Beschränken wir uns auf die
Annahme, daß Aristoteles die anthropomorphen Gottheiten der griechischen
Volksreligion abgelehnt hat, so könnte das auf so etwas wie „Atheismus“
hinauslaufen. Oder aber im Gegenteil auf eine Kritik an falschen Göttern, denen
eine göttliche Wesenheit, also eine andersartige morphe, ein göttliches eidos
gerade fehlt. Aristotelischen Gottheiten müßte eine göttliche Wesensform
eignen, die sich von der menschlichen unterscheidet. Ob diese Wesensform sich
auch in einer anderen Erscheinungsform äußern müßte, sei jetzt einmal
dahingestellt; tendenziell ja, denn der griechische Begriff von „Wesen“
impliziert eben auch die Begriffe eidos und morphe.
Den griechischen Göttern
die Göttlichkeit absprechen, weil sie so menschlich daherkommen – das könnte
auch so verstanden werden, daß ein anspruchsvoller Begriff von „Gott“
aufrechterhalten wird, wie er im jüdischen Monotheismus entwickelt worden ist,
und der Gott nicht nur von den Menschen sondern sogar von der Welt überhaupt
absetzt: als „ganz Anderen“, als „Transzendenz“, als „Absolutes“, als
Unnennbaren und Undarstellbaren. Diese Begriffe zeigen bereits, daß der Gott
des Monotheismus philosophische Begriffe nahelegen kann, die ihn von den bunten
Göttergeschichten der Griechen weit entfernen. Derselbe Gott ist andererseits
in den Quellen, in den Gründungstexten der jüdischen Religion, als sprechender,
als fordernder, als befehlender , als beleidigter, als rächender, als
auserwählender, als bündnisschließender, als versprechender, als zorniger, als
barmherziger und so weiter und so weiter Gott dargestellt worden: also wiederum
als menschlicher, um nicht zu sagen allzumenschlicher Gott. Bis er schließlich,
und das ist die christliche (halb ägyptische und griechische) Fortsetzung der
Judenreligion, offiziell und historisch zusätzlich Mensch geworden ist: Jesus
(0-33). Da ist also ein richtiger Mensch „ewiggemacht“ geworden: entsprechend
dem kritischen Diktum des antiplatonischen Aristoteles.
Das Göttliche bei
Aristoteles sieht anders aus, wenn schon.
Walter Seitter
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