τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Mittwoch, 7. Juli 2021

In der Metaphysik lesen (1072b 30 – 1073a 37)

  Seiner ziemlich wilden These von dem unsichtbaren und unsterblichen Tier, das er mit dem alten Wort „Gott“ benennt, besser gesagt, der denkerischen Voraussetzung dieser These, stellt Aristoteles die Pythagoreer sowie den Speusippos entgegen, der als Neffe und Nachfolger Platons (an der Akademie) ein direkter Rivale des Aristoteles war (wie Wolfgang Koch erläutert). Aristoteles wirft ja die Platoniker, zu denen er selber gehörte und die er näher kannte, öfter in einen Topf mit den Pythagoreern. Nun sagt er, die Genannten würden behaupten, dass das Schönste und Beste nicht schon im Prinzip vorliege, sondern sich erst mit der Zeit daraus entwickeln, womit sie die Samen meinen, die bei Pflanzen, Tieren und Menschen jeweils als Anfänge fungieren, aber von ihrer Vollendung noch weit entfernt seien und daher eine zumeist sehr gewaltige Entwicklung durchmachen müssen. 

 

Gegen diesen unleugbaren Anschein der zeitlichen Priorität des Unvollendeten führt Aristoteles ins Treffen, dass die unvollendeten Anfänge ihrerseits von vollendeten Exemplaren der jeweiligen Spezies hervorgebracht werden, natürlich von anderen, von älteren, den jeweiligen Vorfahren – was er im Buch IX schon ausführlich erörtert hat. Auch dafür spricht ein unleugbarer Anschein, der allerdings weiter zurück in die Vergangenheit führt. Dieser Rückgang zu den Vorfahren kann allerdings nach Aristoteles nicht endlos weit zurückgehen, obwohl nach seiner Ansicht die Welt mit ihren Lebewesen ewig oder zumindest immerwährend dauert und weiter dauert. 

 

Nach unserer heutigen Ansicht hat die Welt vor einem angebbaren Zeitraum angefangen und der vorherrschende Ansicht zufolge, die mit dem Stichwort „Evolution“ umschrieben wird, haben sich die bekannten mehr oder weniger vollkommenen Wesen, also Lebewesen oder auch Sterne oder aber die „Ilias“ oder der Stephansdom aus irgendwelchen Potenzialitäten entwickelt – was Heidegger in den schon öfter zitierten Satz gefasst hat „Höher als die Wirklichkeit steht die Möglichkeit.“ Mit diesem Satz setzt sich Heidegger – ob wissentlich und willentlich oder nicht – entschieden von Aristoteles ab. Laut Aristoteles stellt er sich damit auf die Seite anderer antiker Philosophen wie der Pythagoreer oder des Speusippos. Die antiken Philosophen sind nämlich nicht ein großer homogener Haufen von Gleichdenkenden. Philosoph sein hieß damals schon, was es hoffentlich auch heute heißt: selber denken – womit man sich allerdings immer wieder in bestimmten Fragen und Antworten mit anderen treffen kann. 

 

Sich mit anderen treffen ist nicht unbedingt unphilosophisch. Konsequente Konsensvermeidung ist genau so lächerlich wie unbedingtes Konsentieren – jedenfalls in der Philosophie (in der Religion mag das anders sein). 

Aristoteles hat die Entstehung von vollständigen Wesen aus niedrigen oder minimalen oder nur potenziellen Entitäten nicht vollständig ausgeschlossen: es handelt sich dabei um eine der beiden unordentlichen Genesen, nämlich um die „automatische“ oder „spontane“: Entstehung von etwas „von selber“, das heißt man weiß nicht aus was. Die heute mehr oder weniger absolut gesetzte „evolutionäre“ Entstehungsart ist bei ihm nur eine von vier Entstehungsarten und sie ist zu schwach, um die Entstehung alles dessen, was wahrnehmbar und überhaupt erkennbar existiert, verständlich zu machen. Wir haben davon im Buch VII gelesen. 

 

Jetzt vollzieht Aristoteles aus dem Gesagten eine Schlussfolgerung, die uns – jedenfalls mir – zwar formal irgendwie nachvollziehbar erscheint, aber insgesamt ist der Sprung, den sie macht, denn doch zu gewaltig: es ist der Sprung zurück zu einem vollständigen und vollkommenen Wesen, das terminologisch zwar in die Reihe der Lebewesen integriert wird, aber gleichzeitig von den sichtbaren Lebewesen abgesetzt wird und äußerst paradox das heißt unglaubhaft als unsichtbares unkörperliches unsterbliches Lebewesen, als völlig andersartiges Urwesen, als aphysische aber vollkommene Ursache also Sache postuliert wird. 

 

Ursachen sind nämlich auch Sachen – und vielleicht sind alle Sachen irgendwie Ursachen.

 

Was ist die erste sichtbare und physische Entität – Wesen oder was? -, die von der aphysischen Ursache irgendwie bewegt, angestoßen - Aristoteles sagt gar nicht: geschaffen - wird, so mächtig wie ein Schöpfer ist besagtes Prinzip gar nicht - es bewegt nur, indem es denkt und gedacht wird. Von wem gedacht? Von bewegtem Denkendem. Aber mit irgendwas Denkendem außerhalb des ersten Denkens muß bereits etwas Physisches im Spiel sein. Mit dem ersten Außerhalb ist schon etwas Ausgedehntes gegeben, mit dem ersten Denken „nach“ oder vielmehr „neben“ also „außer“ dem allerersten Denken postuliert Aristoteles etwas wie Ortsbewegung. Die Ortsbewegung ist das erste Zweite. Mit ihr beginnt die „Physik“. Der postulierende Aristoteles ist selber so ein zweites oder vielmehr x-tes Denkendes mitsamt Ortsbewegung und Physischem.

 

 

Davor gibt es „nur“ Noetik“ – aber schon mit „Kinetik“. 

 

Diese Kunstwörter kann man einsetzen, um terminologisch von dem zu sprechen, wofür Aristoteles als Folkloriker auch „Gott“ sagt (siehe dazu später im Buch XII) – obwohl er damit nicht genau Zeus meint, auch nicht irgendeinen noch besseren Gott. 

Zur Noetik:

 

Noein, noesis, nous, noumenon und so weiter. Wie wir gelesen haben (Lesen ist auch ein Verb und bezeichnet eine Tätigkeit), spricht Aristoteles (Sprechen beziehungsweise Schreiben sind auch Tätigkeiten und zwar solche, die direkt in die Lebensform namens „Theoria“ hineingehören – jedenfalls seit ein paar tausend Jahren) den Tätigkeiten, die sich auf das „Gott“ genannte Prinzip beziehen, den höchsten Rang zu, womit dem höchsten Rang des Prinzips kein Abbruch getan wird, weil dieses Prinzip auch nur aus solchen Tätigkeiten, beziehungsweise aus verschiedenen Genera, Positionierungen, Modulationen der speziellen Tätigkeit der noesis besteht. 

 

Die zentrale Tätigkeit, mit der das Prinzip selber charakterisiert wird und durch die es bewegt, was sich von ihm bewegen lässt, indem es gleichartig auf es zurückwirkt also es wiederum denkt, ist das Denken.

 

 

Dieses Wort wird von Aristoteles am besten dort erklärt, wo er es in eine trianguläre Vergleichung einspannt, wie bereits am 2. Juni dargetan worden ist. Das Denken sei einerseits dem Wahrnehmen, andererseits dem bloßen Sagen ähnlich, welche ihrerseits eher unähnlich zueinander stehen.

 

Das Denken ist nach Aristoteles eine Leistung, die an die Wahrnehmungsvorgänge anschließt, sie zusammenfasst und eine eigene Ebene erreicht, indem sie dann auch noch das Spezifische des Sagens dazunimmt. 

Das Wahrnehmen und das bloße Sagen können als relativ bekannte Vorgänge gelten. Natürlich besteht auch da die Gefahr, dass sie „allzu bekannt“ sind und folglich unerkannt bleiben.

Gegen diese Gefahr hat Michel Foucault sein Buch Archäologie des Wissens über die Aussage als Aussage geschrieben, wo er sich bemüht, gegen die selbstverständliche Vertrautheit mit der Aussage zu ihrer Erblickung und Erkennung als einem speziellen Tun, Ereignis, Ding anzuschreiben.[1]

Gegen die, wie ich meine auch aristotelische Annahme, dass die Wahrnehmungen zwar theoretisch analysiert werden können (was bei ihm ausführlich geschieht), dass sie aber als elementare Lebensvollzüge nicht schlechterdings unbekannt sein können, behauptet Wolfgang Koch, dass diejenige Wahrnehmung, die nach Aristoteles auch für das Zustandekommen der noetischen Leistung ausschlaggebend ist, nämlich das Sehen, nur mit dem christlichen Verständnis des „Paradieses“ erfasst werden könne. 

 

Damit setzt er seine irrationalistische Attacke gegen das Herzstück eines jeden Aristoteles-Verständnisses fort. Zu dem gehört nämlich auch, dass man das Sehen als Praktik selber betreibt und gleichzeitig begreift, indem man zum Beispiel auch das Wort „Metaphysik“ anschaut und sieht, dass es zu 60% aus „physik“ besteht. Wenn man das nicht sieht und sonst auch nichts, dann muß man vielleicht bei irgendeiner Religion Zuflucht suchen – aber finden kann man dort ein Sehen auch nur, wenn man selber sieht. Es sei denn, man begnügt sich mit Wörtern, die möglichst viel bedeuten, aber man weiß nicht was. So etwas nannte Karl Kraus „Phrasen“. Wenn man im Sehen schwach ist (das kann passieren), muß man versuchen, es zu lernen, und dass kann man nur durch learning by doing – notfalls durch Lesen, denn das ist auch ein Sehen, aber ein verfängliches, weil es durch rasches Weitereilen und viel Übersehen gekennzeichnet ist. Aber auch durch notwendige Erhebung zur noesis.

Zum Beispiel verhilft das Weiterlesen im Abschnitt 8 des Buches XII zur sozusagen televisionären Einsicht, dass die da genannte platonische Ideenlehre, wie schon ihr Name sagt, dass der wichtigste „Gegenstand“ der platonischen Lehre keineswegs irgendein Eines oder eine große Einheit ist, sondern eine – allerdings nicht abzählbare – Vielheit von – ja von was? – ist. Von „Ideen“ - das heißt von „Sichten“. Auch Platon, der dem Religiösen vielleicht näher stand als Aristoteles, hat für die Gewinnung dieser Erfahrung und für die Erarbeitung dieses Begriffs kein christliches Paradies aufgesucht. 

 

Kein Hiesiger war je in dem Paradies – also kann auch keiner dort etwas erfahren haben – schon gar nicht das Sehen.

 

Um auf der Metaebene weiterzuschreiben: ein unentbehrliches Stück der Noetik ist die Optik. Und zu der empfehle ich die Lektüre der „Grundsätze der Optik“ in der Physik des Daseins.[2]

 

Die noetische Tätigkeit ist aber auch mit dem Sagen verwandt und dieser Bedeutungsaspekt geht in die Richtung von Behaupten, Affirmieren, Geben. 

 

Zur Kinetik: 

Die am häufigste gebrauchte begriffliche Fassung für das erste Prinzip lautet das „unbewegte Bewegende“ – eine Zusammenstellung, die den Begriff der Bewegung verdoppelt und seine Affirmation mit seiner Negation verbindet, wobei das affirmierte Aktiv so schwach ist, dass es bei ihm selber anscheinend gar keine Wirkung erzielt, es wirkt nur und das ist schon alles, es passiert gar nichts, es wird von seiner Bewegungstätigkeit gar nicht beunruhigt oder in Mitleidenschaft gezogen, es leidet nicht, es ist nicht passiv, es ist nur ungestört aktiv. Es „passiert“ gar nichts, weil es in sich so einen riesigen Spielraum hat, der jede Veränderung, die sich aus der Aktivität ergeben könnte, eigentlich müsste, durch die Überlegenheit einer Intelligenz abfedert, weil die gesamte Aktivität in Erkennen, Verstehen, Lieben nicht aufgehoben ist sondern nur darin besteht. Es handelt sich ja in dieser aristotelischen Konzeption um ein souveränes Tier, dem „alles egal“ ist – gerade weil es aus einem durchgängigen, umfassenden, selbstverständlich triumphierenden „Es ist nicht egal was geschieht“ besteht.[3] Dieses siegreiche „nicht egal“ – das ist sein Standpunkt, aber „Standpunkt“ ist zu klein, das ist seine „Linie“, Linie ist schon besser, aber immer noch zu eng - wirkt sich für es selber so aus, dass es unerschüttert bleibt, gerade weil es in durchgängiger durchgehaltener aufrecht erhaltener Wissendheit besteht, die von keinen inneren Wechselfällen unterbrochen wird und folglich auch nicht von äußeren beunruhigt werden könnte, weil die Aufrechterhaltung der Wissendheit zunächst einmal alle Beunruhigungen auf Distanz halten würde, indem sie sie zur Kenntnis nimmt. 

 

Die Aufrechterhaltung einer intensiven kognitiven, emotionalen, volitiven Haltung – diagogehabitudo – und keineswegs die Ruhigkeit eines Steins, bildet den Kern der Charakterisierung des „unbewegten Bewegenden“. (Wie die antiken Atomisten sagen allerdings auch die heutigen, dass sich die Ruhigkeit eines Steins der hartnäckigen Regelmäßigkeit von mikrophysikalischen Bewegungsabläufen verdankt).  

 

Bewusstsein ist die Aufrechterhaltung eines hohen bei uns immer fragilen Niveaus, eines Erkenntnis-, Gefühls-, Willens-, Könnensniveaus. Bei der von Aristoteles herbeigeschriebenen noesis noeseos handelt es sich um ein allerhöchstes aber wunderbarerweise nicht fragiles Niveau. Dieses wird in erster Linie mit dem Doppelbegriff „unbewegtes Bewegendes“ bezeichnet, der sich stark an die ontologischen Begriffe „Verwirklichung“, „Vollendung“ anlehnt. 

 

Diese verzweigen sich einerseits in die noetischen Begriffe, die man der Psychologie zurechnen kann, andererseits in die kinetischen Begriffe, die in Richtung Physik gehen. Tatsächlich aber überlappen sie sich. 

 

Das „unbewegte Bewegende“ habe ich jetzt als immanenten Zustand betrachtet. Aber das „Bewegende“ ist auch nach außen gerichtet – es macht etwas mit dem, was außerhalb des Prinzips liegt. 

 

Was macht es mit dem? Es hat es nicht erschaffen, aber das Außerhalb bringt zunächst einmal die Tatsache mit sich, dass es ein Außerhalb gibt und damit so etwas wie Raum und Orte, die sich dem Einfluß oder der Ausstrahlung des Prinzips nicht entziehen können, zumal sie selber Denkwesen enthalten, die das Prinzip wahrnehmen, bewundern, nachahmen und sich dadurch von ihm bewegen lassen. Sie reagieren psychisch-noetisch auf die psychisch-noetische Macht des Prinzips und eben dadurch reagieren sie physisch-kinetisch: sie werden bewegt. Sie sind die „ersten“, die „nächsten“ Bewegten, Sich-Bewegenden überhaupt. Sie bewegen sich räumlich-geometrisch, sie bewegen sich lokal, also von Ort zu Ort, und Aristoteles steht nicht an, die Ortsbewegung, die uns banal oder grob erscheinen mag, zur ersten Veränderungsart überhaupt zu erklären. Ortsbewegung von Denkwesen, die auch Körper sein oder haben müssen – nur mit denen gibt es Ortsbewegung. 

 

Ewig und synchron koexistieren das Prinzip und, was zunächst von ihm in Bewegung gesetzt wird. Also das Unbewegte und das Bewegte. Primär wird in einer einfachen Ortsbewegung das All bewegt, also die Gesamtheit der außerprinzipiellen Wesen, in einer sozusagen pauschalen Gesamtbewegung. Dazu beziehungsweise darin gibt es noch Einzelbewegungen der Planeten, die jeweils ihren Bahnen folgen, die kreisförmig sind. 

 

Walter Seitter 

 



[1] Siehe Michel Foucault Archäologie des Wissens (Frankfurt 1973): 161ff.

[2] Diese Streitfrage ist so wichtig, daß ich einen aktuellen Zeitungsartikel heranziehe, um eine längere Fußnote anzuhängen. Sie geht in ihrer Bedeutung weit über jedwede Aristoteles-Exegese hinaus (die heute im Unterschied etwa zum 13. Jahrhundert ohnehin kein öffentlicher Kampfplatz erkenntnispolitischer Art ist) – es handelt sich nämlich darum, ob der Vernunft in philosophischen Fragen eine gewisse Autonomie zuzusprechen ist oder ob sie sich jederzeit von der Religion, von welcher Religion?, führen lassen muß, um nicht in die Irre zu gehen. 

 

Die Frankfurter Allgemeine vom 10. Juli 2021 bringt einen Aufsatz mit dem Titel "Vernünftige Gedanken auf der Würfelwiese", in dem Friedrich Christian Delius an den zwar berühmten aber heute völlig ungelesenen Philosophen Friedrich Wolff (1679-1754) erinnert. Immerhin hat mir mein Wiener Kollege Werner Gabriel vor wenigen Jahren mitgeteilt, daß er ein Seminar zu Christian Wolff veranstaltet, und dabei bezog er sich auf die Rede über die praktische Philosophie der Chinesen, die Wolff, der hauptsächlich als Mathematiker und Rechtsgelehrter tätig war, 1721 in Halle vorgetragen hat und sofort Skandal machte. Denn darin hat er nach Lektüren von Konfuzius (ca. 551–479) und Menzius (370–290) behauptet, daß die Chinesen (im Lateinischen weiblich sinae genannt) ausführliche Anleitungen zu sittlicher Erziehung, zu praktischer Nächstenliebe und zu weisem politischem Handeln kannten, ohne Christen zu sein, gar auch ohne religiöse Orientierung an einem Gott. Diese Ausführungen lösten den "Hällischen Streit" aus – mit professoralen Spionageaktionen, natürlich mit Anzeigen am Königlichen Hof (der preußische König hatte ja das Amt des Universitätsrektors inne). Es dauerte immerhin zwei Jahre, bis der König vom angeblichen Atheismus des Philosophen überzeugt war: "ich habe das nit gewuhst das der wolf so gottlose ist". Dann aber erging ein Befehl: binnen 48 Stunden das Land verlassen oder Strang. Wolff ging ins hessische Marburg, wo er erfolgreich weiterwirkte. Nach 15 Jahren erreichte man beim König die Bereitschaft zur Rehabilitierung; aber erst der junge König, Friedrich II., hob 1740 die Verbannung auf. 

 

Dabei ging es um die Frage, ob richtiges sittliches, soziales, rechtliches Handeln philosophisch erörtert und empfohlen werden kann, ohne daß man christliche Lehren dazu heranzieht. Es geht also um Fragen der "praktischen Philosophie", die nach allgemeiner Ansicht der Kompetenz der Religion nicht ganz fernstehen. Selbstverständlich würden auch die einschlägigen Schriften des Aristoteles den Anspruch erheben, zu diesen Fragen überzeugende Argumente zu liefern.

 

In unserer Aristoteles-Lektüre stellt sich das Problem noch radikaler, weil wir uns im Bereich der theoretischen Vernunft aufhalten und jetzt sogar mit dem zentralen Punkt der Theorie beschäftigt sind, der im bloßen Sehen seine Basis hat. Wenn Wolfgang Koch sogar diese elementare menschliche Leistung und Erfahrung nur über das "Paradies" für zugänglich hält, dann entfernt er sich weit von einer Vernunftauffassung, innerhalb deren Diskussion möglich erscheint.

[3] Siehe Walter Seitter: Menschenfassungen: 246- 

 

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