Ludwig
Wittgenstein: „Wenn die Philosophen ein Wort gebrauchen – ‚Wissen’, ‚Gegenstand’,
‚Ich’, ‚Satz’, ‚Name’ – und das Wesen des Dinges zu erfassen trachten,
muß man sich immer fragen: Wird denn dieses Wort in der Sprache, in der es
seine Heimat hat, je tatsächlich so gebraucht? Wir führen die Wörter von
ihrer metaphysischen wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurück.“
Gewissermaßen
ähnlich ist Heidegger vorgegangen, wenn er die philosophischen Begriffe,
zumeist die griechischen, auf ihre etymologischen Wurzeln und deren Semantik
zurückgeführt hat: logos auf legein, d. h. reden, aber
ursprünglich – angeblich - sammeln als eine physisch-häusliche Tätigkeit.
Im frühen 20.
Jahrhundert wirkte in Wien der Publizist, Schriftsteller und Dichter Karl Kraus
(von dem sich Ludwig Wittgenstein inspirieren ließ) und eines seiner Anliegen
war der Kampf gegen die „Phrase“: damit meinte er den Gebrauch hoher Worte,
ohne genaue Vorstellung von ihrer Bedeutung (Signifikat und Referent),
Sprachgebrauch ohne Vorstellungskraft bzw. Vorstellungsleistung. Und in diesem
Sinne möchte ich mir die von Wittgenstein aufgestellte Empfehlung zu eigen
machen (an ihn allerdings auch die Frage richtend, was er denn mit
„metaphysisch“ meine) – und zwar speziell für unsere Aristoteles-Lektüre, mit
der ja immer Übersetzen und Sprechen über das Gelesene verbunden ist. Dieses
Sprechen sollte frei von „Phrasen“, von leeren Worthülsen sein. Dies umso mehr,
als Aristoteles selber, wie wir eben bei seiner Behandlung der Begriffe physis
oder „notwendig“ gesehen haben, vorgeht wie Wittgenstein empfiehlt: Ausgang
von Alltagsbedeutungen, eventuell auch von Etymologien, der betreffenden
Wörter. Aristoteles ist eben ein „analytischer“ Philosoph.
Von Karl Kraus
beeinflusst war seinerzeit auch der junge Eric(h) Voegelin. Wie schon
irgendwann erwähnt gehörte er in den Zwanzigerjahren in Wien zum „Geist-Kreis“
– einer national-ökonomisch und soziologisch ausgerichteten Parallelaktion zum
„Wiener Kreis“. Diesem gehörte zwar Wittgenstein nicht direkt an, aber seine
wegwerfende Verwendung des Wortes „metaphysisch“ mochte ihn mit ihm verbinden.
Voegelin seinerseits hat jedenfalls in seinen späteren Jahren von der Philosophie
des Wiener Kreises wenig gehalten und in den Darstellungen gilt er als
Vertreter einer konservativen und beinahe religiösen Politik-Theorie. Es mag
sein, daß diese Bezeichnungen etwas treffen. Aber auf der
erkenntnistheoretischen Metaebene hat er sich scharf von allen
Dogmatisierungen, philosophischen oder religiösen, distanziert und betont: es
geht um Erfahrungen und die müssen symbolisiert werden und die Symbolisierungen
können so oder so ausfallen, sie sollten möglichst differenziert sein: also präzis
und nicht simplifizierend. Das heißt: es kann immer wieder bessere
Symbolisierungen geben und bessere Symbolisierungen wirken sich wiederum auf
die Verfeinerung von Erfahrungen aus. Mit den Begriffen „Erfahrung“ und
„Symbolisierung“ gerät Voegelin in die Nähe der Sprache des Wiener Kreises (was
ihm wohl nicht ganz entgehen konnte). In der ZEIT vom letzten Donnerstag (12.
Februar 2015) erwähnt Bruno Latour Voegelins These (und Postulat) von der
Differenzierung von Vorstellungen sowie Symbolen.
Um auf den
zitierten Satz von Wittgenstein zurückzukommen: Was heißt „Wesen“ bei
Aristoteles?
Walter Seitter
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