Das ganze Dilemma der Philosophie beginnt an
ihrem Anfang. Denn die Philosophie ist eine Verfallsgeschichte, die kurz nach
ihrer Entstehung einsetzt. Der Absturz beginnt mit der Idee des Guten. Erreicht
eine ungeahnte Tiefe in der Scholastik, wo von Substanz gesprochen wird.
Descartes palavert vom Subjekt, was die Dekadenz nur noch steigert. Dekadenz,
das Stichwort der PhilosophInnen. Man könnte folgerichtig überhaupt das Wort
Philosophie durch Dekadenz ersetzen. Die Technik und die Naturwissenschaft ein
Verhängnis. Ein Machwerk. Einzig das Gespräch im Philosophenhimmel auf Erden
zwischen Heidegger, dessen Gedanken wir bisher folgen, und den großen
griechischen Denkern bringen die Sache weiter. Die Sache, das nächste
Stichwort. Die Sachen nämlich sind die Welt. Und mit ihr beginnt der
Heideggersche Anfang. Endlich Schluss mit Platon und dem ganzen Unsinn. Zurück
zum Grundthema der Philosophie: physis und ousia. Das wussten sie
vor Platon eben noch. Vor Sokrates. Und damit ihr es wisst: Alle vor Ihm und
nach Ihm und neben Ihm, nämlich Heidegger, sind Nichternstzunehmende.
Tatsächlich höre ich persönlich seit geraumer
Zeit bei diversen philosophischen Sitzungen immer wieder „Ja ist das nicht
beim späten Wittgenstein und bei Heidegger so und so.“ Es heißt in Wien
schon lange: Wittgenstein und Heidegger und die Sprache wären die vollendete
Lösung. Jedenfalls ereignete sich um 1900 ein anderer Anfang der Philosophie
doch tatsächlich im bis dahin konsequent und hartnäckig nicht philosophierenden
Wien. Einer von Wittgenstein, Ernst Mach und Ludwig Boltzmann geradezu
vorsokratisch von Physik inspirierten Philosophie. Dem widerspricht Michael
Benedikt, der in seiner Geschichte der österreichischen Philosophie (Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung. Österreichische
Philosophie von 1400 bis zur Gegenwart. Ludwigsburg, Klausen-Klausenburg, Wien. 1992- 2000)
Leibniz als den bedeutendsten österreichischen Philosophen nennt und auch Peter
Kampits, der von Marc Aurel als dem ersten österreichischen Philosophen
spricht. (Zwischen Schein und Wirklichkeit, Eine kleine Geschichte der
österreichischen Philosophie, Wien 1984) Schließlich lag Carnuntum ja
immer schon in Österreich und auch Leibniz, war durch seinen kläglich
gescheiterten Versuch eine Akademie der Wissenschaften in der Hauptstadt des
Heiligen Römischen Reichs zu gründen, eindeutig ein Österreicher. Was ist den
österreichischer bitt´ schön, als mit dem Versuch eine Akademie zu gründen, zu
scheitern. Man könnte fast sagen, erst wenn man eine Akademie gründen will und
damit scheitert, ist man ein echter Österreicher.
Man möge die historische Ursachenforschung
aber nicht überspannen. Man möge den Vergleich der österreichischen Philosophie
aus dem Geiste der Naturwissenschaften mit dem Denken der Vorsokratiker
metaphorisch, oder sogar allegorisch nennen, selbst wenn genau an dieser Stelle
die Mediziner Freud, Adler, Breuer et cetera, nicht unter den Tisch
fallen.
Die ewigen Sachen. Als das, worüber eine
ahistorische Debatte zwischen allen Philosophen aller Epochen stattfinden kann,
sind bei Aristoteles zehn an der Zahl. Um einige zu nennen. Die Welt, die
Formprinzipien, die Himmelskörper, die Bewegung der Himmelskörper, die zwei
Kreisbewegungen der Erde. Was für mich persönlich zur notwendigen Frage führt:
dreht sich das Verfallenste aller verfallender Geschichte, der vergängliche
Mensch, auch ständig nur um sich selbst, so wie die Erde um die eigene Achse? Denn
im Streben unvergänglich zu sein, ist der Mensch wohl den beiden anderen
sterblichen Sachen, den Tieren und den Pflanzen, überlegen.
Man sollte halt hin und wieder mal Jazzmusik
hören und die Männer Vogue lesen. Hätte allen Anfängern sicher ganz gut getan.
MATHIAS ILLIGEN
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