τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

* * *

Freitag, 28. Oktober 2022

In der Metaphysik lesen (1082a 27 – 1082b 24)

Protokoll vom 26. Oktober  2022

 

 

Zu den derzeit gelesenen aristotelischen Ausführungen gegen die platonischen Ansichten von einem Qualitätsunterschied innerhalb der Zahlen präsentiert Bernd Schmeikal sozusagen als modernes Gegenprogramm eine zahlentheoretische Entwicklung, die von der Eins zur algebraischen Identität und weiter zum algebraischen Idempotent übergeht. Von allen drei gilt, daß sie mit sich selber multipliziert „nur“ das ergeben, was sie selber schon sind. Entsprechend dem schon im Kindergarten bekannten 1 x 1 = 1.

Allerdings bedarf es für jene Entwicklung einer gewissen „Geometrisierung“ der skalaren oder nackten Zahlen, die Vektoren, Richtung, Lage im Raum zustandebringt.

 

Ergänzend führt Bernd Schmeikal aus:

 

  • die Eins ist (seit Dedekind) eine Zahl im Zahlenkörper der reellen Zahlen
  • in einem Körper gibt es zwei innere zweistellige Operationen: die Addition und die Multiplikation, die eine Reihe von Bedingungen und Gesetzen erfüllen
  • In dem um die Null verkleinerten Körper K \ {0}  gibt es ein Element 1 so dass " 1 x a = a " für alle a in K gilt. Die 1 heisst neutrales Element oder Einselement in K. Die Eins im reellen Körper ist unsere 1.

 

Wie man sieht, ist damit auch die schon etwas bekanntere moderne Klassifizierung der Zahlen in natürliche, ganze, rationale, reelle und komplexe Zahlen berührt. Eine imaginäre Zahl (Beispiel: Wurzel aus -1) ist eine komplexe Zahl, deren Quadrat eine nichtpositive reelle Zahl ist.

 

Die schärfste Differenzierung, die Aristoteles bei Platon vorfindet (und kritisiert) betrifft die Zahl 1 und sie unterscheidet zwischen „dem Einen“ und der „Einzigkeit“.

Wo jedoch Aristoteles über die Zahlenlehre hinausgeht, wird bei ihm der 1 eine noch weitergehende Sonderstellung zugewiesen.

 

Für Aristoteles gibt es nur natürliche Zahlen - allerdings gilt ihm sowohl das Gezählte wie auch das Zählungsmittel als Zahl. Wobei eine gemeinsame Art oder Gattung das Maß für die Zählung liefert (z. B. kann man Mensch und Pferd zusammenzählen, sofern beide der Gattung Lebewesen angehören). Daran sieht man bereits, daß er die Mathematik der Physik unterordnet. Er verweigert ihr einen gleichen ontologischen Rang. Sie ist für ihn ja nur die zweite theoretische Wissenschaft und bekommt nicht den Ehrentitel „Philosophie“.

Stephan Herzberg erklärt, daß Aristoteles dem Einen einen höheren Rang zuspricht: es sei das Prinzip der Zahl, nicht aber selbst Gezähltes, weshalb die Eins im eigentlichen Sinn keine Zahl und die Zwei kleinste Zahl sei.[1]

Das heißt wohl, daß das Eine nach Aristoteles eine unvergleichliche Sonderstellung einnimmt, obwohl er das für die Zahl eins in Abrede stellt.

 

Im weiteren verfolgt Aristoteles sein oben genanntes Anliegen, indem er der platonischen Position unterstellt, sie müsse bei den Zahlen auch zwischen früheren und späteren unterscheiden, je nach dem, ob eine bestimmte Menge Teilmenge einer größeren oder einer noch größeren Gesamtmenge sei. Wenn die Gesamtmenge zusammengesetzt ist und wenn sie eine Idee ist, wäre auch die Idee zusammengesetzt und womöglich würde das auch auf die Dinge zutreffen, von denen die Ideen Ideen sind.

 

Daß die Zahlen ein eigenes „Reich“ bilden, in dem man, wenn man Mathematiker ist, vielerlei Unterscheidungen, Operationen, Erfindungen durchführen kann, die ihre eigenen Gesetzlichkeiten befolgen und sogar erzeugen, ohne in bloße Willkürlichkeit auszuarten, das war in der Antike jemandem wie Pythagoras sehr wohl bekannt, der neben einigen bis heute anerkannten Lehrsätzen auch bestimmte Zahlenfiguren als Prinzipien für Entitäten und Zustände betrachtete, was Aristoteles schon im Buch I der Metaphysik (986a 8ff.) kritisiert hat.

 

Walter Seitter

 

 

 


[1] Siehe S. Herzberg: arithmos/Zahl, in O. Höffe (Hg.): Aristoteles-Lexikon (Stuttgart 2005): 83f.

1 Kommentar:

  1. "Es sei das Prinzip der Zahl, nicht aber selbst Gezähltes, weshalb die Eins im eigentlichen Sinn keine Zahl" sei. Aristoteles und Pythagoras wußten freilich noch nichts über 'Idempotente der geometrischen Algebra', hyperkomplexe Zahlen, Clifford-Zahlen und deren Darstellungen auszusagen, obgleich etwa Aristoteles um ein genaueres Verständnis von (meist natürlichen) Zahlen zu ringen schien und Pythagoras mit gewissen Grundlagen der Geometrie vertraut war. Das Schöne und durchaus Interessante an den Idempotenten ist, dass sie in beliebigen Dimensionen und hyperkomplexen Räumen nicht abzählbar viele Darstellungen und Strukturen besitzen. Ferner gibt es zu jedem geometrischen Raum mit definiter Dimension und Signatur (Art der Clifford Algebra) ebenfalls unendlich viele Darstellungen. Trotz seiner beliebig großen Konplexität ergibt das äußere Produkt eines Idempotents mit sich selbst doch nur wieder es selbst. Das relativiert die altgriechische Ansicht enorm, und gewiss ist jede Cliffordzahl und so auch ein Idempotent ganz gewiss eine Zahl.

    AntwortenLöschen