Im letzten Protokoll habe ich
angedeutet, dass die Ontologie (im aristotelischen Sinn) mit der
Metawissenschaft (im modernen Sinn) zusammenhängt, obwohl sie eher als
Objektwissenschaft zu gelten hat. Allerdings als Objektwissenschaft auf einer
höheren Ebene – im Vergleich zu Physik, auch zu Poetik oder Politik. Die
Ebene der Metawissenschaft wird von Aristoteles in den logischen Schriften
betreten bzw. realisiert: beginnend mit der Lehre von den Kategorien. Sein Buch
Metaphysik beginnt aber auch metawissenschaftlich: Stufen der Erkenntnis
– ungefähr Erkenntnistheorie im modernen Sinn – und entwirft ein Programm einer
Objektwissenschaft, die sachlich über die schon bekannten Objektwissenschaften
hinausgeht: durch Erweiterung des Gegenstandsbereiches in Richtung Gesamtheit
bzw. Erstheit. Doch im Buch IV schiebt er eine neue Betrachtungsart ein:
Betrachtung des Seienden als Seienden mit dazugehöriger Vielfältigkeit – welche
aber nicht zusätzliche Realitätsbereiche erschließen will sondern nur immanente
Allgemeinheiten: Kategorienvielfalt und Konvertibilität von Transzendentalien.
Diese Bestimmungen ergeben sich aus der Metawissenschaft namens Logik, indem
deren formale Bestimmungen „materialisiert“ bzw. direkt „referenzialiert“
werden: Gegenstandsbestimmungen von größter Allgemeinheit oder Formalität. Von
anderer Art als „Natur“, „Geist“, „materiell“, „immateriell“.
Die eben genannten
Bestimmungen liegen im Feld, das nach Gattungen und Arten gegliedert wird, und
sie werden von den Objektwissenschaften erforscht, zu denen wohl auch die
aristotelische Metaphysik (im engeren Sinn gehört). Darüber liegt die Ebene der
Metawissenschaften: Linguistik, Logik, Erkenntnistheorie. Und noch einmal
darüber die Ontologie, welche die Metawissenschaften selber mit Realität
auflädt – oder die Logik mit Ontik.
Das kann man theoretisch
konstruieren – so oder so ähnlich. Man kann dazu aber auch auf andere Weise
gelangen: „okkasionelle“ Ontologie. Indem man im Laufe irgendeiner
Sachuntersuchung (Objektwissenschaft) merkt, dass die Ordnung der Kategorien
oder der Transzendentalien (von der man schon gehört hat) da nicht stimmt,
nicht greift oder anders formuliert werden muß: neue oder „revisionäre“
Ontologie. So etwas haben wir in der Poetik bei Aristoteles selber
beobachtet: Auflösung der Hierarchie von Substanz und Akzidenzien. Oder bei
Heidegger, der die herkömmliche philosophische (das heißt griechische)
Objektwissenschaft für „den Menschen“ als unzulänglich eingeschätzt hat und
daher auf die dritte Ebene gesprungen ist: Fundamentalontologie als Anthropologie
(doch dieses Wort müsste man jetzt durchstreichen (was mein Computer nicht kann
(wenn ich mich nicht täusche))). Oder bei mir in den Menschenfassungen,
wo ich die Polarität von Unbestimmtheit und Bestimmungszwang als „Wesen“
eingesetzt habe (und den traditionellen Wesensbegriff zurückstellte); ähnlich
Friedrich Balke in seinem Nachwort. Die Gegenwartsphilosophie neigt durchaus zu
einer „Ontologisierung“ in diesem Sinn (und unabhängig von dem Begriff): so
geht die „Intensität“ von Deleuze und Guattari in eine solche Richtung oder
aber der Kult der „Abwesenheit“ bei Derrida - und überhaupt die Distanzierung
gegenüber allem „Essenzialismus“. Das heißt, dass der von mir etwas künstlich
rekonstruierte Ontologie-Begriff heute eine gewisse philosophische Aktualität
besitzt.
Im Kapitel über die „Natur“
bewegt sich Aristoteles natürlich wieder fest auf dem Boden der
Objektwissenschaft, wenn er den Wasser-Materialismus des Thales über den
Vorgang der Schmelzung plausibilisiert. Was der aristotelischen Lehre von der
Ineinander-Verwandlung der vier (oder fünf) Elemente entspricht. Allerdings
kann daraus der Schluß gezogen werden, dass die Elemente die eine Urmaterie
bilden und diese folglich eine Transzendentalie überhaupt, sodaß man sagen
könnte „ens et elementa convertuntur“ oder sogar „ens et aqua convertuntur“ –
womit die Elementenlehre in den Rang der Ontologie gehoben würde. Das heißt die
Ordnung der Dinge, ja die Ordnung der Wissenschaften ist nicht ganz so sicher,
wie diese Ordnungen zunächst suggerieren. Doch das kann man erst feststellen,
wenn man die Ordnungen konstruiert hat.
Walter Seitter
--
Sitzung vom 28. Jänner 2015
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen