Zuerst wurde von Walter Seitter und Sophia Panteliadou über den Vortrag von Elisabeth von Samsonow mit dem Titel „Geopsychiatrie“ gesprochen und das darin vorgestellte Modell der Subjektivität von Felix Guattari, wo ich mich momentan nur an die ersten zwei Funktoren erinnern kann - Phylum und Territorium. Das Territorium übernimmt darin, zumindest für Samsonow, eine mütterliche Funktion und entlastet damit die reale Mutter. Der genauen Beziehung zu einer mit großem T angeschriebenen Terra kann ich nicht vor Ort nachgehen, da ich kein Buch von Guattari besitze und bisher nichts von diesem Autor gelesen habe.
Über den Wert der verlangsamenden Lektüre der Metaphysik von Aristoteles durch den Umweg über Beschäftigung mit Hermann de Carinthia ist schon an einigen Stellen gesprochen worden, aber am Begriff des Ortes wollte ich es noch einmal darstellen, wie der Ort zum Bestimmenden der Substanz bei dem Neuplatoniker Simpliakos anwächst, um später wieder zum Akzidentiellen herabgestuft zu werden, um eine gewollte Vorstellung des Himmels bei Hermann einrichten zu können.
Im Protokoll lese ich Hermanns Zuweisung der Nationen zu Planeten oder Sternbildern vor und habe mich gar nicht verwundert, das die darin vorgestellte „Herrschaft der Planeten oder Sterne“ (stellarum dominiis) mit dem christlichen Glauben oder wenigstens mit dem Alten Testament der Bibel schwer vereinbar war. Daran wurde ich wieder von Remi Brague erinnert, der an die Zurückweisung des Sternenkultes im 5. Buch Moses erinnert. Tatsächlich wird in Deuteronomium 17,2-7 nicht nur die Verehrung von Sonne, Mond und dem ganzen Himmelsheer, also der Sterne, als Gräuel bezeichnet, sondern auch die Steinigung angeordnet. Zwar nach einer Ermittlung und einer Feststellung des Tatbestandes und einer Vorführung vor dem Stadttor, was ein städtisches Gericht war, so verrechtlicht war dieses Verbot schon, daher wird es auch von der Kultreform des König Joschija von 622 v. Chr. herkommen.
Hermann fährt in seinem Text fort mit den Einteilungen des vergänglich Gezeugten, der occidua genitura, also der weltlichen Nachkommenschaft, und ruft sich dabei selbst zur Arbeit auf, die er aber mit der gleichen Strenge und Kürzung erledigt haben will, wie es Aristoteles nicht in drei Büchern erklären kann. Die erste Unterscheidung betrifft belebt und unbelebt, wobei sich bei den drei Gattungen Lebewesen, Pflanzen und Mineralien nur die Mineralien als unbelebt finden lassen. Dabei wurde schon die Qualität wahrnehmungsfähig oder empfindend (sensibile) eingeführt, die wiederum die Pflanzen von den Tieren trennt. Mit der Einführung der Seele wird das Mineral hinter sich gelassen und eine neue Dreiheit eingeführt, die sich um den Menschen als eigene Gattung erweitert. Es kommt dabei immer eine Unterscheidung hinzu, um die neue Gattung zu bestimmen, belebt sein – Pflanze, belebt sein und fühlen – Tier, belebt sein, fühlen und unterscheiden – der Mensch wird nicht genannt. Die dritte Gattung ist aber mächtiger als die anderen, denn sie regelt, teilt ein und stellt zusammen und besteht aus sechs Dingen: lebend, atmend, fühlend, unterscheidend, erinnernd und verstehend.
Hermann beruft sich bei der Entstehung der Seele auf Platon, dass sie sich nicht aus fremden Material entwickelt hätte oder aus widersprüchlichen Verbindungen, sondern sie kommt aus dem All-Beinhaltenden, den pantocle, heraus, wird geboren und vergeht nicht mehr. Platons Phaidon wird direkt zitiert mit „die Seele ist eine unkörperliche Substanz, die den Körper bewegt“ und Aristoteles mit De Anima „die Seele ist die Vollkommenheit des natürlichen, ausgerüsteten Körpers, der die Möglichkeit zum Leben hat.“ Das Unkörperliche gefällt Hermann bei Platon, während er sich der Vollkommenheit bei Aristoteles nicht verschließen kann, und auch dass die Seele die Möglichkeit des Lebens mit sich bringt, indem sie dem Leben zur Wirklichkeit verhilft.
Die nächste Unterscheidung, die Hermann einführt, ist zwischen einem rationalen Teil und einem irrationalen Teil des Tieres oder Lebewesens. Walter hält das rationale für wichtiger als das discernens, das Unterscheidende, und umfassender.
Jetzt erscheinen zwei Prinzipien der Dinge als auch Körper, und zum ersten Mal so etwas wie eine Definition von Substanz und Essenz. Dabei ist die Substanz das einfache Sein eines Dinges, während die Essenz die Unterschiede sind, die diese Einfachheit in vielerlei Hinsicht prägen ...
Das ist doch ein passender Cliffhanger, der Geschmack auf die Fortsetzung machen soll.
Karl Bruckschwaiger
Nächste Sitzung: 1.Februar 2023
Aristoteles, Metaphysik, Buch XIII, ab 1084b,2
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