Die Annäherung
Ihrer Aristoteles-Lektüren an die Chemie ist wirklich sehr anregend. Ein paar
kleine Randbemerkungen fielen mir dazu ein.
Die Frage nach
Linie oder Kreis: Denken Sie, denkt die Hermesgruppe es eigentlich als möglich,
mit Koyré die Kosmologie des Aristoteles ganz vom Kreis her zu denken, bis in
die Sphären, und dagegen die neuzeitliche Wissenschaft seit Galilei von der
unendlichen Geraden her? „Ich stelle mir vor, mente concipio, eine unendliche,
ganz glatte Ebene, auf der ein Körper (eine Kugel) ohne Widerstände in einer
Richtung rollt ...“ – das wird von Koyré/Heidegger als die Grund-Anordnung des
neuzeitlichen Wissens stilisiert. Und dagegen die Kreisform als Grundlage des
Aristoteles, über die Koyré/Heidegger freilich nur Andeutungen machen.
Das andere
wäre die Frage, ob Aristoteles, Euklid und vielleicht die
römische
Wissenschaft die Linie wirklich von der Bewegung her gedacht haben, also als
etwas, was von einem sich bewegenden Punkt generiert wird? Ist das nicht ein
Ergebnis erst der Trigonometrie, also von Pi, also der Bewegung eines
generierenden Kreises? Und Euklid hätte wirklich nur die kürzeste Verbindung
zwischen zwei Punkten konstruiert und mit dieser Konstruktion argumentiert.
Ein kleiner
Nebengedanke: Wäre es – ganz freihändig gedacht – auch eine Möglichkeit, die
Tragödie vom Drama zu unterscheiden, indem man die Tragödie als ein Geschehen,
als Verwandlung an und in Substanzen begreift, das Drama als Geschehen an
Akzidenzien? Wahrscheinlich läge das gar nicht im aristotelischen Horizont.
Wesen und
Wesenheit: Es wäre schön, einmal eine kleine Arbeit über den Ausdruck, die
Programmatik des Wortes „Lebewesen“ zu versuchen. (Ich versuche intern seit
längerer Zeit, das Wort Organismus, wo immer möglich, durch Lebewesen zu
ersetzen.)
Und die
Verbindung zur Transsubstantiation, die Sie machen, ist
wirklich
passionierend! Auch Bruno Latours Nachdenken kreist ja seit
einiger Zeit –
völlig griechenvergessen - um die Frage: Warum werden nicht Korn und Traube,
sondern Brot und Wein in Fleisch und Blut
trans-substantiiert?
Er sagt: Es sind eben schon Produkte der Kultur, der Technik, mithin künstliche
Produkte, die gewandelt werden.
Peter Berz
--
Berlin, im April
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