τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Freitag, 28. Januar 2022

In der Metaphysik lesen * Hermann – Lektüre 6 (60vC -61vB)

 19. Jänner 2022

 

In der im letzten Hermesprotokoll zur Hermann-Lektüre zitierten Stelle aus Aristoteles „Über Werden und Vergehen“ 316a, 5ff hatte er die Verwendung zu vieler logischer Argumente und den damit verbundenen Verzicht auf Erfahrung für die geringere Fähigkeit gesehen, die zusammengehörigen Konsequenzen einer Argumentation zu überblicken.

Es geht um die Entstehung der Körper aus kleinsten Größen. Dabei führt uns Aristoteles in eine Aporie der unendlichen Teilbarkeit, wobei kein Körper mehr übrigbleibt, sondern nur mehr Ungrößen wie eben Punkte und Linien, wobei sich die Unmöglichkeit der Entstehung von Körpern aus ungeteilten Nichtgrößen ergibt.

„Wenn aber freilich kein Körper und kein Größe mehr übrig sein wird, wohl aber die Teilung existiert, wird er aus Punkten, somit aus Ausdehnungslosen (amegéthe) zusammengesetzt, oder gänzlich nichts sein, so daß er, wenn er aus Nichts würde und zusammengesetzt wäre, auch insgesamt nichts, sondern (bloß) Erscheinendes wäre.“ Aristoteles, De gen. et corr., 316a, 26-29

 

Mit solchen Elementen ohne Größe (was amegéthe wörtlich bedeutet) und ohne Körper beschäftigt sich auch Hermann, wenn er sich mit der Zusammensetzung der ersten Samen befasst. Nur treibt er die Konsequenzen der unendlichen Teilbarkeit nicht in die Aporien wie Aristoteles. Er spricht von den Samen als Erste in der Zusammensetzung und als letzte in der Auflösung, aber am Ende stehen die Mischungen aus den einfachen Elementen, die nicht weiter aufgelöst werden können. Er führt zwar noch andere Namen an wie das Allgemeine Einzelne oder das kleinste Teilchen, aber am Anfang der Zusammensetzung steht die „Mischung“.

Im Versuch die Frage, was die einfachen Elemente der Dinge sind, zu beantworten, weicht Hermann in die Darstellung der Ansichten der medizinischen Autoren aus. Einerseits sieht er, dass Teilungen wieder nur zu Körpern führen und deswegen meint er, dass die Erkenntnis der Elemente nicht durch Teilung geschehen kann, weil sonst eine Wegführung ins Unendliche droht. Deswegen der Halt bei den Mischungen.

Dann kommt er zu Anschaulichem, wie der Kühle der Erde und der Feuchte des Wassers und kritisiert die Vier-Elemente-Lehre der medizinischen Autoren, die diese Elemente einerseits als einfache Wesen verstehen, andererseits jedes einzelne Element aus den anderen gefertigt ansehen. Das bedeute für Hermann zuviele Ursprünge anzunehmen.

 

Die Argumente der Astrologen zu der Entstehung der Dinge bringen 8 weitere Elemente der oberen Welt ins Spiel, die als erzeugende und nährende Ursachen für die weltlichen Dinge hinzutreten. Diese Elemente sind rein und beständig und nicht die direkten materiellen Ursache der Dinge, aber sie bestimmen doch die natürliche Zusammensetzung der Dinge selbst.

Nach dieser Einflusstheorie der Entstehung der Dinge von Oben und Unten wendet sich Hermann der Körperlichkeit der Elemente selbst zu. Am Anfang wurde alles aus dem Nichts gemacht, aber nicht ohne Plan. Den Plan gilt es zu erkennen, und es gibt dabei Einzelne, die dasselbe sind und Verschiedene, die die Körper sind. Obwohl Ursprung des Verschiedenen sind dieselben Einzelnen nur unkörperlich.

Trotz dieser Voraussetzungen sucht Hermann eine Entstehung der Körper aus etwas Unkörperlichen zu umgehen, als würde er Aristoteles in einer Parallelbewegung folgen, der es aporetisch mit der Addition von Punkten zeigen möchte, das dadurch kein Körper entstehen kann.

„Wenn es aber kein Körper ist, sondern eine Art trennbare Form oder eine Beschaffenheit, die wegfiel, und die Größe in Punkten oder Berührungen besteht, die diese Beschaffenheit haben, bleibt doch ungereimt, daß aus Nichtgrößen Größe sein soll.“ Aristoteles, De gen. et corr., 316b, 2-5

 

Bei Hermann wird die Lösung aus dem Dilemma der Entstehung der Körper aus etwas Unkörperlichem darin gefunden, das er keine Übertragung der Form annimmt, sondern eine Gestaltung der Materie sich vorstellt, in der Art, dass etwas Formloses irgendwie eine Gestalt erlangt. Hier spielt er mit dem lateinischen Wort informationem, das durchaus Gestaltung bedeutet, aber auch in Form bringen, wenn die Erde anders gestaltet wird, informatis, entstehen andere Gattungen, weil hier das Formlose, informe, in eine geformte, informatam, Sache überführt wird.

Die ersten Mischungen können auch nicht genau bestimmt werden, denn dann wären sie nicht mehr imstande jede Form aufzunehmen und passend zu sein. Sie sind nur der Einbildungskraft zugänglich, die aber die täuschendste aller Arten der Weisheit ist und so unsicher und überfließend wie der Lernäische

Sumpf – der war südlich von Sparta und wurde durch Herkules trockengelegt.

 

Karl Bruckschwaiger

 

Nächster Termin: 26.2.2022 

Aristoteles lesen, Metaphysik, Buch XIII

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