Die ersten drei Kapitel des
Buches V waren verschiedenen Versionen des Ursächlichen gewidmet. Kapitel 4 hat
die Natur (physis) zum Thema – eher fast die verschiedenen Bedeutungen
des Wortes. Doch wir werden gleich sehen, dass es sich damit von der
Ursachen-Thematik kaum entfernt. Das liegt an der weiten Fassung dieses
Komplexes bei Aristoteles.
Wir haben uns schon einmal
ausdrücklich mit der physis beschäftigt, nämlich am 14. November 2012,
als uns Peter Berz Heideggers Aufsatz zum 1. Kapitel von Buch II der Physik vorgestellt
hat: eigentlich eine sehr ähnliche, aber ausführlichere Darlegung derselben
Bedeutungsvielfalt. Wir sehen daran neuerlich, dass die „gesuchte Wissenschaft“
in der Metaphysik im Vergleich zu den anderen, von Aristoteles vorher
bearbeiteten Wissenschaften, vor allem zur Physik gehört, keineswegs eine
Wissenschaft vom Ganz Anderen ist (in dem Sinn keine „Heterologie“) –
sondern eine Fortsetzung, eine Ausdehnung. Wobei wir die Vorsilbe meta in
zweifachem Sinn verstehen können: erstens in dem eher antiken Sinn einer
extensionalen Erweiterung, zweitens in dem eher modernen Sinn von
„Metawissenschaft“ (hier ließe sich eventuell die Ontologie einordnen).
Die erste Bedeutung von physis
erläutert Aristoteles rein heideggerianisch: man spreche die erste
Silbe des Wortes sehr langsam aus, dann eröffnet sie die Zeit zum Wachsen der
Naturdinge: zum Entstehen der Wachsenden: phyomenon genesis.
Aristoteles hat schon 2000 Jahre vor Heidegger geheideggert – aber nur
manchmal. Diese erste Bedeutung ist also eine rein verbale (wofür die mit -sis
gebildeten Substantive zuständig sind). Zweite Bedeutung: das anfängliche und
immanente Woraus des Wachsens des Wachsenden (der Samen, die Matrix ?). Dritte
Bedeutung: das Woher der spezifischen Bewegung eines Lebewesens: Wachsen,
Vermehrung kraft Berührung und Zusammenwachsen (Seele, Ernährung, Fortpflanzung
?). Vierte Bedeutung: das unvergängliche Woraus oder der Grundstoff der natürlichen
Dinge: also die kosmischen Elemente. Fünfte Bedeutung: die ousia oder
die Wesenheit der natürlichen Dinge, sofern sie ihre Gestalt oder Form gefunden
haben. Diese physis ist eine Synonym für die Formursache der vollendeten
Dinge. Aber mit dem Empedokles-Zitat legt Aristoteles eine Version der
Wesenheit nahe, welche in Mischung besteht. So etwas wie Mischung war bereits
in der dritten Bedeutung angeklungen.
Walter Seitter
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Sitzung vom 21. Jänner 2015
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