen – auch zu denen der anderen Tiere. Den
etwas engeren Horizont bilden dann die Wissenschaften, die es damals – um das
Jahr 320 – schon in größerer Zahl gab, einige von ihnen von Aristoteles selber
erfunden oder zumindest vorangetrieben. Und einige dieser Wissenschaften, nicht
alle, sind von Aristoteles in den Rang von „Philosophie“ gehoben worden, ohne
ihren empirischen Charakter zu verlieren: Physik, Ethik, Politik ... Das Buch Metaphysik
hingegen möchte aus der Philosophie eine eigene Wissenschaft machen – eine
höchste, eine reine. Doch werden in diesem Buch ständig Stücke aus den schon
bekannten Wissenschaften wieder und wieder wiederholt, resümiert, umformuliert
und nur in einzelnen Schüben werden die Steigerungen vollzogen, die aus der
„gesuchten“ Wissenschaft eine „wirkliche“ Wissenschaft und eine „eigene“
Philosophie machen sollen. Bisher, bis zum Buch V, ist nur eine
Steigerungsrichtung deutlich artikuliert worden: die ontologische. Die
metaphysische bleibt auf später hinausgeschoben.
Und was nun
die ontologische Philosophierichtung betrifft, die von der Logik als
Metasprache ausgeht, so wird sie von Aristoteles nicht zu einem „höheren
Standpunkt“ verfestigt, von dem aus dann mit Verachtung auf die anderen
Wissenschaften, die gewöhnlichen, und erst recht auf den „gemeinen
Menschenverstand“, mit Verachtung hinuntergeschaut wird. So ein Gestus ist
hingegen an der hegelschen Philosophie von Hegels Zeitgenossen und meinem
Landsmann Franz Grillparzer (und nicht nur von ihm) beobachtet worden – mitsamt
gewissen politischen Implikationen (denn „Verachtung“ ist schon ein politischer
Gestus). Und im 20. Jahrhundert hat Martin Heidegger die Attitüde der
Verachtung direkt mit der Ontologie amalgamiert – zweifellos ein Kunststück für
sich und daher die riesige Faszination die von Heidegger ausgeht (auch auf
mich).[1]
Aristoteles
hat die Relation zunächst als Affektion des Quantitativen besprochen (als
Akzidens an einem anderen Akzidens), wobei die Relation „mehr als“ in Bezug auf
Eines festgestellt wird. Sie kann aber auch in Bezug auf ein Wesen oder eine
Qualität ausgesagt werden.
Ein anderes
Feld der Relation eröffnet sich von Tätigkeiten aus, die sich auf ein Objekt
beziehen: messen, wissen, wahrnehmen, sowie verschiedene Arten von bewirken. So
ergibt sich der Vater als Relationsbegriff: Bewirker des Sohnes. Als negatives
Objekt des Sehens nennt Aristoteles das Unsichtbare – bei der Gelegenheit komme
ich auf meine „Grundsätze der Optik“ zu sprechen, welche einige Klarstellungen
zum Sichtbaren und Unsichtbaren bringen.[2]
Das Feld der
Bezüglichkeit wird in zwei Bereiche geteilt: die Zahl und das Vermögen (von
welchem das Bewirken ausgeht). Für die Relationen des Bewirkens betont
Aristoteles, dass sie jeweils nur in einer Richtung existieren – und nicht
reziprok. Das Sehen ist auf eine Farbe oder dergleichen gerichtet. Damit
bestätigt Aristoteles die neulich ausgesprochene Vermutung, dass auch er
Akzidenzienparameter wie die Farbigkeit für etwas Notwendiges hält.
Wenn die
Bezüglichkeit für ein bestimmtes Vermögen gilt, etwa die Medizin, so gilt sie
auch für die entsprechende Gattung – z. B. die Wissenschaft. Auch Gleichheit
und Ähnlichkeit sind Bezüglichkeiten.
PS.: Erstes
Wiener Philosophen-Café im Café Korb am Samstag, 14. November 2015, um 16
Uhr : „Freundschaft“.
Walter Seitter
Sitzung vom 11. November 2015
[1]
Siehe
dazu meine neuliche Lesung „Franz Grillparzer über Hegel, Heidegger, Hitler“ (online findet sich dazu ein Bericht von Wolfgang Koch), sowie
Grillparzer, Ontologie, Heidegger, in: Tumult Zeitschrift für
Konsensstörung (Winter 2015).
[2]
Siehe
Walter Seitter: Physik des Daseins. Bausteine zu einer Philosophie der
Erscheinungen (Wien 1997): Grundsätze der Optik, 62ff. Meine
Feststellungen zum Sichtbaren und Unsichtbaren sind sehr weittragend,
verbleiben aber im Empirischen, Nachvollziehbaren, Kritisierbaren (ungefähr so
wie die aristotelische Physik).
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