Zuerst zeigte ich Walter Seitter das Buch von Remi Brague – Die Weisheit der Welt, von dem ich mir einige Anregung zur Beurteilung und Einschätzung der kosmographischen Arbeit von Hermann erwarte, allerdings nichts was die Lektüre, das Übersetzen und Protokollieren ersetzen kann, aber doch bereichern.
So wird von Brague ein längeres Zitat von Simplicius gebracht, das sehr deutliche Parallelen mit dem kosmographischen Projekt von Hermann aufweist. Simplicius oder Simplikios von Kilikien (480–560 n.Chr.), ein neuplatonischer Philosoph, verfasste unter anderem Kommentare zu Werken von Aristoteles, den Kategorien, der Physik und der Abhandlung Über den Himmel und was hier besonders interessiert, zwei Exkurse über die Zeit und über den Ort. Das Zitat von Simplikios:
„Die Aufgabe der Betrachtung der Natur (theōria physikē) besteht darin, das Wesen des Himmels und der Sterne, die Macht und Beschaffenheit der Erzeugung und des Verfalls zu untersuchen, und, beim Zeus, sie ist in der Lage, Beweise der Größe, der Form und der Ordnung der Dinge zu erbringen. Was die Astronomie (astrologia) betrifft, so macht sie sich nicht zur Aufgabe, von dergleichen zu sprechen, aber sie zeigt die Ordnung (taxis) der himmlischen Dinge, nachdem sie bewiesen hat (apophēnasa), dass der Himmel (ouranos) tatsächlich eine Welt (kosmos) ist; sie spricht von den Formen, der Größe, den Entfernungen der Erde in Bezug auf die Sonne, den Mond, zu den Eklipsen und den Konjunktionen der Sterne, über Menge und Beschaffenheit, die auf ihren Umläufen sichtbar werden.“
Das umreißt das Projekt von Hermann schon einigermaßen, wenn man Zeus weglässt und eine christliche Schöpfungsgeschichte an den Anfang stellt. Da Simplicius von den Arabern viel übersetzt, rezipiert und kommentiert wurde, vor allem die Kommentare zu Aristoteles, das Zitat stammt aus dem Kommentar zur Physik, ist eine zumindest indirekte Kenntnis durch Hermann doch wahrscheinlich. Diese Kommentare waren extrem ausführlich und sind laut deutschem Wikipedia-Eintrag, der auch ungewöhnlich ausführlich ist, einer der wichtigsten Quellen der antiken Philosophiegeschichte. Die Ausführlichkeit hatte anscheinend selbst historische Gründe. „Die Ausführlichkeit und Detailfülle seiner Werke ist vor dem Hintergrund der damaligen Verhältnisse zu sehen: Angesichts der Gefährdung der paganen Bildungsgüter durch militante christliche Kreise, die sich in der zwangsweisen Schließung der Athener Philosophenschule zeigte, versuchte er den Ertrag der jahrhundertelangen Bemühungen der Philosophen durch eine gründliche Darstellung für die Zukunft zu retten.“ (aus Wikipedia zu Simplicius)
Hermann folgt Simplikios nicht in der Korrektur des aristotelischen Ortsbegriffes, die darin bestand, den Ort selbst zu einer ousia, aus ihm eine aktive Substanz zu machen, die den Körpern ihren Platz zuweist und damit als ordnende Struktur des Kosmos auftritt, sondern er bleibt bei der aristotelischen Sicht, das das Weltall keinen Ort hat, dass es selbst nicht umgrenzt ist.
Während die Kreisbewegung des Himmels noch ein Argument für einen Ort des Weltalls war, ist die Kreisbewegung bei Simplikios wie bei Hermann der Grund, die Zeit als Ewigkeit zu verstehen, aus der die vergängliche Zeit heraustritt, ohne dass es zu einer Teilung der Ewigkeit kommt. Die Teilung der Zeit selbst als eine Aporie zu diskutieren umgeht Hermann, sondern begnügt sich mit der Bemerkung, dass die durch Verschiedenheiten erzeugte Zeit in eigene Kreisläufe gebracht wird.
Der vorgelesene Teil der Übersetzung beginnt mit einer Zuordnung der Planeten zu einzelnen Nationen, wobei es sich immer um drei handelt, die Araber, die Juden und die Römer. Es beginnt mit den schlechten Eigenschaften von Venus und Mars, die sich allesamt bei den Arabern, aber besonders bei ihrem Propheten Mohammed finden. Die Juden werden mit einer Reihe wenig erfreulicher Attribute bedacht, aber nur mit einem Satz über den Einfluss des Saturn. Bei den Römern finden sich die edlen Eigenschaften der Sonne und des Jupiter wie Ehre Frieden Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Obwohl Hermann zugesteht, das trotz des Vorteils der Römer die göttliche Offenbarung unter den Juden auftrat. Aber um diesen Mangel auszugleichen, schildert Hermann eine ausführliche Himmelserscheinung, wo dem Augustus Caesar die Geburt Christi angezeigt worden sei.
Danach leitet er als Erinnerung und Bestätigung den heiligen Tag bei den Nationen von den jeweiligen Planeten ab, bei der arabischen Nation den Tag der Venus, der Freitag, bei den Juden nach dem Wort Sabdai für Saturn, der Sabbat oder Samstag, bei den Christen der Tag der Sonne, der Sonntag.
Aus der Zuweisung der Nationen zu den Tierkreiszeichen leitet Hermann Religionen und verehrte Tiere ab. Bei den Ägyptern teils der Widder, teils der Stier, woraus das Verbot der Schlachtung der Rinder herkommen soll, und der Mensch der hinter dem Rind hergeht eben vorschlägt sich selbst zu verehren. Bei dem Tier der Römer, dem Adler, kommt Hermann auf die Vergöttlichung eines menschlichen Helden namens Jupiter und die Übertragung seines Namens auf einen Planeten. Dazu werden Cicero und Varro als Autoritäten aufgerufen, dass dies Namen von Männern waren, die als Götter der Nationen auf die Elemente der Welt übertragen wurden. So wird doch der menschliche Ursprung der heidnischen Götter postuliert, was eigentlich ein gefährliches Unternehmen ist, wenn es einmal auch den christlichen Gott trifft.
Auch die Abfolge der Weltreiche wird auf die Wanderung der Tierkreiszeichen, wenn auch etwas lückenhaft, bezogen, von Babylonien über Persien nach Griechenland. Mit Griechenland eng verbunden ist Rom, dessen Herrschaft nicht mehr partikular ist, sondern die ganze Welt in Besitz nimmt. Diese Welt ist schon ziemlich groß geworden, wie es einem weitgereisten Mann wie Hermann entspricht.
Karl Bruckschwaiger
Nächte Sitzung: 18. Jänner 2023
Aristoteles, Metaphysik, Buch XIII, ab 1084b,2
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