τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Dienstag, 14. November 2023

In der Metaphysik lesen*Hermann – Lektüre 33 ( 79rE - 79vF) Seite 228, Z 16 bis Seite 232, Z 19 bei Burnett.

Mittwoch, den 8. November 2023

 

Wir sind zu letzten Seiten des Textes von Hermann gelangt, die von Burnett mit diesem Titel versehen worden sind: 

 

Gottes Schöpfung des Menschen

 

Der klügste Autor, also der Schöpfer, scheint sich ein Probestück als Abschluss der Schöpfung zu überlegen, das die Frucht seiner Arbeit darstellen soll. Ein solch planender Gott bei Hermann, scheint wenig Ähnlichkeit mit dem biblischen Gott zu haben, der sich nicht überlegt, was in der Schöpfung noch fehlt. Aber auch dieser Gott der Tat hält jeden Tag inne und sieht, dass das an diesem Tag Geschaffene gut ist. Bei Hermann sieht Gott die Mangelhaftigkeit seiner Schöpfung ein, denn in der bisherigen Welt führt die Natur des Kreislaufes den Teil zum Ganzen zurück, wie die Flüsse ins Meer fließen und der Regen auf den Grund fällt von dem er aufgestiegen ist. Damit etwas geschaffen wird, dass nicht untergeht, muss das vorhandene Hauptmodell um das Abbild Gottes ergänzt werden.

Es wird hier das Wort fenus verwendet, das der Kreislauf der Natur (nature circuitus) einfordert, also ein Wort mit stark ökonomischer und finanzieller Bedeutung wie Ertrag, Zinsen, Leihgewinn, Kapital, sodass der Kreislauf der Natur wie der Kreislauf des Kapitals erscheint, der Gott dazu zwingt, den Menschen zu erschaffen.

So wird jetzt eine vierfache Mischung aus den Substanzen hergestellt und in ein lebendiges Verhältnis gebracht, wobei die Erde sowohl für die innere Festigkeit sorgt, als auch als irdische Oberfläche dient. In der Genesis formt Gott den Menschen allein aus feuchter Erde in der handwerklichen zweiten Version der Schöpfung. Hermann vermeidet das Wort Mensch auf diesen letzten Seiten vollständig, außer den Adjektiv humana kommt nichts Menschliches vor, selbst Körper oder Modell (specimen, exemplo) kommen nur jeweils ein bis zweimal vor.

Der Körper wird jetzt in der bisher ausgeführten kosmologischen und astrologischen Weise aufgebaut. Am höchsten Punkt bildet er den Sitz der himmlischen Natur mit einer fühlenden Substanz, von dort spannt er flexible Netze auf den gesamten Körper aus, um die Rechte der himmlischen Natur zu übertragen. Der oberste Teil, es wird das Wort Kopf nicht verwendet, wird mit sieben Organen (instrumentis) geschmückt, wobei ich mit Organen schon zu organisch übersetzt habe, denn im nächsten Satz verwendet Hermann tatsächlich das Wort Maschine (machine) für das Zusammenstimmen der Teile. Die sieben Instrumente sind die Augen, Ohren, Nase, Mund und Zunge, die der Sonne, dem Mond und den Planeten zugeordnet werden. Der Rest des Körpers wird auf die anderen Teilen des Tierkreises zugeordnet. Der unterste Teil wird zweigeteilt und am Boden befestigt.

Dann kehrt Hermann zur biblischen Erzählung zurück und läßt den Schöpfer einen Teil seiner göttlichen Natur einhauchen, wodurch auch die freie Entscheidung über alle Wünsche gegeben ist und das Urteil über Richtig und Falsch. Damit kann er über seine Bewahrung und seinen Untergang bestimmen.

Danach hob er ihn in die Höhe und befahl ihm aufrecht zu stehen, als Erinnerung an seine Herkunft. Das Zusammenwirken von Seele und Körper wird als kleines Modell der Chöre der Musen verstanden, die von den leitenden Bewegungen der himmlischen Harmonie geführt und gemäßigt werden. Denn das Himmlische und Unkörperlichen kann in diesem Irdischen und Körperlichen nur festgehalten werden durch einen harmonischen Knoten in einem Gefäß von himmlischer Form. Wenn dieser Knoten zu sehr verwirrt wird, wird die Seele ausgeschlossen und das Leben erlischt. Hermann spricht an diesem Punkt von einer rationalen und einer vitalen Seele, die untrennbar miteinander verbunden sind und in keinem getrennten Zustand existieren können. Der Arbeiter oder Werkmacher (opifex) erhöht die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Materie durch die Einrichtung der rationalen Seele und begrenzt die Gegensätze und Bewegungen einer widerstrebenden Natur.

Damit es nicht zum Aufruhr des einen Teils gegen andere komme, und damit der Gehorsam des einen und der Sieg des anderen gewährleistet sei, sorgt Gott, hier sogar so genannt, für zwei Stützen (adminicula) die als Magen die Bedürfnisse des Körpers stillen und mit den rationalen Bewegungen der Zunge die Seele mit gesunder Nahrung versorgen. Hier kommen durchaus politische Begriffe ins Spiel, da es doch um Revolution und Wiederherstellung der Hierarchie durch Brot und Reden geht.

 

Karl Bruckschwaiger

 

Nächste Sitzung: 15. November 2023

Aristoteles lesen, Buch XIV

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